Anbeißen Teil29

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Gegen Abend kamen die beiden jungen Männer bei Sean und Oscar zuhause an. Die zwei wohnten in einer der ruhigeren Ecken von Kensington, in einem dieser typischen, georgianischen Reihenhäuser. Vorn gab es einen kleinen Vorgarten mit ausschließlich gelben Blumen und einen Aufgang zwischen zwei Säulen, der direkt zu der kanariengelben Eingangstür führte. Luke hätte fast mit einem Butler gerechnet, aber stattdessen öffnete Sean selbst. „Oh my Goood, da sind sie schon!", rief er ins Haus hinein und machte dann einen Satz nach vorn, um erst Gabriel und dann Luke zu umarmen. „Kommt rein, kommt rein..." Gabriel und Luke ließen sich hineinführen, direkt bis in die riesige Küche, wo Oscar noch mit ein paar Kleinigkeiten an der Kücheninsel beschäftigt war. „Hi, ihr beiden", begrüßte er sie und deutete auf zwei Barhocker, die noch leer daneben standen. Zur Begrüßung brachte Sean direkt für jeden ein Glas „Schampus halb und halb, mit Schirmchen". Gabriel kannte das sicher schon, denn ihn schien das alles nicht weiter zu wundern. Luke dagegen war wohl noch nie bei so einem schrillen Paar zu Besuch gewesen. Er schaute sich um und stellte fest, dass es sowas wie ein System aus Kunst und Kitsch in der Einrichtung gab. Manches sah richtig teuer aus, anderes wiederum schien vom Flohmarkt zu kommen. Aber da alles offenbar mit Liebe zu Farben, Formen und Material zusammenkam, ergab sich doch ein harmonisches Ganzes irgendwo zwischen Arbeitsplatten aus Marmor und originaler Kuckucksuhr. „Schön habt ihr es hier", hörte sich Luke sagen. Und er meinte es auch so. Verglichen mit der Designerwohnung seines Anwaltsfreundes, Ex- Freundes – wie er sich in Gedanken sogleich berichtigte- hatte Sean und Oscars Haus deutlich mehr Charme und erzählte von ihrem gemeinsamen Leben. „Oh, das freut mich sehr", strahlte Sean. Er hatte jedem ein Glas gegeben und Oscar kam jetzt zum Anstoßen dazu. „Schön, dass ihr hier seid", sagte er zum Toast. Nach dem ersten Schluck ergänzte er, „und weil heute Sonntag ist, lasst uns den Grund, warum Luke hier ist, heute Abend vergessen." Luke stimmte dem nur zu gern zu, denn der Tag war bisher zu schön für jede Art von schrecklichen oder trüben Gedanken. „So soll es sein!"

Während des Essens merkte der junge Sergeant gar nicht, wie die Zeit verging. Von der Vorspeise bis zur Nachspeise war alles super lecker und sie unterhielten sich miteinander über die unterschiedlichsten Dinge. Natürlich fragte Sean nach dem Date im Park und natürlich fragte Oscar nach der Polizeiausbildung. Natürlich fragte Luke, wie sich die beiden kennengelernt hatten und natürlich fragte Gabriel, welche Musik Luke denn eigentlich mag. Irgendwann holte Sean ein Album aus einem Schrank, der mehr an einen Schrein erinnerte und zeigte darin seine Autogramm- Sammlung von allen möglichen Künstlern. Tatsächlich war auch Elton dabei und selbstverständlich die Pet Shop Boys, die auch schon mal im Elysium aufgetreten waren. Schließlich war es spät geworden und Zeit, den Abend zu beenden. Also bedankten sich die beiden Gäste bei ihren Gastgebern und verabschiedeten sich mit einer Umarmung für jeden. Draußen wartete bereits ein Taxi, das Oscar gerufen hatte, damit es sie zurück zum Club brachte. Gabriels Einwand, dass sie genauso gut laufen könnten, wurde schlichtweg ignoriert und Oscar schob ihn regelrecht hinein in den Wagen, Sean klopfte auf das Dach des Taxis und kaum war Luke ebenfalls hinten auf der Rückbank, da ging die Fahrt schon los. „Das ist echt nicht notwendig, wir könnten das problemlos in zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten laufen", murrte Gabriel und sah dabei zum Anbeißen aus, wenn er bockig war. „Warum willst du unbedingt laufen?", fragte Luke halb neugierig, halb amüsiert. Der rothaarige Engel schaute ihn, noch immer etwas mürrisch an. „Ach, weiß auch nicht. Ich will nicht, dass unser Date so schnell zu Ende ist, denke ich." Wie süß war das denn? Der Blonde lächelte jetzt und nickte. „Okay, das will ich auch nicht", gab er zu, schaute nach vorn zum Fahrer, der auf die Straße blickte, dann zu Gabriel, der sich von dem Lächeln hatte anstecken lassen. „Komm her, du irischer Dickschädel", raunte Luke, legte seinen linken Arm um ihn und nahm den Linken von Gabriels Armen, um ihn sich an die Hüfte zu legen, Gabriel verstand sofort, schlug das linke Bein über Lukes rechtes Knie und rückte heran. Mit seiner freien Rechten hob der Blonde ihm das Kinn an, sodass sie sich nun küssen konnten. So leidenschaftlich, wie der Tänzer jetzt in Fahrt kam, musste seine Hand vom Kinn in den Nacken, ins Haar wandern, um ihnen besseren Halt zu geben. Gabriels Lippen stubsten die von Luke immer wieder und mit seiner Zungenspitze bettelte er um Einlass. Der junge Sergeant ließ ihn und stieg darauf ein. Das Gefühl, das ihn überkam war eine Mischung aus Hingabe und Vorfreude, denn eines signalisierten ihm die Schmetterlinge in seinem Bauch: dieses Mal wollte er auf's Ganze gehen. Für einen Moment vergaß er alles um sich herum und spürte nur, wie Gabriel ihn mit Lippen und Zunge liebkoste, dann zog er die Notbremse, weil er nicht mit einer Erektion aus dem Taxi steigen wollte. „Du... lass... warte... kurz, bis..." Er sah den Blick in Gabriels geheimnisvoll grünen Augen, der anzeigte, dass er begriff. Der Engel nahm sich zurück und lächelte gar kein bisschen engelshaft. Seine Lippen formten stumm die Worte „ich will dich", so viel erkannte Luke und konnte es kaum erwarten. Dann, endlich, hielt das Taxi im Hinterhof des Elysium. Gabriel verlor keine Zeit und war im Nu aus dem Wagen heraus und trommelte ungeduldig mit den Handflächen auf dem Dach, während Luke herausfand, das Oscar den Fahrer bereits bezahlt hatte. Kaum fuhr der Wagen an, da nahm er den rothaarigen Iren bei der Hand und zog ihn hinter sich die Feuertreppe zum Loft herauf. 

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