Hohlköpfe Teil46

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Das Abendessen mit Roger und Kit verlief zunächst ebenso ungezwungen und herzlich, wie der Nachmittagstee zuvor. Lukes Vater stellte scherzhaft fest, dass es nicht nötig gewesen wäre, dass sich die Jungs umziehen und Gabriel und Luke freuten sich wirklich sehr über die hausgemachten Fish& Chips mit Mash, von denen Kit wusste, dass ihr Sohn die jederzeit einem klassischen Braten- Dinner vorziehen würde. Irgendwann jedoch, ohne dass Luke sich erklären konnte, wie es geschah oder aufhalten konnte, dass es geschah, begann seine Mum Fragen zu stellen.

„Wir sind ja so froh, dass unser Sohn bei dir nicht so ein Geheimnis daraus macht, dass ihr zusammen seid", begann Kit wie beiläufig beim Nachtisch und lächelte Gabriel an.

Der war etwas überrascht, lächelte jedoch ebenfalls. „Ja, ich bin auch froh."

Luke fand, er sollte dazu auch etwas sagen, denn so, wie Kit es darstellte, war es ja genau genommen nicht gewesen. „Weißt du, Mum, wenn's nach mir gegangen wäre, dann hätte ich euch meinen ...", er suchte nach Worten, was ihm nicht leicht fiel, „ ... letzten Freund auch vorgestellt. Aber er wollte das nicht, weil ... naja, inzwischen wisst ihr ja warum. Mir hat er gesagt, er will sich erst bei seinen Leuten outen."

„Deine Mutter meint, vielleicht hätten wir etwas gemerkt, von dem ... na, dass mit ihm was nicht stimmte", fügte sein Dad hinzu.

„Glaubt ihr, dass da was zu merken war, wenn sogar ich nichts gemerkt habe?" Das war für Luke einfach undenkbar. „Herrje, wir waren ein Paar, wir hatten ... wir waren intim miteinander. Wenn es an irgendeinem Punkt einen Hinweis gegeben hätte, dann wäre ich dem nachgegangen."

„Hast du denn nie wissen wollen, woher er kam oder wer seine Familie war?" fuhr seine Mum fort. „Das ist doch normal, dass man sich das auch erzählt." Sie schaute nun direkt zu Gabriel, der sich jetzt etwas unbehaglich auf seinem Stuhl aufrichtete. Worauf wollte sie hinaus?

„Luke weiß, woher ich komme", sagte er schlicht und mit einem Unterton in der Stimme, der so viel sagte wie: Das Thema ist dann wohl erledigt.

Der junge Sergeant realisierte sofort, dass er ihm besser zu Hilfe kommen sollte. „Das stimmt. Gabriel kommt aus Belfast." Auch seine Stimme klang endgültig.

Leider hatte Kit das nicht verstanden oder sie nahm es nicht so ernst. Was sollte schon dabei sein, wenn der hübsche junge Mann, mit dem ihr Sohn zusammen war, etwas mehr über sich und seine Familie erzählte?

„Belfast?! Oh, das ist aber weit. Und deine Familie lebt da? Du bist allein hierher gekommen?"

Der junge Ire kam ihr ein wenig weiter entgegen. „Ja, das stimmt."

Bei Luke läuteten jetzt die Alarmglocken. Ganz sicher wollte sein Freund nicht gleich am ersten Abend die traumatischen Erlebnisse seiner Vergangenheit vor seinen Eltern darlegen. Wer würde das wollen?!

„Mum, lass doch", ging er dazwischen. „Ein ander Mal ist früh genug."

„Aber warum denn?" Ihr war nicht klar, in welchem Minenfeld sie sich befand. „Bist du wegen Ausbildung und Job von Belfast nach London gegangen?" Sie sah wieder neugierig zu Gabriel.

„Nein, Mrs. Sh...Kate. Ich bin aus Belfast abgehauen, ich war da mit 'nem fiesen Typen zusammen."

Kate blinzelte verunsichert. Das war nicht, was sie zu erfahren gehofft hatte und das war auch nichts, was sie so ohne Weiteres verstehen konnte. Also fragte sie wieder.

„Aber wieso bist du dann nicht zu deiner Familie? Warum bist du allein nach London?"

„Mum, bitte lass..."

Der Tänzer schaute alarmiert zu Luke, dann zu dessen Mum. „Ich bin da weg, weil die mich nicht wollen. So wie ich bin."

„Oh!" Mit einem Mal wirkte sie jetzt mehr als nur peinlich berührt, denn sie hatte genau auf den wunden Punkt getroffen. „Das tut mir leid", fügte sie hinzu. Das tat es wirklich. Und nicht nur das, was sie gerade erfahren hatte, auch dass sie es so erfahren hatte.

„Scheint, als wären das ein paar ordentliche Hohlköpfe!", mischte sich Lukes Dad hinzu, vielleicht mit der Absicht, einen Scherz daraus zu machen und beinahe wirkte es auch irgendwie komisch, wenn es nicht so traurig wäre.

In dem peinlichen Schweigen, das nun folgte, nahm Luke Gabriels Hand. Was könnte er sonst noch tun? Und so brach der junge Ire selbst die Stille. „Ja, das stimmt", brachte er mit steinerner Stimme hervor. „Hohlköpfe sind das. Leider ist mein Kopf nicht hohl genug, um zu vergessen oder ... zu verzeihen."

Luke schauderte bei diesen Worten und auch beim Anblick seines Freundes. Als wäre alles erstarrt, was sonst lebendig, warm und pulsierend war. „Komm, es ist spät genug, gehen wir ... ins Omabüro."

Gabriel blinzelte, also hatte er Luke verstanden. Trotzdem zögerte er. Lukes Dad schaute nun erst zu seiner Frau, dann zu den beiden jungen Männern.

„Das ist furchtbar und wir wollten ganz bestimmt nicht deine Gefühle verletzen", sagte er dann.

„Vielleicht magst du das ein ander Mal erzählen", ergänzte Kate.

„Vielleicht", schloss Gabriel.

Dann gingen er und Luke gemeinsam in ihr Zimmer

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt