Ich saß gerade mit Catherine, Lola, Aurora und vier anderen Mädchen an einem Tisch in der Cafeteria und stocherte lustlos in meinem Essen herum. Doch irgendwann saß ich alleine hier, da die anderen ihr Essen von der Theke holen wollten.
Meine Lider hingen tief und Augenringe zierten mein Gesicht. Ich strich mir eine verlorene blonde Sträne hinters Ohr und stützte daraufhin meinen schweren Kopf wieder darauf ab. Die metallische Gabel quitschte ab und zu auf meinem Porzellanteller, wenn ich mit ihr über diesen strich.
Ich zerdrückte gerade eine weitere Erbse, als ich plötzlich schmerzlich zusammenzucken musste. Ich riss meine Augen auf, als ich Essen auf meinem Shirt und auf meinem Schoß erkennen konnte. Meine Kopfhaut brannte.
Immernoch unter Schock drehte ich mich um und sah Aurora, deren Grün der Iriden mich herausfordernd anfunkelte, und hinter ihr zwei Mädchen. Sie stocken kurz, aber fingen augenblicklich laut zu lachen an. Aurora musste sich auch offensichtlich ein Lachen verkneifen.
Sie hielt nun ihr Tablett wieder in der Hand, das wohl auf dem Boden gelegen hatte. Ein leerer Teller auf ihm.,,Ups Caipriest, sorry, das war nicht beabsichtigt."
Mittlerweile war es etwas leiser um uns geworden, da sie das Geschehen wohl mittbekommen haben müssen. Einige von ihnen hörte ich lautstark kichern.
Und nicht die Tatsache, dass sie meinen Namen, trotz der vielen Stunden, die wir gezwungenermaßen zusammen verbracht hatten, immernoch nicht kannte, tat weh, sondern viel mehr, dass ich das Gefühl hatte, dass das nicht ganz unabsichtlich gewesen war... dass es gewollt war.
Beschämt, wegen den Blicken und den Lachern aller um mich herum, wendete ich etwas meinen Kopf ab und fing an, schon mal das Gemüse von meinem Rock zu wischen.
,,I-ist schon okay, kann ja mal passieren."
Wie aufs Stichwort kam Catherine angetorkelt, die sich verwundert das Szenario vor sich analysierte, bis ihre Augen bei mir ankamen und sie offensichtlich belustigt die Stimme erhob.
,,Caprice? Wenn du dich wieder in Aufmerksamkeit baden willst, versuch es doch lieber anders, okay Maus?"
Meine Hände versteinerten in ihrer Bewegung, das Essen von mir zu wischen. Die zwei Tische direkt neben uns, die wohl alles mitgekriegt haben, brachen in grölendes Gelächter aus, was mir einen dicken Kloß im Rachen beschaffte.
Sie lachen über dich.
,,N-nein, ich hab doch g-"
Meine leise und unsichere Stimme wurde überhört. Und nicht nur das. Sie wurde übertönt. Undzwar durch die abwertenden Rufe der anderen. Sie ging in der Masse unter und mein Hals schwillte an.
Ruckkartig stand ich auf, nahm meine Tasche und rannte aus dem Raum.Meine Tränen konnte ich nicht länger zurückhalten. Wieso war ich so sensibel? Was machte dieser Charakterzug nur mit mir...
Ich lief in die Mädchentoiletten und hielt am großen Spiegel über dem Waschbecken an. Durch die bemalte und schmutzige Scheibe konnte ich meine rotunterlaufenen Augen erkennen. Ich machte den Wasserhahn an, ließ das kalte Wasser über meine Hände laufen und befeuchtete anschließend mein Gesicht. Ich brauchte eine Abkühlung zum Durchatmen und Wachwerden. Ich machte mich mit dem Leitungswasser anschließend sauber.
Das konnte nicht so weiter gehen. Ich musste etwas verändern; ich musste mich verändern.Es war Mittag, das hieß, dass meine Freistunde begann und ich Gott sei Dank noch etwas Zeit hatte, bevor ich wieder zu meiner Klasse unter Leute musste.
Ich lief den leeren hohen Gang der Schule entlang. Links und rechts von mir blaue Spinde, die fast bis zu Decke hochragten.Es war still.
Ab und zu hörte man das Schuheklackern, wenn Lehrerinnen von einem Raum zum anderen huschten oder ein Schüler den Weg zu den Toiletten fand. Dumpf hörte man auch mal Geräusche aus den Türen, hinter denen sich eine Klasse befand, die unterrichtet wird.
Aber so im Ganzen war es ruhig.
Und ich genoss diese Stille, denn sie beruhigte mich.Sie stillte die Angst vor den Menschen.
Da ich nichts zu tun hatte, lief ich zur Bibliothek. Vielleicht würde ich ein schönes Buch finden, das ich mir ausleihen könnte. Immerhin liebte ich es, zu lesen. Man konnte sich in eine andere Welt beamen. Es war wie in einem Traum. Überhaupt nicht realitätsgetreu, aber genau das bewunderte ich.
In der Bücherei schlängelte ich mich durch die leeren Gänge und stöberte. Ich las mir die Buchtitel durch und blieb bei einem schmalen, fast schon zu unauffälligem Bund hängen.
,,Das Flüstern der Stummen" war der Titel.
Es war dunkelgrau mit weißem Druckbuchstaben drauf. Da es in dem zweitobersten Regal stand, musste ich mich tierisch strecken. Ich stützte mich auf Zehenspitzen ab und streckte meinen Arm ganz hoch. Doch es fehlten noch genau zehn Zentimeter, um es überhaupt berühren zu können.
Verzweifelt versuchte ich es weiter und hoffte inständig plötzlich einen Wachstumsschub zu bekommen, doch vergebens. Ich blieb weiterhin bei meinen 1.65..
Und ich gab es auf.
Ich setzte mich wieder auf meine ganze Fußfläche ab und ließ meinen schmerzenden Arm wieder sinken.
Manchmal war es echt ätzend keine 1.80 zu sein. Das hat bestimmt Vorteile.Ich wollte mich schon gerade zur Seite drehen, um meinen Weg fortzuführen, mit dem Ziel, mir ein Buch auf meiner Höhe auszusuchen, als aus dem Nichts ein langer und muskulöser Arm hinter mir hervor schnellte, das Buch oben ohne Probleme packte und es mir anschließend reichte.
Verwirrt von dem Geschehen drehte ich mich um und sah in zwei warme meerblaue Augen, die mich genaustens musterten.
DU LIEST GERADE
Besessen
RomanceSie lernt einen jungen Mann kennen. Dieser jedoch zeigt schon nach kurzer Zeit seine dominante, selbstsichere und einschüchternde Art, mit der das zurückhaltende Mädchen mit schlimmer Vergangenheit sehr zu kämpfen hat. Er will sie und lässt sie nich...