Alles was Gabriel erzählte, machte für Luke einen Sinn und er hörte gebannt zu, bis zu dem Punkt, wo der Tänzer abgebrochen hatte. Nun überkam ihn mit einem Mal ein heftige Übelkeit, sodass er sich viel zu schnell und plötzlich erhob. Im selben Moment durchfuhr ihn wieder dieser stechende Schmerz im Unterleib, der ihn schon zuvor überfallen hatte. Er ächzte laut auf und musste sich an dem Bett abstützen. Oscar, der direkt daneben saß, sprang auf, um Luke Halt zu geben. Er packte ihn um die Mitte.
„Hey, ho, langsam mit den jungen Pferden!"
„Shit!"
„Langsam, ich helfe dir..."
Der junge Mann ließ es nun einfach geschehen, dass Oscar sich seinen Arm über die Schulter packte und ihn, mit dem anderen um die Taille gelegt, zum Bad führte. Ohne seine Hilfe hätte er es wohl kaum rechtzeitig geschafft, denn gerade waren sie durch die Tür, da ging er schon vor der Toilette in die Knie, um sich hinein zu übergeben.
Gabriel schaute in höchstem Maße alarmiert. Was er da gerade ausgelöst hatte, war sicher nicht seine Absicht gewesen. Er atmete schwer und wäre wohl in Tränen ausgebrochen, wenn Sean nicht da gewesen wäre. Der rückte jetzt dicht zu ihm, nahm seine Hand und strich ihm mit der anderen Hand beruhigend über sein Haar.
„Ganz ruhig, Babe, das wird alles wieder gut, schscht."
Der junge Ire war da nicht so sicher. „Wie soll das wieder gut werden? Sein Freund hat diesen Jungs das alles angetan und dann hat er ihn auch brutal vergewaltigt und wollte uns beide umbringen ... wie kann das wieder gut werden?" Gabriels Blick suchte den von Sean. Vielleicht wüsste der Ältere irgendeinen Rat, denn ganz sicher hatte er schon viel erlebt und gehört. Überraschenderweise schienen Seans Augen ein wenig zu lächeln und gerade als sich der Jüngere fragte, wie das sein konnte, kam die Antwort.
„Ach, Engel, das weißt du doch am besten."
Seine Stimme klang sanft und weniger überdreht als sonst. Er wusste, was er da sagte, denn sein Engel hatte genau das Gleiche erlebt und überlebt. Und Gabriel verstand, was er meinte. Er war nicht mehr der völlig verängstigte Ausreißer, der er vor fünf Jahren war. Seine Wunden waren verheilt. Die körperlichen schon lange und seine Gefühle für Luke waren wohl der Beweis dafür, dass auch seine Seele endlich heilte. Aber jetzt hatte er einen anderen Menschen umgebracht und der war Lukes Freund gewesen. Wie durfte er da hoffen, dass sie zusammen sein könnten? Aber er konnte doch nicht zusehen, wie Blake Luke etwas antat oder sich nicht wehren...
„Der wollte mir die Haut abziehen, ... da wo die Flügel sind ..."
„Luke weiß das, er versteht das. Er wird nirgendwo hingehen, ohne dich und du wirst ihm helfen, darüber hinweg zu kommen." Kaum war das gesagt, da schloss Sean den letzten Rest Abstand zwischen ihnen und zog den Jüngeren fest in seine Arme. „Alles was zählt ist, dass er das nicht tun konnte und er wird sowas auch nie wieder tun, schscht ..."
Gabriel konzentrierte sich nun auf das Gefühl, von dem Älteren im Arm gehalten zu werden, dessen vertraute Stimme und seinen eigenen Atem, der sich langsam beruhigte. Warum war er bloß so schwach und nicht in der Lage, sich besser zu kontrollieren? Er müsste das doch gelernt haben, schon vor Jahren? Und dann passierte genau das, was er stets zu vermeiden suchte: Er brach in Tränen aus. Richtig. Stark. Bitterlich.
Nach einer kleinen Weile wurde es besser und als Sean sicher war, dass das Schlimmste überstanden war, half er dem jungen Mann in ein frisches Krankenhemd. Er war wirklich noch sehr schwach und die zahlreichen rot-schwarzen Blutergüsse und tiefen Fesselungsmale, die der Ältere dabei zu sehen bekam, schnürten ihm regelrecht die Kehle zu.
Inzwischen kam auch Oscar mit Luke zurück, der immer noch weiß wie der Flur des Krankenhauses selbst aussah, aber weiß war immerhin eine bessere Farbe als grün. Auch der junge Sergeant trug ein frisches Hemd. Es würde nicht mehr lange dauern, bis jemand vom Yard käme und wenigstens würde er dann ordentlich aussehen, auch wenn er sich völlig durch den Häcksler gedreht fühlte.
„Geht's wieder Babe?", fragte Sean.
Gabriel schaute nur, versuchte aber tapfer ein Lächeln.
Luke nickte und ließ sich von Oscar in das freie Krankenbett helfen. Er war noch immer vollkommen unkoordiniert, was kein Wunder war.
„Ihr zwei solltet etwas schlafen, bis die Typen vom Yard hier auftauchen. Und wenn es nur zwanzig Minuten sind", ordnete der Ex-Bouncer an, „Sean und ich, wir passen hier auf und wecken euch, wenn es so weit ist."
Sean sah seinen Mann dankbar für die klaren Worte an, doch in dem Moment hörten sie bereits ein Klopfen an der Tür, was nur bedeuten konnte, dass Superintendant Waterford oder jemand aus seinem Team hier war, um mehr von den beiden entführten Männern zu erfahren und ihnen mit etwas Glück auch schon mehr Informationen über die Zusammenhänge um Blakes Taten und seinen Geisteszustand zu geben.
„Soll ich denen sagen, ihr seid noch nicht so weit?", bot Oscar an. „Die können morgen wiederkommen." Er schaute zu Luke, um ihm die Entscheidung zu überlassen. Für einen Moment sah es so aus, als wolle der Blonde dem Angebot zustimmen, aber dann entschied er anders.
„Lass sie rein, Oscar. Ich will vor allem wissen, was die über Blake herausgefunden haben. Wir schaffen das schon."
Sean warf seinem Mann einen Blick zu, der eher sagte, dass er nichts davon hielt, wenn man seine Babes jetzt verhörte oder ihnen irgendwelche schlimmen Nachrichten brachte, aber Oscar zuckte mit den Schultern und ging, um die Tür zu öffnen. Wenn Luke das Okay gab, war es okay. Draußen standen tatsächlich Waterford und noch ein weiterer Sergeant vom Yard, einer von den Männern, die auch abends im Elysium ermittelt hatten, nur fiel dem Blonden der Name nicht ein. Offenbar hatte er doch ordentlich was abgekriegt, sonst wüsste er den. Aber deswegen würde er keinen Rückzieher machen.
Die beiden Kriminalermittler kamen jetzt hinein und grüßten mit einem minimalistischen Nicken in die Runde.
„Tja, da wären wir", kam es von Lukes Vorgesetztem, was mit anderen Worten hieß, dass Sean und Oscar jetzt gehen sollten, damit die beiden ihre Arbeit machen konnten.
Mit einem vielsagenden Blick erhob sich nun Sean, sodass beide Stühle im Raum für den Yard zur Verfügung standen. „Dass mir keine Klagen kommen", sagte er noch, ganz offenkundig an die Polizisten gewandt, dann schloss er sich Oscar an und sie gingen hinaus.
„Wie geht es Ihnen, Sergeant Sherman? Hoffentlich muten Sie sich nicht zu viel zu. Ich möchte ungern den Zorn von Sean Calahan auf mich ziehen", begann Waterford, während er und der andere Mann sich die Stühle zurecht schoben, sodass sie Luke und Gabriel gegenüber saßen.
„Danke Superintendant, es wird gehen. Ich möchte das hinter mich bringen." Das war fast die Wahrheit, denn das wollte Luke natürlich. Ob es ihm dafür gut genug ging, da war er nicht sicher. „Darf ich Ihnen meinen Freund vorstellen, Gabriel O'Reilly."
„Gabriel? O'Reilly", entfuhr es dem Mann direkt. Er nickte dem Rothaarigen noch einmal zu.
„Das ist mein Name", sagte der nur und wusste nicht recht, was Waterford damit eigentlich sagen wollte.
„In unseren Akten stehen Sie nur al G. O'Reilly", erklärte der sogleich. „Da kann man mal sehen, wie schlampig die Abteilung da gearbeitet hat. Sie waren in ziemlich akuter Gefahr, würde ich sagen."
„Nicht mehr als andere. Sie haben einen Luke in den Club geschickt", konterte Gabriel.
„Ja, aber er sollte sowieso den Lockvogel spielen. Wie sich herausgestellt hat, war das dann ja ohnehin völlig umsonst. Wer konnte das ahnen?" Der Superintendant blickte zu Luke, der sich nun bereit machte, für alles, was es da noch zu sagen gäbe.
„Was haben Sie über meinen Ex-Freund in Erfahrung bringen können?", wollte er wissen.
„Tja, mein Junge. Leider nichts Gutes."
„Sagen Sie einfach, was sie wissen. Ich muss es erfahren."
„Also schön..."
DU LIEST GERADE
Rainbow Warrior
Mystery / ThrillerLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...