Mr. Baker Teil23

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Oscar und Luke sahen sich ratlos an. Welche Antwort könnte man einem Vater geben, der sein Kind auf so brutale Art und Weise verloren hatte. Und was erhoffte sich der Mann von seinem Erscheinen hier im Club? Mister Baker saß schwer atmend da und Luke nahm ihm das leere Glas vorsichtig ab, damit er es nicht versehentlich mit den Händen zerdrückte.

„Sir, es tut mir ganz furchtbar leid, was ihrem Sohn widerfahren ist. Jeder hier ist geschockt und wir versuchen alles, was uns möglich ist, um so etwas zu verhindern."

Oscar neben ihm nickte und sah aus, als wolle er auch etwas sagen. „Können wir etwas für Sie tun? Was wollten Sie sehen?"

Mister Baker zog krampfhaft die Luft durch die Nase ein. Es fiel ihm alles andere als leicht, das zu sagen, was auch immer es war. „Ich", begann er, „ich... wollte das hier sehen... Diesen Club, wo sich Jungs treffen, mit anderen... mit Männern... ich..."

Luke schien jetzt ein Licht aufzugehen. „Sie meinen, sie wollten eine Gay Bar sehen."

„Nein", fuhr der Vater fort, „ich wollte sehen, wo Andy... seinem Mörder begegnet ist." Ohne weitere Vorwarnung fing er jetzt an zu schluchzen und zu weinen. „Ich... ich hätte das nicht machen dürfen... Es ist... meine Schuld."

Luke und Oscar sahen sich an. Der Mann konnte nicht schuld sein, wie kam er darauf? „Sir", wandte sich Luke an ihn, während Oscar ihm eine Serviette reichte, „Sir, das ist die Schuld von niemandem, außer von seinem Mörder. Okay? Sowas dürfen Sie nicht denken..."

„Aber sie hat... es gesagt, sie... hat es gesagt."

„Wer sagt sowas?"

„Seine Mutter..."

Der junge Sergeant wartete jetzt ab, bis sich Mr. Baker mit der Serviette geschnäuzt hatte. Dann begann er einen neuen Versuch, den Mann ein wenig zu trösten. „Ihre Frau ist genau so verletzt wie Sie, Sir, ganz sicher meint sie es nicht so."

„Doch, sie meint es so und sie hat Recht. Ich... ich habe ihn fortgeschickt... es ist meine Schuld."

Jetzt warf Luke einen Blick zu Oscar. Was sagte man denn nur, wenn sich ein Vater in so einer Situation wiederfand? Oscar zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich rufe ihm ein Taxi", sagte er dann. „Wir sorgen dafür, dass Sie nachhause kommen, Mr. Baker."

Als er das Wort nachhause hörte, schüttelte wiederum ein Schluchzen den ganzen Körper von Andys Vater. Luke überlegte jetzt, dass er sicher unter Schock stand. „Gibt es hier irgendwo eine Decke?", fragte er. Der Ältere nickte und holte eine aus einem Garderobenschrank für die Mitarbeiter. „Hier." Er legte sie Mr. Baker um.

„Sie konnten nicht wissen, dass so etwas passieren würde, Sir. Wenn Sie das geahnt hätten, dann hätten Sie ganz sicher anders gehandelt."

„Wer macht denn bloß sowas?", kam es nun von Mr. Baker. Die Frage war rhetorisch gemeint. Er erwartete keine Antwort darauf. Umso überraschter war er, als Luke tatsächlich eine Antwort gab. 

„Sir, das war ganz sicher keiner von uns. Was ich damit sagen will ist, es war keiner hier vom Club und ganz sicher war es auch kein anderer Typ, der wie ihr Sohn auf Männer steht. Das war irgendein extrem gestörter Mensch, der ihn ausgewählt hat, weil er jung und attraktiv war und der genau das zerstören wollte. Aber das tut er nicht ungestraft, das kann ich Ihnen versichern." Luke sollte vielleicht etwas Anderes sagen. Vielleicht war Mr. Baker nicht ganz unschuldig am Schicksal seines Sohnes. Vielleicht wäre Andy am gestrigen Abend ganz woanders gewesen, wenn er nicht von zuhause weggejagt worden wäre. Aber das war jetzt nicht mehr zu ändern, also warum sollte er einem verzweifelten Vater den Trost verwehren? Es war schrecklich, dass dem Mann erst auf so eine Art und Weise deutlich werden musste, wie sehr er seinen Sohn geliebt hatte. Egal, ob schwul oder nicht. Mr. Baker schien das zu verstehen. Er schaute Luke jetzt auf eine Art und Weise an, die zu sagen schien, dass er ihm dankbar war für diese Worte und sogleich mischte sich ein Ausdruck der Reue mit hinzu. „Es tut mir leid, dass ich... schlecht von euch gedacht habe", sagte er dann mit gebrochener Stimme.

„Ist schon gut, Sir. Gehen Sie nachhause und trösten Sie ihre Frau. Wir kümmern uns hier um alles."

„Er war ein guter Junge..."

„Ganz bestimmt war er das." Luke schaute dem Mann in die Augen, um seine Worte zu bekräftigen. Er würde sich noch mehr ins Zeug legen als bisher und er tat es nicht nur für die guten Jungs wie Andy oder Jamie, er würde es auch für ihre Väter und Mütter tun. Mr. Baker weinte noch immer, als Oscar ihm eine Hand auf die Schulter legte und meinte, das Taxi sei da. ER gab ihm noch eine Serviette. Inzwischen stand auch Ginger im Türrahmen und Luke fragte sich, wann ihm wohl entgangen war, dass er zu ihnen gekommen war. Vielleicht hatte er sich um das Taxi gekümmert? In jedem Fall schien er zu wissen, was los war und er kam jetzt, um Mr. Baker mit aufzuhelfen.

„Wir bringen Sie hinten raus, Mister", erklärte er, „das ist besser."

Mr. Baker nickte. Dann wurde er von Ginger und Luke untergehakt, damit er sich etwas sicherer auf den Beinen hielt. Luke musste daran denken, dass Andys Vater kein alter Mann war, aber er war ein gebrochener Mann. Er würde nie wieder der Gleiche sein, egal, wann der Täter gefasst würde. Sie führte ihn nun zur Hintertür, in den kleinen Hof und von dort zum Taxi, das am Ende der Hofzufahrt wartete.

„Er sollte nicht allein fahren", beschloss Luke und schaute erst zu Ginger, dann zu Mr. Baker. „Mr. Baker, das ist Gabriel, er wird sie begleiten, okay?"

Gabriel warf Luke einen höchst alarmierten Blick zu. Warum er? Weil Luke als Polizist auf seinem Posten bleiben musste. Aber warum er? „Ich...", begann er einen spontanen Protest, den Luke mit einem einzigen, bittenden Blick beendete.

„Du machst das schon. Geh mit ins Haus oder in die Wohnung, schau, wie es der Frau geht und dann rufst du ihnen einen Arzt, okay? Der kümmert sich dann und du kommst hierher zurück."

Gabriel blinzelte erst, dann nickte er. „Sir, wo wohnen Sie?", wandte er sich an den Mann, der zwischen ihnen ging, als sie das Taxi erreicht hatten. Mr. Baker nannte die Adresse und dann halfen er und Luke ihm ins Taxi. Gabriel stieg mit hinein und Luke klopfte noch einmal auf das Dach des Wagens, wie um seinem Freund Glück zu wünschen. Dann fiel ihm auf, was er gerade getan hatte. Er hatte den ehemals homophoben Vater von Andy mit Ginger in Latex in ein Taxi gesetzt. Er hatte ihn Gabriel genannt und an ihn als Freund gedacht. Das war... neu. 

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