Lukes Schreie waren für Gabriel alles andere als eine Überraschung. Früher oder später musste der Moment kommen, in dem sich sein Freund dessen bewusst werden würde, was eigentlich passiert war. Aber das machte es für den Engel nicht leichter zu ertragen. Er wusste nur zu gut, wie der andere junge Mann sich fühlen musste. Er war mit einem Typen zusammen gewesen und hatte nichts von Blakes gefährlichem Geheimnis, seiner dunklen, psychopatischen Seite geahnt. Gabriel erinnerte sich nur zu gut, wie das war, mit jemandem zu leben, der am Ende nicht derjenige war, für den man ihn hielt. Und wie er selbst, war auch Luke der Brutalität eines Mannes ausgesetzt gewesen, der vorgegeben hatte, ihn zu lieben. Wie naiv war er damals nur gewesen! Aber Liebe, gerade wenn man noch jung und unerfahren ist, macht blind.
Wie viel Zeit vergangen war, hätte Gabriel nicht sagen können. Luke schrie noch mehrmals mit einer Lautstärke und Verzweiflung, dass der Tänzer fürchtete, die Situation würde vollends aus den Fugen geraten und die Eltern würden einen Arzt rufen oder alle würden das Zimmer stürmen, aber offenbar waren sich die vier einig, dass man das Paar lieber für sich lassen sollte. Tatsächlich zeigten Gabriels Nähe, seine Umarmung und sein Trösten bald darauf eine Wirkung. Die Schreie verebbten zu einem Stöhnen und Wimmern und Lukes völlig verkrampfter, angespannter Körper begann nachzugeben, sodass er schließlich wie ein müdes Kind in den Armen seines Liebsten lag. Gabriel strich ihm durchs Haar und über Arme und Schultern, redete besänftigend auf ihn ein und wiegte sie beide noch immer sanft vor und zurück. Er bemerkte nicht, dass ihm Tränen über die Wangen liefen, erst als sie seine Lippen erreichten und er ihr Salz schmeckte, fiel es ihm auf. Ihm war nur allzu klar, was sie bedeuteten. Auch seine Gefühle brachen sich Bahn. Er war nicht unschuldig an der Verzweiflung des Mannes in seinem Schoß. Er hatte Blake getötet, praktisch vor Lukes Augen, gnadenlos, weil er es nicht wagte, seinen Würgegriff zu lösen oder mit seinen Tritten nachzulassen, bevor sich dieses Monster nicht mehr rührte. Er hatte Todesangst gehabt, schon zum zweiten Mal in seinem jungen Leben.
Als der Engel bemerkte, dass Luke ihn ansah und dass er bei sich war, lächelte er ihm zu. „Wird alles gut, Babe", flüsterte er ihm zu und Luke blinzelte, was bedeutete, dass er verstanden hatte. „Wir brauchen gar nichts reden, okay? Ich bin einfach nur da und du bist hier bei mir." Gabriel strich dem Blonden ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und redete einfach weiter. Offenbar tat seine Stimme dem anderen gut.
„Ich ... ich fühl ...", begann Luke mit erschöpfter, rauer Stimme.
Gabriel legte ihm den Zeigefinger als Schweigegeste auf die Lippen. „Schscht."
Der Blonde ließ die Ruhe jetzt zu und so streichelte der Tänzer ihn noch eine ganze Weile, bis er sicher war, dass sich seine durcheinanderrasenden Gefühle besänftigt und sein überanstrengter Körper ein wenig erholt hatte. Dann erhob er sich behutsam, sodass er seinen Freund vorsichtig auf das Schlafsofa niederlegte. „B... bleib", flüsterte der.
„Ich geh nirgends hin. Ich hole dir nur etwas zu trinken. Dauert höchstens zwei Minuten."
Luke nickte matt. Gabriel wollte kurz in die Küche, um etwas Wasser zu holen, kam aber natürlich kaum zur Tür des Omabüros hinaus, als er auch Sean und Kate gegenüber stand. Sie waren noch immer vor dem Zimmer und mussten gar nichts sagen oder fragen. „Keine Panik", erklärte Gabriel sofort. „Es geht schon besser. Ich kümmere mich um ihn."
„Brauchst du was?", wollte Kate wissen. Das war für sie die einzig logische Erklärung, warum der Freund ihres Sohnes vor die Tür kam.
„Wasser."
„Hole ich sofort, Babe." Sean ging ohne Zögern in die Küche. So bekam Kate die Gelegenheit für ein, zwei nächste Fragen.
„Wie geht es ihm? Können wir etwas tun?" Sie schaute so besorgt, wie Mütter eben schauen, wenn sie nicht Gabriels Mutter waren, wie ihm ohne es zu wollen auffiel.
Er wollte sie nicht beunruhigen, also suchte er nach Worten. „Ihm geht's ... etwas besser. Ich denke, er fängt an, zu verarbeiten, ... was passiert ist."
Lukes Mum schaute Gabriel nun mit einem prüfenden Blick an, den er nicht einordnen konnte. Sie schien etwas ungläubig oder auch verunsichert, ob er die Wahrheit sagte. Innerlich fluchte der junge Ire, denn er wusste, dass er nicht gerade ein As in Gesprächssituationen war, eher das genaue Gegenteil. Dann erkannte er die Wärme und Zuneigung in ihren Augen. Sie legte ihm eine Hand an die Wange, um ihm mit größerem Nachdruck in seine grünen Augen schauen zu können und er empfand diese Geste überraschender Weise als angenehm und tröstlich. „Ich denke", sagte sie mit sanfter Stimme, „so langsam beginne ich, dich zu kennen, Gabriel O'Reilly. Wenn du mir sagst, dass es ihm besser geht, dann vertraue ich dir."
Konnte das denn sein? Kate vertraute ihm? Gabriel blinzelte und nickte dann. „Okay", brachte er als einziges Wort heraus. In dem Augenblick kam auch schon Sean zurück und drückte ihm eine Flasche Mineralwasser in die eine und zwei Gläser in die andere Hand. „Wenn irgendwas ist, Babe, sag Bescheid", bot er an und lächelte aufmunternd. Was sollte das? Würden er und Oscar etwa hier bleiben?
„Ich ... wir kommen klar. Schlagt euch deswegen nicht die Nacht um die Ohren", gab der Tänzer zurück. Er fand es übertrieben, wenn die beiden Männer sich solche Sorgen machten, dass sie nicht von seiner Seite weichen wollten.
„Ach, Papperlapapp", warf Kate ein. „Wir haben Platz und wenn sie jetzt gehen, dann machen sie sich nur noch mehr Sorgen. Geh du zurück zu meinem Sohn, die zwei bleiben bis morgen früh." Der Blick, den sie ihm zuwarf, sagte ganz klar, dass dies ihr letztes Wort war.
„Okay", erwiderte Gabriel erneut, blinzelte noch einmal und ging dann verblüfft und gerührt zurück zu Luke. Im Zimmer schenkte er sogleich zwei Gläser Wasser ein.
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Rainbow Warrior
Mystery / ThrillerLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...