Im Elysium waren sie wirklich vorsichtig. Es gab einen Aufgang zum Loft im Hinterhaus, der praktisch eine stählerne Feuerleiter war, die man über eine enge Gasse zum Hinterhof erreichte. Die Tür war stets verschlossen und ließ sich nur mit einer Zahlenkombination öffnen, wenn man nicht von innen den Nothebel betätigte. Diese wurde regelmäßig geändert und nur Sean, Oscar und Ginger kannten sie. Nun, neuerdings auch Luke, der zwei schwere Tüten von Tescos hinaufschleppte. Kurz kam ihm dabei der Gedanke, dass er damit nicht gerade Optimismus bewies, wenn er mindestens für eine Woche einkaufte. Aber man konnte auch nicht erwarten, einen Serienvergewaltiger und Mörder innerhalb kürzester Zeit zu schnappen. Wie es aussah, war Ginger ebenfalls ausgeflogen, denn das Loft war leer und Luke räumte einfach erstmal in Ruhe alles in den Kühlschrank. Der Ire würde bestimmt bald zurück sein, um sich für den Abend vorzubereiten, aber noch war die Gelegenheit günstig für Luke, um sich ein wenig umzuschauen. Das klang in Gedanken besser als herumschnüffeln. Als erstes fiel ihm die chinesische Kiste ein. Er öffnete den Deckel und fand darin zu seiner Überraschung nichts Außergewöhnliches, wenn man schon wusste, dass sie die Outfits für den Job enthielt. Der Stil der Kleidung entsprach dem, was Luke kannte. Es gab lediglich auch zwei Shirts in scharlachrot und ein paar fingerlose Lederhandschuhe und Lederarmbänder für die Oberarme. So weit so gut. In Gingers Erker wagte er nicht etwas anzufassen. Nicht, bevor er sich nicht genauer eingeprägt hatte, welche Dinge wo hingehörten. Er schaute sich also nur genauer um. Es hingen Fotos an den Wänden, jedoch keine Familienfotos, Freunde oder Ähnliches. Eher Momentaufnahmen vom Londoner Straßen- und Nachtleben. Es gab einen kleinen Bücherstapel, der aussah wie vom Flohmarkt und einen warmen Pullover, der neben dem Fenster an einem Haken hing. In einem kleinen Nachtschrank, der das Einzige war, was Luke aus Neugier doch öffnete, lagen ein paar Kondome und eine Tube mit Gel. Es hätte ihn auch gewundert, wenn das nicht so gewesen wäre. Es gab keine Hinweise auf irgendwelche speziellen Vorlieben wie Dildos oder Handschellen und wieder kam sich Luke schäbig vor, obwohl er hier gerade seinen Job tat. Unten in der Wohnzimmerecke gab es ein Sideboard mit Fernseher und Musikanlage, in dem Luke ein paar DVDs und CDs entdeckte. Die kleine Sammlung enthielt ein paar eindeutige Hinweise auf Gingers Homosexualität - Wer hätte nicht „Maurice", „Mein wunderbarer Waschsalon" oder Frankie Goes to Hollywood? – sonst waren da ein paar Klassiker und aktuellere Filme und natürlich hörte Ginger U2. Bei all dem war Luke nun fast ein wenig enttäuscht, weil er so nicht mehr über Ginger herausfand. Da war nichts, was als ein Hinweis auf seine Herkunft oder Vergangenheit getaugt hätte. Er gab fürs erste auf und machte in der Küche ein paar Spaghetti Carbonara. Bald darauf hörte er Gingers Tritte auf der Feuerleiter draußen und gleich danach die Tür.
„Luke, bist du schon da?", rief er in den Loft.
„Hier, ich mach was zu essen."
„Hi."
„Hi."
„Wusste nicht, dass du so sowas kannst." Ginger war jetzt bei Luke, schaute ihm über die Schulter und sah, was der Blonde da in der Pfanne zusammenrührte.
„Ich dachte, ich mach was für dich und mich, wo ich schon einkaufen war."
„Das sieht ungefähr hundertmal besser aus als das, was ich hinkriege."
„Was wäre das denn?"
„Im Ernst? Bratkartoffeln. Nordirische Variante."
„Was macht die Variante nordirisch?"
„Mit Stückchen von Engländern drin." Ginger verdrehte scherzhaft die Augen.
„Ja, klar", kommentierte Luke und grinste halbherzig. Irgendwie wäre das witziger gewesen, wenn er nicht hier wäre, warum er hier war. Gleichzeitig schien Ginger den Spaß an seinem eigenen dummen Witz verloren zu haben.
„Fuck, tut mir leid. Das war blöd. Das ist vielleicht in Belfast zum Lachen, aber hier...", suchte Ginger verlegen nach Worten. „Ich muss ständig an diese Scheiße denken."
Luke blinzelte. Ihm war natürlich klar, was der Rothaarige meinte. Vielleicht gab es ja etwas, was er erzählen wollte und beschloss der junge Sergeant vorsichtig nachzuhaken. „Hast du einen von den Jungs gekannt?", fragte er und fürchtete, damit quasi durch die Tür ins Haus zu fallen, aber Ginger schien sich an der direkten Frage nicht zu stören. Er schüttelte den Kopf. „Nein, jedenfalls nicht mit Namen oder so. Der Letzte, den sie noch lebend gefunden haben, an den kann ich mich erinnern, weil er dann in der Zeitung war. Sehr hübsch, hat viel gelacht. Wenn von den anderen dreien auch einer hier war, dann weiß ich's nicht. Aber ich glaube, die Polizei geht davon aus, dass der Typ sich seine Opfer hier sucht. Die Bullen war'n 'n paar Mal hier und haben alle vernommen."
Luke nickte. „Ist echt heftig. Haben die euch gesagt, dass ihr aufpassen sollt?"
„Pfff, nein", prustete Ginger, „das mussten die gar nicht. Meinst du Sean oder Oscar oder irgendwer hier würde nicht alles tun, um sowas zu verhindern? Kannst du dir vorstellen, was die Jungs durchgemacht haben? Ich mag mir gar nicht reintun, was der alles mit denen gemacht hat. Und dann dieses Scheißzeug, das er ihnen gibt. Die kriegen mit, was er tut und sie fühlen die Schmerzen, aber sie können sich nicht bewegen oder schreien. Fucking hell, was für ein Vieh macht sowas?"
Luke war von Gingers Worten tief bewegt. Die Fakten waren nicht neu, aber wie er es sagte, machte es das Grauen nur allzu deutlich. „Das kann nur ein völlig Durchgeknallter sein...", überlegte er laut.
„Kannst du dir das Grauen vorstellen? Der Erste hat vielleicht Hoffnung, das irgendwie zu überstehen, vielleicht auch der Zweite, aber die danach haben aus der Zeitung gewusst, wer sie da quält und dass sie keine Chance haben..." Ginger brach hier ab und Luke konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der junge Ire womöglich wusste, wovon er sprach.
„Du meinst", formulierte er dann seinen nächsten Gedanken, „dass sich das alles noch ... irgendwie ...gesteigert hat?" So hatte Luke es noch nicht gesehen und er würde ganz sicher die Typen vom Yard davon in Kenntnis setzen.
"Ja. Ganz sicher kriegt der Typ davon einen Kick.
„Aber dann ist ja die Tatsache, dass Jamie überlebt hat etwas, das wieder Hoffnung gibt, findest du nicht?" Er war nicht ganz sicher, warum er das sagte, aber der Blonde wollte nicht, dass sich Ginger ein wenig besser fühlte. Vielleicht half das. Ginger schaute etwas kritisch Luke an und versuchte wohl abzuschätzen, ob es ihm ernst war und ob er das glauben könnte. Aber konnte er wohl nicht.
„Wenn das eins bedeutet", brachte Ginger mit erstickter Stimme hervor, „dann, dass er nicht gründlich genug war, beim letzten Mal. Er... wird noch brutaler werden."
Luke zog den Atem zischend ein. Es war zu befürchten, dass es so wäre. „Fuck!"
„Ja, fuck. Pass bloß auf nachher. Vor allem auf dich, hörst du?! Was tust du überhaupt an diesem Ort, kannst du nirgends anders hin?"
Luke würde nicht schon wieder lügen. „Glaub mir, ich muss jetzt genau hier sein. " Damit sah er Ginger fest in die Augen.
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Rainbow Warrior
Mystery / ThrillerLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...