Verzweifelt bedeckten meine Hände mein Gesicht als mir klar wurde, wie unüberlegt ich handelte. Noch wenige Stunden zuvor wurde ich vom Bruder des Psychopathen oder Soziopathen, was genau er war, konnte ich noch nicht sagen, aber die Tendenz lag sicherlich beim Psychopathen, heimgesucht und gewarnt; danach konnte ich dies mit eigenen Augen bestätigen, dass mir mein Mageninhalt gefährlich nahe meiner Speiseröhre kam. Ich hatte Angst vor diesem Mann, der nachts eine Tür weiter schlief und mich bei sich wohnen ließ... und mit dem ich dummes Stück auch noch Geschlechtsverkehr hatte. Es war kaum zu glauben, aber Nicks Anwesenheit ließ mich so schnell vergessen.
Zu schnell für meinen Geschmack.
,,Wie konntest du nur", murmelte ich zu mir selbst. Die Bilder der zuvor erblickten Akten fanden sich in meinem Kopf wieder und ließen mich die Worte immer und immer wieder wiederholen. Ich musste hier weg. Ich konnte nicht für immer bleiben. Es war viel zu riskant und meine bisherigen Zweifel bestätigten sich nun. Freuen konnte ich mich über mein gutes Menschengefühl nicht. Wieso auch?
Ich schaute mich suchend im Raum um und blieb mit meinem Blick an meinem Handy am Ende des Bettes hängen, welches von Nick dorthin geworfen wurde. Ich krabbelte dorthin und entsperrte es. Mit unwohlem Gefühl öffnete ich den Chat, den ich mir ersparen wollte, doch ich konnte nicht anders. Als ich mir jede einzelne Nachricht durchlas, begannen meine Finger zu zittern. Jemand musste sich hier einen schlechten Spaß erlauben. Es wäre zumindest nichts neues. Sofort schossen mir so viele Namen durch den Kopf von Menschen, die ich jeden Tag hoffte, nicht mehr sehen zu müssen.
Entschlossen löschte ich die Nummer auf meinem Handy und atmete durch. Eine erzwungene Besserung der Situation. Ich sah mir noch kurz den Chat von Kyle an, ehe ich mein Handy ausschaltete und mich auf das Bett fallen ließ. Bedrückt schloss ich meine Augen und hoffte wie ein kleines Kind, das ich mal war und immernoch bin, auf die Rückkehr meiner Mutter, denn mit ihr hat es solche Probleme nie gegeben. Mit ihr war meine Welt noch die bunte Welt voller Liebe und Sorgenlosigkeig.
~
,,Ich werde Sie pünktlich um 16 Uhr abholen." Nickend gab ich zu verstehen, dass ich verstanden hatte, ehe ich die Autotür des schwarzen Autos zuschlug und mich unwohl Richtung Schultor machte. Mein Rucksack fühlte sich schwerer an als sonst und es fühlte sich so an, als würde mein Rücken unter dieser Last durchbrechen. Dass ich zur Schule durfte und sogar mit Handy, war toll, versteht mich nicht falsch, aber allein dieses Gebäude zu sehen, breitete mir Bauchschmerzen. Zu viele schlechte Dinge hatte ich hier schon erlebt, um mich wohlfühlen zu können.
Als ich meinen Blick hebte, hätte ich am liebsten losgeheult und wäre umgekehrt. Mein Hals schnürte sich zu und machte mir somit schwer, zu schlucken. Ich zog meinen Kopf ein und versuchte, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Mit schnellen Schritten wollte ich an der Gruppe vorbei, als es dann doch passierte.
Mein Name ertönte.
Noch nie hatte er so hässlich geklungen.
,,Wir haben dich so vermisst, wo hast du denn gesteckt?", fragte Mandy mit so viel Spott und Abneigung, dass meine Knie immer instabiler wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die angesammelten Tränen über meine Wange ergossen und meine Beine mein Körpergewicht nicht mehr halten konnten.
,,Bitte nicht, bitte nicht", flehte mein Inneres, doch langsam bekam ich das Gefühl, meine Gebete würden niemals erhört und Gott gibt es nicht. So gnadenlos konnte und durfte kein Gott sein, der für Güte stand. Er durfte einfach nicht.
Auffordernd streckte jemand seine Hand aus und zeigte mir seine Handfläche. Automatische schleuderte ich meinen Rucksack vom Rücken hinunter und suchte in diesem nach würdigem Inhalt. Als ich ihm dann mein Mittagsgeld und mein Frühstück in die Hand drücken konnte, legte sich die andere Hand grob auf meinen Kopf. ,,Na endlich", lachte Valentin. Dass sich die schlichte Berührung in eine leichte Backpfeife verwandelte, brachte mich nicht aus der Fassung. Auch ihre Lache nicht. Auch ihre Sprüche nicht. Auch ihre Gesichter nicht. Auch der Hass nicht.
,,Schlampe, schau her." Ich hob meinen Kopf an und sah in Jasons Gesicht, dass von heilenden Wunden überseht war. Er lachte. ,,Sie hört", stellte er fest, woraufhin Tiffany, Nina und die anderen zwei Mädchen ebenso lachen mussten.
,,Seid ihr jetzt fertig", sagte ich unüberlegt dumm. Ich schaute wieder weg. ,,Noch nicht." Damit erfasste mein Gesicht wieder eine leichte Backpfeife, die die anderen aus unerfindlichen Gründen zum Kichern brachte.
Ich drehte mich zügig um und verließ die Gruppe schnellen Schrittes. Doch es passierte, was passieren musste, und meine Wenigkeit stolperte und fiel hin. Dorthin, wo alle es sehen konnten. Die schadenfrohen Gesichter und ihre amüsierten Laute blendete ich aus und betrat leise weinend das Gebäude. Mit meinen Ärmeln wusch ich über mein Gesicht, um schlimmere Debakel zu vermeiden. Ich wollte nichts mehr, als wieder nach Hause zu gehen. Wie naive war es von mir zu denken, in der Schule sei es besser als bei Nick daheim.
Plötzlich wurde ich von hinten angetippt, weswegen ich mich perplex und mit der Angst, einer von ihnen wollte mir noch den letzten Rest geben, umdrehte und meiner rothaarigen Freundin ins Gesicht sehen konnte. Erleichtert fiel ich ihr um den Hals. Überrascht tätschelte sie mir den Rücken. ,,Maus, was ist los?" Ihre mir bekannte Stimme schenkte mir die Sicherheit, die ich jetzt brauchte. Es war wie ein kleines Seil von oben, an das ich mich festhalten konnte, um nicht in den Abgrund zu fallen. ,,Nichts", nuschelte ich an ihr Shirt. ,,Ich hab dich nur länger nicht gesehen", ergänzte ich. ,,Wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast so viel verpasst! Wieso gehst du denn auch nie an dein Handy?"
,,Weil es mir mein Mitbewohner entnommen hat", sagte ich in Gedanken lautlos. Ihr könnte ich das niemals sagen. Catherine würde viel zu viele Gedanken daran verschwenden und nachfragen, was ich auf jeden Fall vermeiden wollte.
Schließlich zuckte ich lediglich mit den Schultern und löste mich von ihr mit der Hoffnung, meine Augen würden nicht zu glasig aussehen. Sie dabei eine Geste, die mir zu verstehen gab, dass es nun auch nicht mehr relevant sei.
Sie wollte gerade fortführen, als eine dritte Person zu uns kam und sich als Aurora entpuppte, die mal wieder wie jemand aus einem Modemagazin aussah. ,,Cath, hier bist du ja." Eine weitere Person gesellte sich zu uns, bei der sich mein Gesicht aufhellte. ,,Kyle!" Überrascht sah er mich an. ,,Caprice! Wieso hast du nicht auf meine Nachrichten geantwortet", fragte er direkt angesäuert und gespielt enttäuscht. Aurora beteiligte sich nun auch an unserer Konversation. ,,Sie ist oldschool, Kyle. Sie wartet darauf, bis du ihr einen Liebesbrief schreibst", kicherte sie, wobei Catherine miteinstieg. Ich wurde mal wieder rot im Gesicht und verneinte. ,,Du musst es mir nur sagen und vielleicht können wir da was machen", provozierte Kyle schamlos. Beschämt lachend schlug ich ihm auf seinen Oberarm. ,,Niemals von dir." Seine Mundwinkel zogen sich nach unten und seine Augen fingen fälschlicherweise an, Mitleid zu erzeugen. Er schmollte. ,,So hart." Schmerzlich legte er seine rechte Hand auf sein Herz und demonstrierte theatralisch das Verletzende in meinen Worten.
Als es zur ersten Stunde klingelte begann er wieder zu lachen, drehte sich aber mit den anderen zwei weg und winkte zum Abschied mit den Worten ,,Das merk ich mir".
Teil 70 hat sich bei mir warum auch immer hinter Teil 72 geschoben und ich weiß nicht weshalb.. Ist vermutlich das gleiche bei euch? Wenn ja müsste ich einige Teile zurückziehen.
Habt ihr eigentlich eine Vermutung, warum Aurora so ist, wie sie ist?

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Besessen
RomanceSie lernt einen jungen Mann kennen. Dieser jedoch zeigt schon nach kurzer Zeit seine dominante, selbstsichere und einschüchternde Art, mit der das zurückhaltende Mädchen mit schlimmer Vergangenheit sehr zu kämpfen hat. Er will sie und lässt sie nich...