Kapitel 55

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Nick öffnete die Tür zu seiner Wohnung und ließ sie mich samt Tasche als erstes betreten. ,,Willst du was trinken?", rief er durch die Wohnung während ich mich in Richtung Wohnzimmer begab. ,,Nein, danke. Alles gut." Ich nahm auf der großen Couch Platz und legte meine Mathesachen auf den Tisch. Ich sah mich um. Es war alles noch genauso wie als ich das letzte mal hier war.

Nick erschien im Türrahmen mit einem Glas Rotwein. ,,Hunger?" Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er auf mich zu kam und sich neben mich setzte. Sein Glas stellte er ab. Der Braunhaarige griff nach meinen Blättern und sah sie sich stirnrunzelnd an. ,,Lass mal sehen", murmelte er konzentriert. ,,Aha okay. Und was genau verstehst du daran nicht?" ,,Ich weiß nicht so recht woran es liegen könnte, dass ich irgendwann nicht weiter komme. Plötzlich verstehe ich dann gar nichts mehr." Ich war sowas von ein hoffnungsloser Fall.
Nick war die Ruhe selbst. ,,Dann reche mir bitte diese Aufgabe laut vor und wir werdem sehen, woran es hakt, in Ordnung?" Lächelnd nickte ich. Er tat es mir gleich und nahm sich noch einen Schluck von seinem Wein.

,,Caprice, du hast es schon wieder falsch angewendet. Das ist doch nicht so schwer." Seine strengen Worte hatten etwas extrem Amüsiertes, was mir missfiel. Verzweifelt ließ ich den Stift fallen. Das hatte doch alles keinen Sinn. Theatralisch legte ich mir meine Hände über die Augen und lehte mich zurück. ,,Ich bin sowas von geliefert."
Nick musste lachen und lehnte sich ebenso zurück. ,,Ach Baby, das wird schon. Ich verspreche dir, bis dahin kriegen wir das hin. Allein heute hast du schon riesen Fortschritte gemacht", munterte er mich auf. Weil ich meine Hände vor meine Augen legte, sah ich nur Dunkelheit, doch hören konnte ich seinen schweren Atem und seine Hand auf meinem Oberschenkel, die beruhigende Bewegungen machte. Ich entspannte mich.

Vielleicht hatte er Recht und ich sah das alles zu negativ. Aber wenn ich an die Leistung dachte, die Mrs. Torres erwartete, könnte ich wieder anfangen, zu stöhnen.

,,Ich hab eine Idee. Ich hole dir auch ein Glas Wein, dann enspannst du dich ein bisschen und schon wird es dir wenigstens ein bisschen besser gehen, okay?" Ich nahm meine Hände von meinem Gesicht und lächelte ihn ermüdet an. ,,Okay."

,,So bitteschön." Nick stellte den zweiten Rotwein neben mir ab. Dankend nickte ich und nahm direkt einen Schluck. Er war herb, aber hatte eine fruchtige und zarte, süße Note, was ihn außergewöhnlich lecker machte. Die rote Flüssigkeit floss meinen Rachen hinab und hinterließ einen angenehmen Nebengeschmack. Der Wein war wirklich gut, weswegen ich gleich den nächsten Schluck nahm und er mir grinsend dabei zusah.

Nick schaltete den Fernseher ein und legte sich neben mich. Er roch nach Aftershave. Es war ein männlicher und erfrischender Geruch, der seine Art sehr gut zur Geltung bringt. Er legte seinen Arm auf die Lehne um mich und jetzt gerade fühlte ich mich unbeschreiblich wohl. Ich wollte mich nicht gleich an seinen Hals schmeißen, aber ich lehne mich ein bisschen an ihn und seinen großen Arm, der voller Tattoos war. Ich bewegte mich kaum, aber er registrierte es natürlich. Er war warm. Warm und groß. Wie eine große Wärmeflasche, deren Wasser nie abkühlt. Wobei wenn ich so darüber nachdenke, kühlt er doch manchmal ab. Dann wirkt er eher wie ein Kühlpack. Ein Zwischending gab es bei ihm nicht; entweder war er verdammt kalt, sodass das Blut in deinem Körper einfriert, oder warm und liebevoll wie ein verspielter Welpe.

,,Caprice?", murmelte er mit belegter Stimme.

,,Ja?"

,,Hab ich dir schon mal gesagt, dass ich dich wirklich mag?" Als er das sagte, war ich unfassbar froh, dass er nicht mein erhitzes Gesicht sehen konnte. ,,N-nein, hast du noch nicht." Das war das einzige, was mir gerade einfiel, zu sagen. Mein Kopf war leer, aber gleichzeitig so voll. Neben mir kruschelte Stoff, was mir verriet, dass sich Nick zu mir gedreht hat.

,,Ich mag dich wirklich," widerholte er mit eiserner Miene. Meine Hände fingen an, zu kribbeln und zu schwitzen. Was wollte er denn? ,,Ich mag dich doch auch", kam es von mir überfordert. Mein Ziel war es, die Situation zu normalisieren. Es ging mir fast ein kleines bisschen zu weit. Endlich überwand ich mich und schaute in seine stahlgrauen Augen, die wirklich jeden fesselten.

Vermutlich war es auch einer seiner gefährlichsten Waffen. Man sah ihm einmal in die Augen und war direkt von imaginären Fesseln umschlungen und hohe, spitze Felsen ragten aus dem Boden, die dich in seine Welt einkesselten.

,,Ich glaube, mein Mögen unterscheidet sich von deinem", hauchte er.
 
Unterscheidet sich?

,,W-wie meinst du das?", flüsterte ich zurück. Meine Backen waren bestimmt schon tiefrosa. ,,Soll ich es dir zeigen?", knurrte er.

Ich wollte nicht nicken. Ich wollte nicht zustimmen. Ich wollte kein Einlass gewähren. Ich wollte meine Türen nicht öffnen. Ich wollte ihm nicht den Schlüssel zu meinem Herzen geben. Keinesfalls wollte ich jemandem den Zutritt in meine Welt gewähren..

Aber war hätte ich tun sollen. Mich wehren? Damit ich wieder vor allem weglaufe und mir die Tür zur Zukunft selber zuhalte? Mich selber einsperre?

Ich konnte mich nicht streuben, als er seine weichen Lippen auf meine legte.

Aber vielleicht wollte ich es auch nicht.








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