Vater Teil22

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Kurz bevor die Schicht im Club begann, checkte Ginger nochmal sein Outfit, sowie das von Luke. Das rote Muskelshirt saß bei im enger, als es bei Ginger sitzen würde, der als Tänzer insgesamt etwas zierlicher war als der junge Sergeant. „Du wirst in dem Ding noch mehr auffallen, als sowieso schon", sagte er leise und es kam Luke so vor, als hörte er da eine gewisse Besorgnis mitschwingen.

„Ich will auffallen, weißt du doch", gab er zurück.

„Ich weiß. Aber es gefällt mir nicht." Ginger schaute ihm in die Augen, wie um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Es ist dein Job, deswegen bist du hier, aber bitte tu mir einen Gefallen und pass gut auf ich auf. Ich will nicht, dass du in einem Graben endest."

Luke realisierte jetzt, was Ginger gerade bewegte. „Das wird nicht passieren. Ich passe auf, ich trinke nichts, was nicht von dir kommt und ganz bestimmt werde ich hundert Jahre alt, okay?"

„Okay." Die Stimme des Rothaarigen war nicht viel mehr als ein Flüstern und er wandte den Blick noch immer nicht ab. Dann machte er etwas, womit Luke ganz sicher nicht gerechnet hatte. Er küsste sich selbst auf die Innenseite von Zeige- und Mittelfinger und legte sie so auf Lukes Lippen. „Ich werde dich beschützen", fügte er dann noch leiser hinzu. Luke wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Danke? Eigentlich ist das meine Aufgabe, dich zu beschützen? Bist du wirklich ein Engel?

„Gabriel, ich...", brachte er heraus, dann hielt er jedoch inne, weil er diesen besonderen Moment nicht mit Worten stören wollte. Stattdessen wiederholte er die Geste, küsste seine Finger und legte sie Gabriel auf den Mund.


Samstagabend im Elysium glich einem Hexenkessel, wenn es denn irgendein beschreibendes Wort dafür gab. Die Bouncer hatten das Bild von Patrick Foggerty bekommen, was das bringen sollte, wenn der sich verändert hatte, war völlig unklar. Oscar hatte ihnen die Anweisung gegeben, nach Möglichkeit einzelne Jungs, die dem Typ des Opfers entsprachen, aufgrund irgendwelche Vorwände nicht hineinzulassen. Ihm war egal, was. Uncoole Frisur, uncoole Klamotten, uncooles Verhalten... Das sorgte für reichlich Unmut am Eingang, aber es wäre besser, als zu viele Blonde und Rothaarige im Club, auch wenn es reichlich unwahrscheinlich war, dass der Täter direkt am nächsten Abend wieder zuschlagen würde. Big Bob und Tiny Tim bauten sich in voller Breite auf und verweigerten immer dann den Zutritt, wenn ein neuer fadenscheiniger Grund halbwegs plausibel erschien.

„Sorry, Süßer, aber wir haben heute keinen Single- Bedarf."

„Was willst du hier mit deinen Turnschuhen? Ab, weg mit mit dir!"

„Was soll das sein? Neunziger Jahre Retro- Chic? Geh nach Hause und hör da Take That!"

„Hältst du das hier für 'nen Kindergarten. Geh mit Mami spielen, du Jungschwuppe."

„Du warst gestern erst hier, verzieh dich!"

Luke gab sich die allergrößte Mühe, so viel wie möglich zwischen der Bar und den Tischen hin und her zu wechseln und immer wieder mal eine andere Route einzuschlagen. Aber das war ähnlich ergebnislos, wie an den anderen Abenden zuvor. Wer immer der Killer war, er fiel nicht auf. Rein theoretisch war es nicht logisch anzunehmen, dass er eine hundertprozentige Trefferquote hatte. Es wäre kaum möglich, an demselben Abend einen jungen Typen anzubaggern, der dann auch noch einen biblischen Namen trug. Es müsste so sein, dass er flirtete, anmachte und einen Rückzieher machte, wenn der Name des Auserwählten Bruce oder Felix war. Das zumindest müsste doch auffallen: ein heißer Flirt, der schlagartig abgebrochen wird. Vorausgesetzt, dass der Täter dann abbrach. Vielleicht machte er weiter bis zu einem gewissen Punkt, wenn ein Abbruch nicht auffiel. Vielleicht ging er mit einem Bruce oder Felix trotzdem irgendwohin, wo sie Sex hatten, aber er quälte und mordete nur die Aarons und Jeremys? Wer konnte das sagen...

Ein größerer Tumult am Eingang zog Lukes Aufmerksamkeit auf sich. Da war irgendetwas im Gange, was sich von der üblichen Prozedur unterschied, ebenso wie von der Verfahrensweise des Abends. Man konnte Bob hören, wie er versuchte, jemanden zu beruhigen. „Sir, nein, sie können da nicht rein. Wir tun nur unsere Pflicht."

Luke reckte den Hals, um mehr zu sehen, als er sich dem Eingang näherte. Tim und Tommy Lee hielten einen Mann, der sich in ihren Griff wand und schnaubte. „Lasst mich da rein, ich will es sehen!"

Bob wirkte irritiert. „Da gibt es nichts zu sehen, jedenfalls nicht, wenn Sie kein Gast sind."

„Lasst mich da rein, verdammt! Ich muss es sehen!"

Bob telefonierte jetzt. Wahrscheinlich holte er Oscar. Luke war inzwischen bei dem Tumult angekommen. Der Mann sah nicht aus wie ein Typ, der sich im Club vergnügen wollte. Er war älter als die Meisten, aber das war es nicht. Die Kleidung sagte nicht Clubgänger, die sagte eher Büromensch, etwas bieder, untere Mittelklasse.

„Was ist hier los?", fragte Luke und allein die Tatsache, dass jemand sich danach erkundigte, schien den Mann etwas zu beruhigen.

„Ich will da rein!", wiederholte er und Luke fragte sich, ob der Mann vielleicht verwirrt war, weil er das immer wiederholte. Auch wirkte er extremst aufgebracht, atemlos, aber doch wahrscheinlich nicht, weil er von Bouncern eines Gay Clubs abgewiesen wurde. Er sah nicht aus, als wäre er einer von ihnen.

„Sir, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Es geht Ihnen nicht gut, Sir." Luke schaute Tim und Tommy Lee an, die den Griff nun etwas lockerten. Der Mann atmete jetzt etwas leichter. Dann veränderte sich sein Blick und er begann plötzlich zu weinen. „Nein, nein, mir geht es nicht gut. Mir geht es hundeelend. Lasst mich rein, ich will es sehen."

„Was wollen Sie sehen, Sir?" Luke legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn direkt an. Oscar war inzwischen auch bei ihnen und bat Bob, ein Glas Wasser zu holen.

„Ich glaube, ich weiß, wer Sie sind, Mister", sagte der ältere Bouncer. „Sie sind der Vater, richtig? Von dem toten Jungen?"

Der Mann weinte jetzt noch mehr. „Bringen wir ihn hier weg", schlug Luke vor. „Kommen Sie, Mister Baker."

Oscar gab ein Zeichen, worauf Bob und Tim so etwas wie eine Gasse bildeten, durch die Luke und Tommy Lee Mister Baker nun tatsächlich hineinführten. Aber nicht zur Bar oder zur Tanzfläche, sondern in den Raum hinter der Bar, wo es immer die Sandwiches gab. Dort ließen sie ihn auf einem Stuhl nieder und Luke gab dem Vater noch ein Glas Wasser. Dann gingen die drei jüngeren Bouncer, nur Luke und Oscar blieben bei Mister Baker.

„Was können wir für Sie tun, Sir?", fragte Luke behutsam.

„Ich will meinen Jungen zurück! Meinen Jungen... Andy... ich will ihn zurück..."

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt