Bis zum Nachmittag hatte Luke so etwas wie einen perfekten Plan. Er und Gabriel halfen natürlich bei den Vorbereitungen für den Tee mit Sean und Oscar und sobald sich eine günstige Gelegenheit ergab, würde Luke mit einem oder beiden der Männer reden. Er wollte gern ihre Meinung hören, weil sie seinen Liebsten länger kannten und ihm sicher Hinweise oder Rat geben konnten, wenn es darum ging, zu heiraten oder mit einer schwierigen Familiensituation umzugehen. Er wusste, sein eigentlicher Ansprechpartner wäre der Tänzer selbst, aber er wollte ihn nicht versehentlich aufregen oder verärgern. Dafür war er noch zu angeschlagen. Sowieso hatte der junge Sergeant nicht vor, irgendetwas zu überstürzen, es ging ihm darum, vorzubereiten und abzuchecken. Nach allem, was Gabriel erzählt hatte und so, wie er auf das Thema Familie reagierte, war nur allzu deutlich, dass Luke nicht einfach einen Trip nach Belfast mit ihm machen könnte, wenn der Engel es nicht selbst auch riskieren wollte. Nach dem Telefonanruf in der Nacht, als sie Andy gefunden hatten, in dem Gabriels Mum ihn verleugnet hatte, wäre eine Abfuhr an der Tür, ein zweiter Rauswurf, ein neuer Streit sicherlich das Letzte, was passieren durfte.
Pünktlich gegen 4.30 Uhr verriet ein Sturmklingeln an der Haustür, dass Sean und Oscar angekommen waren. Luke öffnete ihnen und staunte nicht schlecht. Beide hatten sich ganz eindeutig für den Nachmittagstee herausgeputzt. Vielleicht war das auch Seans Werk allein. In jedem Fall passte sein kanariengelber Anzug im Farbton exakt zur Haustür in Kensington und Oscar wirkte noch etwas düsterer, was daran lag, dass sein Haar frisch schwarz gefärbt war. Gemeinsam strahlten sie sich und Luke an.
„Kommt rein, ihr zwei, schön, dass ihr da seid", begrüßte er sie.
„Luke-Babe, du hast ja schon wieder eine gesunde Farbe! Komm, lass dich drücken", platzte Sean gleich los und Luke ließ ihm einfach freien Lauf. Auf die erste Umarmung folgte die zweite von Oscar.
„Schön habt ihr es hier draußen", stellte der sogleich fest.
„Danke, da wird sich mein Dad freuen, wenn er das hört. Er hat viel am Haus und im Garten selbst gebaut oder gestaltet."
„Ist nicht wahr? Nicht schlecht, für 'n Bullen", fand Oscar und kassierte einen Ellenbogenstupser von seinem Mann.
„Jetzt sag doch nicht sowas." Sean rollte mit den Augen. „Lukes Dad ist ein Inspektor oder so ähnlich jedenfalls."
„Das stimmt", lachte der Blonde. „Kommt einfach mit, wir sind im Wohnzimmer."
Er ging jetzt vorweg, als ihnen sein Dad auch schon entgegen kam, um die Gäste zu begrüßen.
„Wie schön, jetzt wird's hier mal voll!" Roger umarmte die beiden Männer zur Begrüßung.
„Na, wenn du glaubst, das ist voll", scherzte Sean, „dann solltest du mal samstags in den Club kommen."
„Ist das etwa eine Einladung?", gab Lukes Vater mit einem Augenzwinkern zurück.
„Wenn es von Sean kommt", so Oscar, „dann ist es mindestens das."
„Da werde ich Kit gleich fragen, ob ich Ausgang kriege." Mit diesen Worten verschwand Roger, um seine Frau zu holen, die in der Küche eifrig die Scones zubereitete.
Luke konnte nicht anders und musste lachen. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sich seine Eltern und das Paar aus dem Elysium so gut verstanden, aber ganz offenkundig hatte die Zeit im Krankenhaus sie zusammengeschweißt. Und als wäre die ganze Aufregung noch nicht genug, stürmte Sean jetzt auf Gabriel los, der auf dem Sofa gesessen hatte und nun aufstand, um seine Ersatzväter zu begrüßen.
„Ginger-Babe, wie geht's dir, Engel?"
Gabriel ließ sich drücken und übers Haar wuscheln. „Viel besser", gab er knapp zurück und lächelte. Luke wusste, dass das etwas geschönt war und ein kurzer Blick auf Oscar verriet, dass der das auch bemerkte, aber Sean machte die gute Nachricht natürlich froh und wenn Gabriel es so wollte, dann würde Luke nicht widersprechen.
Oscar wartete bis Sean von seinem Ginger-Babe abließ, dann nahm er ihn gleichsam herzlich in den Arm und musterte ihn von oben bis unten. „Mir gefällst du auch schon viel besser", sagte er. „Dir bekommt die gute Luft hier."
„Alles hier bekommt mir", gab Gabriel zurück. „Am meisten Luke."
"Das ist schön. Das werde ich den anderen so sagen. Sie erkundigen sich jeden Abend nach euch", gab Oscar zurück.
"Die Jungs im Club?" Gabriel klang etwas überrascht.
"Ja sicher", setzte Sean hinzu. "Sie löchern uns jeden Tag, wann ihr zurück kommt. Bob und Tim vor allem. Sie haben über euch und diesen grässlichen Mörder in der Zeitung gelesen und uns beide ständig nach euch ausgefragt."
„Was gibt's denn da zu fragen?" Der Engel war nicht nur überrascht, er schien auch auf einen Schlag genervt. „Dieser Blake oder Elijah war 'n kranker Arsch, jetzt ist er tot. Wir sind's nicht."
Sean schaute hilfesuchend zu Oscar, denn mit so einer ruppigen Reaktion hatte er nicht gerechnet und konnte sich auch keinen Reim darauf machen. „Sowas haben die nicht gefragt", begann er.
Oscar kam ihm tatsächlich zu Hilfe. „Alles cool, Kleiner. Ihr habt das Richtige getan, das ist keine Frage. Die Jungs wollten wissen, ob es euch besser geht und seit wann ihr überhaupt zusammen seid. So was. Und woher du wusstest, dass Luke 'n Bulle ist."
„Stimmt", fügte Sean hinzu. „Und wann du wieder tanzen kannst."
„Bald", antwortete der Rothaarige und warf Luke einen Blick zu, den keiner der anderen deuten könnte, der für den Blonden aber klar signalisierte, dass Gabriel auf seinen Beistand zählte.
„Bestimmt kann er bald trainieren", flunkerte Luke. Warum war es seinem Süßen nur so wichtig, dass er seinen Gesundheitszustand schönredete? Er nahm sich fest vor, später mit ihm darüber zu reden. Es gab ganz sicher einen Grund, so gut kannte Luke den Engel inzwischen. Nun jedoch lächelte er, um Gabriels Aussage zu bekräftigen. In dem Moment kamen seine Eltern mit den Scones aus der Küche und alle setzten sich an den Tisch, den die beiden jungen Männer zuvor gedeckt hatten und auf dem eine Vase mit roten und violetten Gladiolen stand. Es roch fantastisch nach frischem Gebäck, Tee und Blumen und Luke brauchte einen Augenblick, um zu realisieren, dass das echt war. Er war nicht in dem Haus, wo Blake seine Eltern und all die anderen Opfer ermordet hatte. Es roch nicht nach schimmeliger Tapete und Blut. Er schaute zu Gabriel, dann strahlte er.
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Rainbow Warrior
Детектив / ТриллерLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...