Love Song

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Am nächsten Morgen wartete Oscar geduldig eine halbe Ewigkeit im Frühstücksrestaurant des Hotels, bis die beiden Turteltäubchen endlich auftauchten. Luke und Gabriel hatten nach einer ausgiebigen Liebesnacht so lange in den Tag hinein geschlafen, dass sie das Frühstück längst verpasst hatten und Oscar vorschlug, sie sollten sich alle ein paar Lunchpakete machen lassen und nicht länger warten. Er selbst hatte mittlerweile alle Kaffeespezialitäten des Hauses probiert und jetzt wollte er unbedingt die nächste Fähre nach Liverpool erreichen. Während er sich also um den Proviant und die Rechnung kümmerte, holten die Jungs ihr Gepäck und schielten nur kurz auf die zahlreichen WhatsApp-Nachrichten von Sean.

Sean: Ich bin ja so froh, dass alles überstanden ist.

Sean: Ich weine noch immer vor Glück und kann eure Hochzeit gar nicht erwarten.

Sean: Ihr braucht mindestens eine dreistöckige Torte.

Sean: Alle Babes lassen euch grüßen und gratulieren zur Verlobung.

Sean: Kate sagt, sie wolle eine kleine Hochzeit im Familienkreis. Luke, das kommt gar nicht in die Tüte, sag das deiner Mum.

Sean: Ginger, mein Engel, ich habe ein schnuckeliges kleines Hotel in Kensington gefunden, wo Platz ist für alle deine Geschwister.

Sean: Ich habe einen Termin beim Herrenausstatter gemacht. Für uns alle. Oder findet ihr, ich sollte in Drag gehen? #,wenn schon, denn schon.

...

Luke und Gabriel grinsten über die Anzahl und die Botschaften, wollten sie jedoch erst im Wagen beantworten oder am besten von da gleich in London anrufen.

„Was machen wir denn? Sagen wir zu allem ja?", fragte Luke und sah seinen Süßen etwas hilflos an. Der zuckte nur mit den Schultern, drückte ihm ein Küsschen auf die Wange und fand, man könne ebenso gut versuchen, einen Tsunami zu stoppen.

„Außerdem sind die Vorschläge doch ganz passend, denn wenn wir schon heiraten, dann so richtig. Mit deinen Kollegen im Spalier, Ehrentanz und Flitter von der Decke", ergänzte er.

„Und Seifenblasen ..."

„... so viel du willst!"

Soweit jedenfalls der gute Vorsatz. Doch bereits auf der Fahrt zu den Docks fielen Gabriel die Augen zu. Kein Wunder, denn für ihn war das alles - der Tripp, der nochmalige Rauswurf durch seinen Vater, das heimlich arrangierte Wiedersehen - eine enorme Anstrengung gewesen. Luke, der ihm auf dem Rücksitz im Arm hielt, wartete ab, bis der Engel schlief, dann schrieb er an dessen Ersatz-Daddy in London:

Alles läuft bestens, aber wir sind völlig erledigt. Oscar ist große Klasse und bringt uns, wenn alles klappt, in etwa zwölf Stunden heim. Wir erzählen dann alles.

Kaum war die Message geschrieben, da schickte Luke noch eine zweite an seine Eltern und schon bald darauf sank er auch in Schlaf. Erst als der Wagen holpernd über die Laderampe auf das Autodeck der Fähre fuhr, kam er wieder zu sich, wenn auch nur, um auf der Überfahrt in einer kleinen Kabine neben Gabriel weiterzuschlafen. Immerhin war er danach ausgeruht und konnte einen Teil der Strecke von Liverpool nach London fahren, während Oscar auf dem Beifahrersitz döste und Gabriel hinten mit dem Blick aus dem Wagenfenster leise vor sich hin summte. Das Abenteuer in Belfast hatte allen dreien enorme Kraft abverlangt, nicht nur körperlich, sondern vor allem emotional.

„Woran denkst du? Was ist das für ein Lied?", fragte Luke schließlich. Die Melodie kam ihm bekannt vor.

„So neugierig, Sergeant?"

„Jetzt sag schon!"

Gabriel sah noch immer hinaus, grinste aber vor sich hin. „Ich stelle mir gerade vor, wie du und ich heiraten. Die Jungs im Club werden komplett ausrasten, wenn sie davon hören."

„Du meinst, Sean hat das noch nicht herausposaunt?"

„Ach, du hast recht", musste der Feuerkopf zugeben. „Das wird er haben." Er lächelte vor sich hin, denn nun kam ihm die Vorstellung, wie man ihn und Luke dort empfangen würde. Es würde mindestens Torte und Sekt geben und sehr wahrscheinlich platzende pinke Luftballons.

„Und das Lied?", hakte Luke nach.

„Love Song von The Cure."

Das passte, fand Luke. „Willst du dazu tanzen?"

„Nur für dich oder für alle im Club?"

Im Rückspiegel sah Luke das entzückende Lächeln, das mit Gabriels Worten einherging. Zugegebenermaßen hatte er tatsächlich an eine neue Nummer im Elysium gedacht, doch eine ganz private „Vorstellung" seines Tänzers war noch um ein Vielfaches verlockender.

„Nur für mich", gab er also zu und grinste in den Spiegel, damit Gabriel es sehen konnte.

„Nach allem, was passiert ist", begann dieser nun in einem ungewohnt nachdenklichen Ton, „bin ich nicht sicher, ob ich das überhaupt wieder machen möchte."

Lukes schwieg, abwartend, was sein Engel genau meinte.

„Für Männer im Club tanzen, auf dem Tresen", sprach er es aus.

„Du tanzt doch für dein Leben gern!", wandte der junge Sergeant ein, „Du kannst doch damit nicht aufhören?"

„Nein, ganz sicher nicht. Aber vielleicht sollte ich es woanders oder unter anderen Voraussetzungen tun. Ich könnte es anderen beibringen ... oder es professioneller angehen. Beim Theater oder so. Ich möchte mich weiterentwickeln."

„Du meinst, du möchtest das nicht mehr machen, um die Typen im Club anzuheizen ...", dachte Luke laut, „sondern um dich auszudrücken."

„Ja, genau."

„Das gefällt mir gut, wenn du es so willst und ich trotzdem noch eine private Vorstellung kriege."

„Du bildest dir ja ganz schön was ein, Sergeant!", feixte Gabriel so laut, dass Oscar kurz aufschaute, gähnte, nach vorn blickte, „Wir sind ja immer noch nicht da", murmelte und weiterdöste.

„Das tue ich."

„Dann mach dich auf was gefasst!"

„Auch das tue ich", bekräftigte Luke und konnte sich nicht gegen den Gedanken und das Gefühl wehren, mit seinem Süßen das ganz große Los gezogen zu haben. Gabriel war einfach der Beste. Und er war nicht nur heiß, er gehörte auch zu ihm. Nur zu ihm.

„Was denkst jetzt du, wenn du so grinst?", kam es vom Rücksitz.

Hatte Luke das getan? Er fühlte sich ertappt, jedoch auf eine gute Weise.

„Ich grinse, weil ich mit dir einer Meinung bin und dich so wahnsinnig liebe."

Gabriel lächelte und schwieg, ebenso auf eine gute Weise.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 08, 2023 ⏰

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