Oben Teil11

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Warum es Luke überhaupt so viel ausmachte, dass der rothaarige Ire ihn durchschaut hatte und ihn nun verachtete, war ihm ganz und gar nicht klar. Er wünschte nur, es wäre nicht so. Ginger hatte ihn bei sich aufgenommen, in der Annahme, dass er eine Unterkunft und einen Job brauchte. Er hatte ihm die Regeln erklärt und ihm ihre Verantwortung für die Sicherheit der Jungs im Club klar gemacht. Anders als Luke war er wohl von Anfang an ehrlich gewesen. Und sein Kuss war zärtlich gewesen. Und was hatte Luke getan? Ihn mit einer Lüge zurückgewiesen und gefragt, ob er für Geld mit Fremden mitging. Wie konnte er bloß so ein Arsch sein?

„Geht's?", fragte er besorgt. Ginger ließ sich, noch immer etwas widerwillig, von ihm zur Treppe führen. Wegen der blutenden Nase hatte er den Kopf nach hinten gelegt und Luke hielt ihn locker am Arm, um ihm die Richtung zu weisen.

„Ich komm schon klar, Officer."

„Jetzt hör auf damit, du sturer, irischer Ziegenbock!"

Oben angekommen wies er Ginger an, sich in einen der Sessel zu setzen, während er selbst ein nasses Tuch aus der Küche holte. „Hier, pack das in den Nacken." Ginger gehorchte wider Erwarten und legte den Kopf zurück. „Hast du irgendwo Erste-Hilfe- Zeug?"

„Seh ich so aus? Unten hinter der Bar, hier ist nichts."

„Na, toll." Luke ignorierte das jetzt und ging oben im Bad nachsehen. Er fand immerhin ein sauberes Handtuch, einen Waschlappen und ein paar Papiertaschentücher. Damit kam er zurück und wusch Ginger vorsichtig das Blut von Oberlippe und Kinn. Die Nase schien nicht gebrochen zu sein. Dann wäre da mehr Blut und der Rothaarige würde um sich schlagen, wenn Luke mit dem Waschlappen in ihre Nähe kam.

„Hast du sonst noch was abgekriegt? Deine Seite?"

Ginger antwortete nicht. Ihm musste eingefallen sein, dass er ja nichts mehr sagen wollte, bevor Luke sich nicht erklärte. Also setzte der sich mit einem Seufzer auf den anderen Sessel und begann ruhig und ernst zu erzählen.

„Luke ist mein richtiger Name und ich bin kein Officer. Ich bin ein Sergeant vom Yard. Keine Ahnung, woher du das weißt. Ich hab mich für den Auftrag hier freiwillig gemeldet, weil ich schwul bin und dieses Schwein Jungs wie uns Gewalt antut. Die haben mich über Sean hier eingeschleust und ich dachte, ich krieg das hin. Unerkannt hier jobben und diesen Arsch erwischen."

Ginger schüttelte nur einmal mit dem Kopf, aber sagte noch immer nichts.

„Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe. Ich kannte dich nicht und ich dachte, es ist okay, weil es sein muss, um den Typen zu fassen. Aber das ist es nicht."  

„Ist das alles?" es klang weniger wie eine Frage als ein Vorwurf.

Luke beschloss, alles zu geben, wenn das nur hieße, dass Ginger ihm wieder vertrauen würde. Sie könnten niemanden festnehmen, wenn sie nicht zusammenarbeiteten.

„Da ist noch die Sache mit dir und mir", begann er, „ich mag dich wirklich sehr, aber ich hab 'nen festen Freund. Seit über 'nem Jahr. Er heißt Blake. Das mit der schweren Trennung war 'n Haufen Scheiße, den sich andere ausgedacht haben."

„Blake", wiederholte Ginger, so als wollte er ausprobieren, wie man den Namen aussprach. Es klang ein wenig wie ausgespuckt. „Ich verstehe." Luke hatte längst bemerkt, dass Ginger wieder höchstens drei Worte benutzte und ihm wurde bewusst, was das nur bedeuten konnte: Abwehrhaltung, fehlendes Vertrauen und jetzt gerade wohl auch Enttäuschung.

„Wie hast du rausgekriegt, dass ich vom Yard bin?"

Ginger kam mit dem Kopf hoch und probierte mit einem Papiertaschentuch, ob er noch immer Nasenbluten hatte. Es schien aufgehört zu haben.

„Ich halte das nicht aus, wenn du nicht redest", hörte sich Luke sagen, „und ich weiß nicht, was du noch hören willst."

Ginger schaute ihn nun mit seinen Katzenaugen an, dann wieder weg. Luke verlor bereits die Hoffnung, als er doch noch begann zu reden. „Ich bin kein Vollidiot."

„Nein. Ganz sicher nicht."

„Ich hab sofort gemerkt, dass du aus 'ner besseren Kinderstube kommst. So wie du redest. Und dann fragst du ständig und erzählst nichts."

„Und deswegen bin ich ein Polizist?"

„Schon. Aber vor allem hast du den Namen von dem Überlebenden gewusst. Jamie hast du gesagt. Der Name war nicht in der Zeitung oder sonst wo. Dein Polizeigriff vorhin war schon nicht mehr nötig."

Luke war verblüfft und auch geschockt. Wenn Ginger das so herausbekommen hatte, wenn er so unvorsichtig geredet hatte, vielleicht war er dann doch nicht der Richtige für den Job. Vielleicht sollte er tun, was Blake vorgeschlagen hatte: nachhause kommen. Aber das bedeutete aufgeben...

„Blake, dein Freund..."

„Was ist mit ihm?"

„Wie ist der so?"

Luke war nicht sicher, worauf der Tänzer hinauswollte und zögerte einen Moment, bevor er sich an einer Beschreibung Blakes versuchte. „Er ist attraktiv, klug, arbeitet als Anwalt..."

„Das mein ich nicht. Wie ist er zu dir?"

„Was soll die Frage?"

„Wenn du mein Freund wärst, würde ich nicht wollen, dass du den blonden Lockvogel für einen Perversen spielst."

„Er weiß, was mir das bedeutet." Shit. Das war schon wieder gelogen, aber Luke würde wollen, dass es wahr wäre und noch bis vorhin hatte er geglaubt, dass es so sei.

Ginger zögerte mit der Antwort. „Dann wäre ich auch hier."

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt