Psycho Teil35

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Irgendeine gnädige Fügung des Schicksals verschaffte beiden Gefangenen eine Art Verschnaufpause, für die es keinen ersichtlichen Grund gab, außer dass der Psycho-Anwalt vielleicht zwischendurch seine E-Mails und Whatsapp checkte, zumindest war das einer der bitter sarkastischen Gedanken, die Luke kamen, ein anderer war, dass er offensichtlich das passende Werkzeug nicht griffbereit hatte, um direkt zu beginnen, mit Gabriel und ihm wer weiß was zu tun. Immer noch hilflos am Boden liegend, könnte er nichts dagegen unternehmen, nicht mal die Ohren zuhalten. Bei diesem Gedanken wurde ihm schlecht. Gabriel sagte derweil gar nichts, vielleicht, weil das zuletzt nur dafür gesorgt hatte, dass Blake hereinkam und fortfuhr. Vielleicht, weil er sich bereit machte für das, was der ihm angedroht hatte. Machte er sich bereit, so zu sterben? In Lukes Gedanken warf sich alles übereinander. Das durfte einfach nicht sein. Nicht er, nicht so, nicht jetzt, nicht hier. Er horchte auf den Atem des jungen Iren, der noch immer angestrengt klang, aber das war wohl besser, als wenn er schwächer würde. Weil ihn das zumindest vorerst beruhigte, probierte der Blonde nun konzentriert, herauszufinden, ob er inzwischen irgendeine Beweglichkeit zurückerlangt hatte. Es schien, als könnte er zumindest spüren, wie seine Beine kribbelten, er fühlte die Kälte des Raumes und er sah, wie sich die Finger an seinem ausgestreckten Arm bewegen ließen. Dieses Scheißzeug könnte auch nicht ewig wirken. Hinter ihm, da wo der Rothaarige gefesselt war, rührte der sich jetzt. Es klang, als würde er sich gegen den Heizkörper zum Sitzen aufrichten, was anstrengte und Schmerzen verursachte, denn er ächzte und stöhnte dabei, wenn auch leise. Kurz darauf hörte der Mann am Boden den anderen atmen, laut und rhythmisch, beinahe, als mache er sich für eine Tauchstrecke unter Wasser bereit und würde dafür seine Lungen mit Luft füllen. Oder war das Angst und er begann zu hyperventilieren? Mit einem Mal gab es ein Geräusch, wie vorhin, als Blake ihn gegen die Heizung geschlagen hatte und gleich danach einen erstickten, unterdrückten Schmerzenslaut. Als Luke das hörte, zuckten plötzlich seine Arme und Beine reflexartig und er fürchtete, dass er sich nun doch noch übergeben müsste. Gabriels Atem wurde wieder normaler und er zog ein paar Mal die Luft durch die Nase, wie wenn heftiger Schmerz abklang. OhGottogott, was tat er? „Mmmwwass... tu...st... du?", brachte der Blonde heraus.

„Vertrau... mir", gab der Engel gepresst und leise zurück.

Vertrauen? Auf was? Er wünschte, er könnte wenigstens den Kopf so weit drehen, dass er zu sehen vermochte, wie es dem anderen ging, was Blake mit ihm getan hatte, was er gerade getan hatte. Aber in dem Moment öffnete sich diese verdammte Tür hinter ihm und sein irrer Ex-Freund war zurück und ganz sicher würde er nicht sehen wollen, was der nun vorhatte. Luke widerstand dem Impuls schreiend oder zappelnd zu protestieren. Sollte Blake glauben, er sei noch immer völlig betäubt. Vertrau mir, hatte der Engel gesagt. Vertrauen, vertrauen, vertrauen...

„Sieh an, sieh an, Ginger- Babe", begann Blake und äffte dabei Seans Art, mit seinen Babes zu sprechen nach, „du bist ein verdammt zäher Bursche, wir zwei können noch unseren Spaß haben, bevor du deine Strafe erhältst."

„Du kannst mich mal, du englischer Fickfehler!"

„Oh, keine Sorge, geht gleich los, Babe."

Der junge Sergeant fuhr innerlich zusammen. Gabriel reizte ihren Peiniger garantiert mit voller Absicht. Warum nur? Luke hörte, wie Blake an dem Gefesselten zerrte, ihn offenbar aus der sitzenden Position wieder zu Boden warf. Nein!

„Ich hab' gelesen", ätzte der Irre weiter, „dass man ganz scharf auf Sex ist, wenn man weiß, dass man sterben wird." Dann klang es, als würde er sein Opfer treten oder schlagen, Stoff zerriss. „Und? Ist das so? Du kommst mir noch recht lustlos vor, Ginger-Babe! Siehst du's jetzt ein, dass es Sünde ist, sich wie ein Vieh, einem anderen Vieh hinzugeben? Hä?"

Luke schrie ungebremst los, er konnte es nicht verhindern. Im gleichen Augenblick war Blake über ihm, zerrte abermals seinen Kopf schmerzhaft am Haar hoch und starrte ihn an. „Da haben wir ja unseren Zuschauer ganz vergessen! Hi, Mister Oberschlau- treibt- sich- lieber- in- Wichs- Clubs- rum- und- kann- keine- drei- Tage- treu- sein- weil- er – auch- nur- ein- Schwanzlutscher- is..." Weiter kam Blake nicht, denn es passierte irgendwas mit ihm, das Luke nicht sehen konnte, weil sein Gesicht wieder zur Erde krachte. Der Psychopath ächzte, es klang, als bekäme er keine Luft, er strampelte, aber jemand hielt ihn umklammert. War das Gabriel? Der Blonde brüllte wieder vor Aufregung. Was ging da nur vor? Konnte sich der junge Ire loswinden? Noch immer schlurften und zappelten die Tritte Blakes über den Boden, aber sein Ächzen war verklungen, ganz sicher wurde er gewürgt. Dann, plötzlich wieder das Geräusch von einem Körper, der gegen den Heizkörper knallte. Und nochmal und nochmal. Dann Stille, bis auf ein erschöpftes Röcheln, das wie von Gabriels Stimme klang.

„Bist... du... ddass?", fragte Luke.

Für einen scheinbar endlosen Moment kam keine Antwort, dann tauchte das zerschundene, blutverschmierte Gesicht seines Engels vor ihm auf. Er musste zu ihm her gerobbt sein, atmete schwer und lag jetzt direkt Gesicht an Gesicht mit ihm.

„J...ja... ich... glaub, der... Scheißkerl... hat... genug... Ich... blute..." Mit diesen Worten wurde er ohnmächtig. Nur ohnmächtig, wie Luke wusste, weil er dessen Atem an seiner Wange spüren konnte. Okay, okay, okay. Was immer Gabriel da gerade getan hatte, es würde noch nicht reichen, um sie zu retten. Jetzt wäre Luke dran.

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt