Die Nacht war kurz. Viel zu kurz. Luke und Ginger hatten noch ein wenig geküsst und sich aneinander geschmiegt, aber dann hatte sie die Müdigkeit tief und fest einschlafen lassen und Luke war ziemlich sicher, dass zu dem Zeitpunkt die Sonne bereits hinter dem Horizont lauerte. Als er wieder erwachte, musste es bereits Mittag sein, denn sie stand hoch am Himmel und viel durch das Fenster herein und ließ den schlafenden, jungen Mann neben ihm aussehen, als wäre er aus Gold. Die Sonnenstrahlen fingen sich in seinen roten Locken und streichelten ihm über Schultern und Rücken bis hinunter zum Po, wo ihn die Bettdecke notdürftig bedeckte. Luke lag auf der Seite, Ginger zugewandt, hob lächelnd den Kopf und stützte ihn auf seinen Arm. So konnte er die Tätowierung aus der Nähe betrachten. Sie war wirklich sehr gut gemacht, fand Luke, denn mit jedem Atemzug von Ginger, der seinen Körper sanft hob und senkte, erweckte es den Eindruck, als seien die Flügel lebendig, sodass Luke dem Impuls widerstehen musste, darüber zu pusten, um zu sehen, ob sich die Federn bewegten. Gabriel, dachte Luke, das ist sein Name, mit Gabriel liege ich hier. Der nächste Gedanke war weniger schön, denn er hatte mit dem Engel gevögelt, obwohl er mit Blake zusammen war. Wie hatte er sowas tun können? Vielleicht war es bedeutungslos. Das musste es sein. Sie hatten es getan, weil sie zwei junge Typen waren, die auf Männer standen und weil sich die Situation ergeben hatte. Nichts weiter. Was hatte Ginger gesagt? Luke sei kein Heiliger und er wollte ein bisschen was von dem, was Blake gehörte. So hatte Luke sich noch nie gesehen. Ganz sicher gehörte er zu Blake, aber das war doch etwas anderes. Und jetzt gerade fühlte es sich überhaupt nicht so an. Gabriel, dachte Luke wieder, was hatte ihn wohl hierher geführt? Aus Nordirland. Sprach er wohl Gälisch? Gabriel war jedenfalls Hebräisch. Schöner Name, fast so schön, wie sein Träger. Und mit einem Mal schoss ihm etwas in den Kopf, was er bisher nicht bemerkt hatte: die Namen. Die Namen der Opfer: Da war Jamie aus Shoreditch. Das war die Kurzform von James. Ein Peter war dabei, das wusste Luke genau, ein Benjamin, das erste Opfer hieß John. Fuck! Luke warf den Kopf zurück ins Kissen und starrte an die Decke. Das war kein Zufall. Die hatten alle Namen aus der Bibel. Alle vier. Da war kein irischer Rory oder angelsächsischer Eric dabei. Aber was bedeutete das? Wohl immerhin, dass Jungs mit anderen Namen relativ sicher waren. Der Mörder suchte Blonde oder Rothaarige mit Bibel- Namen. Luke atmete einmal tief durch, dann rüttelte er an Gingers Schulter.
„Hey, Ginger, aufwachen!"
Der Angesprochene brummte tief und schüttelte den Kopf.
„Werd' wach, ich muss dir was sagen." Luke rüttelte nochmal. Jetzt hob Ginger den Kopf, drehte sich ihm zu und blinzelte.
„Was is'n los?"
„Mir ist was aufgefallen: Die Jungs, die der Täter aussucht, haben alle Namen aus der Bibel."
„Was?" Ginger runzelte die Stirn.
„Ja, James, Peter, Benjamin und John."
„Oh fuuuck, wie bist du denn jetzt darauf gekommen?" Ginger setzte sich auf und schüttelte den Kopf, wie um ihn klar zu kriegen.
„Zufällig. Ich habe über dich, über deinen Namen nachgedacht. Du bist auch in Gefahr, heißt das."
„Das weiß keiner, wie ich richtig heiße. Ginger klingt mehr wie Porno als wie Bibel."
„Red' keinen Unsinn..." Luke wollte noch mehr sagen, aber in dem Moment meldete sich sein Handy, das irgendwo in seiner Hose, halb unter dem Bett lag. Er beugte sich hinunter und angelte es hervor. Ganz sicher war das Blake oder der Yard. Die warteten auf seinen Bericht und Blake konnte vielleicht hellsehen und wollte ihm die Hölle heiß machen. Das Display zeigte Waterford.
„Hier ist Luke Sherman, guten Morgen..." Luke sah, wie Ginger mit den Augen rollte und er formte für ihn mit den Lippen stumm die Worte „der Yard", während er horchte.
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Rainbow Warrior
Misterio / SuspensoLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...