Bei Shermans Teil45

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Der Cream Tea mit den Eltern hielt, was Roger versprochen hatte. Gabriel kam es wirklich so vor, als wenn es die besten Scones von ganz London waren, von denen er gerade mindestens einen zu viel verputzt hatte. Überraschenderweise schien das aber für Lukes Mum überhaupt kein Problem, sondern eher ein Kompliment zu sein. Einmal abgesehen davon, dass es wohl bei diesem Tee darum ging, die beiden jungen Männer zu mästen, entwickelte sich auch ein Gespräch über Neuigkeiten, die sich während des Krankenhausaufenthalts ergeben hatten. Da war zu allererst Lukes Beförderung. Die entsprechende Nachricht hatte er am Tag zuvor bekommen und seinen Eltern noch nicht davon erzählt.

„Das ist doch fantastisch, Junge!", fand sein Vater. „Damit bist du einer der jüngsten Inspektoren, wenn nicht sogar der jüngste, den die da beim Yard haben."

Luke schaute weniger begeistert. „Na, weißt du Dad, für mich fühlt sich das anders an. Ist ja nicht so, als hätte ich Siwells gefunden und gestellt. Eher so, als würden die mich dafür belohnen, dass Gabriel und ich das alles irgendwie überlebt haben. Wir hatten nur Glück."

„Das zu überleben und wie du Gabriel und dich aus diesem Haus gerettet hast, das ist eine enorme Leistung", widersprach Roger mit Nachdruck. „Ich war lange genug beim Yard, um zu wissen, dass da auch Einiges dazu gehört, um in so einer ... Situation einen klaren Kopf zu bewahren und das Richtige zu tun. Du warst sehr tapfer. Und er auch." Er schaute zu Gabriel, der bisher noch nichts dazu gesagt hatte.

„Das stimmt, was dein Dad sagt", bestätigte der Rothaarige. „Du hast uns da raus gebracht. Es fühlt sich nur so mies an, weil es Blake war und weil der ... das alles gemacht hat."

Auch Kit hatte noch etwas hinzuzufügen. „Du weißt gar nicht, Schatz, wie dankbar dir die Familien von den anderen jungen Männern sind. Was da Schreckliches passiert ist, wird nicht wieder gut, aber es hat aufgehört und Siwells ist nicht ungestraft davon gekommen. Ich habe darüber in der Zeitung gelesen. Da waren so viele Artikel, die habe ich alle ausgeschnitten, damit du sie später lesen kannst."

Roger fiel jetzt direkt etwas ein und er stand auf, mit den Worten, dass er etwas holen müsse. Gleich darauf war er wieder da und hielt Luke einen Brief hin, den der sogleich öffnete.

„Vom Yard", erklärte Roger kurz den anderen.

„Was steht drin?", fragte Luke Mum neugierig.

Luke las. „Da steht, dass ich bis zu meiner vollständigen Genesung bei vollem Gehalt von allen Dienstpflichten entbunden bin und sie bieten mir drei kostenlose Termine mit einem Polizeipsychologen an. Wow, ganze drei."

„Da solltest du hingehen!", fand Kit.

„Mum, wenn ich wirklich so empfindlich wäre, wie die denken, dann bringen drei Termine gar nichts."

„Du hast mit diesem Mörder zusammen gelebt und du hast ihn tödlich verletzt", gab sie zurück, „da darfst du ruhig etwas empfindlich sein."

„Deine Mum hat Recht, Junge."

Luke sah ein, dass er fürs Erste nachgeben sollte. Sie würden gar nicht mitkriegen, wenn er da nicht hinginge. „Na schön, ich überleg es mir."

Zu all dem hatte Gabriel gar nichts gesagt, was so viel hieß wie: Er hatte garantiert eine Meinung und die gehörte wohl nicht an den Wohnzimmertisch der Shermans. Der Blonde fragte sich, was es wohl sein könnte, während seine Mum inzwischen das Thema wechselte. Sie bestellte nun Grüße aus der Nachbarschaft von Leuten, die Luke ganz sicher seit Jahren nicht gesehen hatte und wo er nicht mal sicher war, wer die waren. Er lächelte dankbar ...

Nach dem Tee zeigte Luke Gabriel das Haus. Unten gab es außer Wohnzimmer und Küche für die beiden ein eigenes Bad mit Badewanne, was wirklich enorm hilfreich sein würde. Oben waren die Zimmer der Eltern, Schlafzimmer und Bad, Lukes altes Zimmer, in dem Kit inzwischen eine Art Hobbyraum hatte und zuletzt gab es noch einen Dachboden. Gabriel ließ sich alles zeigen und ihm kam der seltsame Gedanke, dass die drei Shermans hier immer mehr Platz gehabt hatten, als seine Familie mit elf Kindern je hatte. Als kleiner Junge hatte er nicht mal ein eigenes Bett gehabt und irgendwann hatten seine Eltern ihn aus dem Kinderzimmer in das Jungenzimmer gesteckt. So gesehen kam er aus einer anderen Welt und ganz offenbar aus einer, in der es genug Sorgen und Ängste bei seinen irisch-katholischen Eltern gab, sodass ein homosexueller Sohn ein absolutes No-Go darstellte. Ihn schwindelte bei dem Gedanken, sodass Luke, dem das natürlich nicht entging, vorschlug, er sollte sich ausruhen.

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt