Kapitel 28

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Ich wendete meinen Kopf wieder ab und lief in das Treppenhaus. Stufen benutzen wollte ich gerade nicht.

Faulheit wird immer siegen.

Die Tür fiel gerade ins Schloss, als ich den Knopf für den Aufzug drückte. Nach nur wenigen Sekunden kam er an und öffnete sich mit einem "Bling". Ich trat in den mit Spiegeln versetzten Raum, worauf sich die Türen wieder schlossen.

Ich sah mein Spiegelbild an.

Immernoch die selben blau-grünen Augen, das durschnittliche Gesicht und das ausdruckslose Erscheinungsbild. Keiner würde auf die Idee kommen, dass hinter diesem Körper eine Geschichte steckt.
Was habe ich erwartet? Dass sich von einem Tag auf den anderen alles ändern wird? Dass es besser wird?

Ich klemmte mein Lippe mit meinen Zähnen ein, als ich bemerkte, wie mir langsam die Tränen in die Augen stiegen.

Habe ich wirklich daran geglaubt, dass Paps wieder der alte wird? Und dass Mama zurückkehrt? Dass mich meine Mitschüler mögen?

Sofort warf ich den letzten Gedanken weg. Ich hatte doch Catherine. Sie war eine Freundin und auch wenn sie manchmal schroffe Züge hatte, verbindete uns immernoch eine kleine Freundschaft. Es war doch nicht nur Eigennutz von ihr oder?

Ich drückte bei den Knöpfen vor mir auf das "E" für Erdgeschoss und der Aufzug begann sich zu bewegen.

Verletzte ich sie etwa auch so wie Nick, zeigte sie es aber nur nicht immer? Vielleicht war sie sogar schon von mir gelangweilt. Ich musste mich mehr trauen, damit es Catherine nicht immer vorkam, als würde sie mit dieser leeren Weinland sprechen, der man einfach nur mal Farbe verpassen müsste.
Ja richtig, den Raum musste man einfach nur in Farbe tunken, damit der Kopf der anderen vor Kreativität durch Inspiration platzte.
Aber wer würde sowas tun können?
Wer würde sich opfern einer von vielen Farbe zu verpassen?

Der Aufzug kam zum stehen und sie Türen öffneten sich. Ich setzte meinen linken Fuß vor, zog den anderen nach und verließ das Gebäude. Mittlerweile sind die Temperaturen draußen etwas gesunken, was mich dazu brachte, meine Jacke enger um meinen Körper zu schmiegen und meinen Kinn im Ausschnitt zu verstecken.

Nick wollte vielleicht aber genau das nicht tun, mir aufwendig Farbe verpassen. Er würde spätestens in wenigen Wochen erkennen, was er sich mit mir antat. Und eventuell war ich zu feige, eine Enttäuschung zu erleben, weswegen ich diesen Prozess davor schon stoppen wollen würde. Doch ist das wirklich das, was ich wollte? Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, wenn es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne jemals geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist?
Aus diesem Grund gleicht das Leben immer einer Skizze. Aber eigentlich ist auch "Skizze" nicht das richtige Wort, weil Skizze immer ein Entwurf zu etwas ist, die Vorbereitung eines Bildes, während die Skizze unseres Lebens eine Skizze von nichts ist, ein Entwurf ohne Bild.

Einmal ist keinmal.

Wenn man ohnehin nur einmal leben darf, so ist es, als lebe man überhaupt nicht. Und dieser Gedanken machte mir Angst.



Hi guys❤
Ein neuer Teil ist fertig!
Ich muss erwähnen, dass die Interpretation des Lebens am Ende nicht 1 zu 1 offiziell von mir ist. Inspiriert wurde ich von Milan Kundera, der in seinem Buch ,,Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" über eine Liebesgeschichte schreibt, bei der sich der Protagonist die Frage stellt, ob er seinen sich selbst vorgegebenen Regeln, sich an keine Frau zu binden, Folge leisten soll oder doch den Weg der Liebe beschreiten und erklimmen soll.
Gefällts euch? Und habt ihr den Gedankengang nachvollziehen können?

Nächstes Kapitel wird spanneeeend

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