Da stimmte irgendetwas ganz und gar nicht, das erkannte Luke sofort in dem Augenblick, als der Rothaarige an der Bar auftauchte. Er sah, wie der Tänzer mit Oscar redete, der nur immer wieder den Kopf schüttelte und offenbar nicht zuließ, dass Ginger heute Abend an die Bar ging. Als sich Ginger nicht so leicht zurückweisen ließ, kam der Ältere hinter der Bar hervor, packte ihn am Arm und machte Anstalten, ihn fortzuziehen. Ginger riss sich gestikulierend los, ließ sich aber wohl oder übel in den Pausenraum führen. Luke beeilte sich mit seinem Tablett, um zu erfahren, was denn los sei. Er stellte das Teil einfach auf die Bar und kam in den kleinen Raum. Oscar hatte Ginger auf einen Stuhl bugsiert und redete auf ihn ein.
„Das erwartet niemand, dass du heute arbeitest. Sean am allerwenigsten und ich auch nicht, Süßer. Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen", hörte Luke Oscar sagen.
Das stimmte, Luke sah es auch sofort. „Was ist denn los?", fragte er.
„Nichts ist los", gab Ginger bockig zurück.
„Erzähl doch keinen Unsinn, mein Junge." Oscar schaute zu Luke, damit der ihm zu Hilfe kam.
„Oscar hat Recht, du siehst völlig fertig aus." Luke kam näher. „Und, du blutest." Er deutete auf dessen Stirn.
Ginger rollte genervt mit den Augen. „Ich habe mir den Kopf gestoßen in diesem scheiß Taxi!"
„Ist das wirklich alles?", hakte Oscar nach und hielt ihm eine Serviette hin.
Ginger tupfte das Blut von der Stirn. „Wenn ich's doch sage!"
„Wie ist es mit Baker gelaufen?", fragte Luke. Er konnte wohl davon ausgehen, dass Gingers Zustand in Zusammenhang mit Andy und Mr. Baker stand, also hielt er die Frage für eine gute Taktik, um herauszukriegen, was wirklich mit seinem Freund los war. Tatsächlich beruhigte sich der Feuerkopf ein wenig.
„Ich bin mit ihm nachhause. Im Taxi hat er nur geweint und als wir bei ihm angekommen sind, da hat die Schwester von seiner Frau aufgemacht. Die beiden waren schon so weit, dass sie die Polizei rufen wollten, weil sie so in Sorge waren. Ich hab dann kurz erzählt, was los war und dann hab ich gesagt, die sollen einen Arzt rufen, der ihnen was zur Beruhigung gibt. Den Bakers, meine ich. Dann bin ich geblieben, bis der Arzt kam. Die Schwester wollte von mir wissen, ob ich Andys Freund bin und ich hab nein gesagt. Mir ist nicht eingefallen, was man sonst sagen kann..."
„Schon gut. Das haben die bestimmt nicht erwartet", fand Oscar und legte Ginger tröstend eine Hand auf die Schulter.
„Tut mir leid, dass du das machen musstest, aber wenn wir da einen vom Yard geholt hätten, das wäre zu riskant gewesen. Der Mörder könnte Verdacht schöpfen. Und ich finde, du hast das gut gemacht", ergänzte Luke. Da war noch mehr, was Ginger quälte, das war klar zu sehen, aber jetzt wäre es erstmal genug. Oscar wirkte nun deutlich erleichtert, weil sich sein Junge etwas gefasst hatte, er schaute allerdings so, als müsste Luke noch etwas mehr einfallen, was es dann auch tat. Er schaute ihm beschwörend in seine grünen Augen. „Hör mal, Engel, das hier ist extrem wichtig für mich. Ich will, ich muss diesen Serienkiller fassen. Und heute Abend muss ich wissen, dass du in Sicherheit bist. Okay? Bitte tu was Oscar sagt. Geh nach oben, es geht dir nicht gut. Ich komme, sobald ich kann."
Ginger sagte erst nichts, er blinzelte nur, doch dann nickte er und erhob sich. Für einen Moment sah es so aus, als würde er schwanken. Ganz sicher sollte er in diesem Zustand weder arbeiten noch tanzen. Sogleich hatte er sich jedoch gefangen und sah erst zu Oscar, dann zu Luke. „Ich warte oben. Pass auf dich auf", sagte er dann leise, aber Luke verstand es umso deutlicher. Natürlich würde er aufpassen und er wäre bei ihm, gleich nachdem sein Job erledigt war.
Luke tat den Rest des Abends, was er tun musste. Beobachten, Drinks servieren, Gläser einsammeln, beobachten... Ein paar Stammgäste waren deutlich enttäuscht, weil die Attraktion um Mitternacht ausfiel, aber das war zu erwarten. Zweimal ließ Luke sich auf einen Tanz ein, jedoch waren das zwei Typen, die auf unmissverständliche, aber dennoch nette Art versuchten, einen heißen Kellner aus dem Elysium abzuschleppen. Nach dem Tanzen erklärte Luke freundlich mehr sei nicht drin und das sahen erst Liam und dann auch Freddy mit Bedauern ein. Schließlich, erst so gegen vier Uhr morgens, war dann endlich alles getan und Luke schloss gemeinsam mit Oscar den Club. Wie gewohnt, nahm auch Oscar den Weg durch das Loft und die Treppe hinunter, bevor er müde mit einem Taxi nachhause fuhr. Er musste Luke beim Abschied gar nicht das Versprechen abnehmen, nochmal nach Ginger zu schauen, das war klar, dass Luke dies tun würde. Er stieg leise die Stufen zur Empore hinauf, wo er ebenfalls nahezu lautlos zu Gingers Erker kam. Doch wenn er gehofft hatte, dass der tief und fest schlief, dann wäre das zu schön gewesen, um wahr zu sein. Im Schein einer simplen Kerze hockte der Rothaarige auf seinem Bett mit dem Rücken zur Wand und starrte in die kleine Flamme. „Du schläfst nicht?", fragte der Blonde nur leise, als er den kleinen Raum betrat und sich vorsichtig zu ihm setzte. Ginger schaute zu ihm, da sah Luke, dass da immer noch etwas dunkles, getrocknetes Blut an seiner Stirn war. „Hab's versucht." Seine Stimme klang seltsam tonlos, was Luke mit Traurigkeit erfüllte. Er suchte nach Worten, nach Gesten, dann legte er ihm einen Arm um die Schultern und lehnte seinen Kopf an den von Ginger. Nur vorsichtig. Er konnte sehen, dass der Engel geweint hatte, sehr sogar, denn die Spuren der Tränen glitzerten im Kerzenschein. „Du hast zu viel gesehen und gehört für einen Tag, Babe", flüsterte Luke leise.
„Woher willst du wissen, was zu viel für mich ist?"
„Das muss ich nicht wissen, das sehe ich."
„Und wenn schon, was kümmert es dich? Wenn das hier vorbei ist, gehst du zurück zu diesem...deinem Blake."
„Blake, Blake. Seit Tagen denke ich, ich kenne ihn gar nicht", seufzte Luke.
Ginger schwieg und schaute nur fragend.
„Dich kenne ich", fuhr der Blonde sanft fort, „und du hast Unrecht gehabt, als du gesagt hast, du wärst nicht gut genug." Ginger holte schwer und tief Luft, als erwarte er noch mehr zu hören. Luke wollte sich einfach nichts mehr vormachen und ihm schon gar nicht. „Das haben dir andere eingeredet oder beigebracht, aber das ist nicht wahr. Du bist der liebenswerteste Typ, schon weil du Liebe geben kannst."
„Ich weiß gar nicht, was das ist. Ich..." Ginger hielt inne, er wirkte so verloren.
„Doch, das weißt du, auch wenn du sie nicht kennst, weißt du, was sie ist", bekräftigte Luke, nahm ihn richtig in den Arm und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Schlaf jetzt. Ich bin hier und geh nirgendwo hin." Als Luke sich das so sagen hörte, kam es ihm überhaupt nicht albern vor. Im Gegenteil. Er meinte das wirklich so. Alles davon. Er hatte von Anfang an das Gefühl, das er und der junge Mann in seinen Armen zusammengehörten. Und jetzt, wo er das zugeben konnte, würde er nicht wieder zurückgehen. Er und Ginger schmiegten sich nun aneinander und es dauerte nicht lange, dann war der Tänzer fest eingeschlafen. Sicherlich zuallererst aus Erschöpfung, aber wohl auch wegen Lukes Worten. Er selbst blieb noch eine kleine Weile wach und sah zu, wie das erste Morgengrauen über den Dächern der Stadt aufdämmerte. Egal, was dieser neue Tag bringen würde, es würde ein neuer Anfang.
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Rainbow Warrior
Misterio / SuspensoLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...