Lukes Version Teil43

690 80 36
                                    

Kaum hatten Waterford und sein Begleiter das Zimmer verlassen, um sich in der Zwischenzeit einen Snack zu organisieren, da kamen Sean und Oscar zurück. Ihre Blicke, vor allem, der von Sean, sagten alles über ihre Neugier zu erfahren, was es Neues gab. Der Anblick von Luke ließ sie jedoch erkennen, dass Fragen, welcher Art auch immer, gerade wohl zu viel wären.

„Lasst uns ... bitte einen Moment allein", bat Gabriel leise, woraufhin Oscar Sean am Arm nahm und ihn wieder hinaus führte.

„Und du komm wieder zu mir, ich ... kann nicht so laut reden."

Luke musste trotz allem, was er gerade zu verarbeiten suchte lächeln. Dann tat er, wie ihm sein Engel geheißen hatte und kam zu ihm in sein Bett. Sie legten sich beide von Angesicht zu Angesicht gegenüber auf die Seite und Luke griff nach Gabriels Hand.

„Was willst du mir sagen?", flüsterte er selbst. Auch ihm fiel das Sprechen noch immer nicht leicht.

„Dass du nichts dafür kannst, was dein Freund getan hat. Wenn du das ... irgendwie geahnt hättest, dann hättest du auch was unternommen."

Luke schaute in Gabriels tiefgrüne Augen, was ihn beruhigte und ihm Kraft gab. Wenn Gabriel das alles hier aushalten und überstehen konnte, dann könnte er es auch. Trotzdem drängte sich ihm der nächste furchtbare Gedanke auf, den er jetzt einfach laut aussprach.

„Wenn ich es früher gemerkt hätte, dann hätte ich Andy retten können oder sogar Jamie", hauchte er. „Auch Blakes Verhalten und was er gesagt hat in letzter Zeit ..."

Gabriel hielt ihn fest im Blick und blinzelte nicht einmal. „Das sehe ich anders ... hätte er mitbekommen, dass du etwas merkst, hätte es dich ... als nächstes erwischt. Und dann Jamie und dann Andy und weiter und weiter."

„Oh verdammt ..."

„Kann man so sagen." Gabriel lächelte ein wenig. Es sollte eine Aufmunterung sein, die es auch war, denn Luke dachte nun daran, wie er und sein Liebster einem furchtbaren Tod ins Auge geblickt hatten und wie schön es war, dass sie hier zusammen und am Leben waren. Für ein paar Minuten lagen sie so einfach nur da und waren es zufrieden, dass der andere lebte und atmete. Alles andere würde sich finden.

Viel zu bald war die Ruhepause vorbei und Waterford klopfte mit Harrington erneut an die Tür des Krankenzimmers. Luke setzte sich langsam auf, während Gabriel tatsächlich fest eingeschlafen war und so hielt er es für besser, wenn er das Weitere übernahm und man seinen Freund vorerst in Ruhe lassen würde. Er musste sehr schwach sein, sonst wäre er wach geworden, als der Superintendant und sein Assistent herein kamen. Waterford schien etwas überrascht, Luke und Gabriel so Seite an Seite zu finden.

„Oh, Sie beide sind ...?"

„Ja, sind wir. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir ihn schlafen lassen. Er hat viel durchgemacht und ich kann Ihnen berichten, was ich von ihm weiß." Der junge Sergeant schaute ernst zu seinem Vorgesetzten, dann zu Harrington, der erst ein Diktiergerät anschaltete, es Waterford in die Hand gab und sich dann wieder beim Fenster postierte.

„Na schön. Dann sind wir leise", gab Waterford nach, „Hauptsache, wir bringen es hinter uns."

„Danke."

Luke begann jetzt damit, alles, woran er sich selbst erinnerte zu berichten. Seine Ankunft in der Wohnung, seine Ahnungslosigkeit, der Cappuccino, das böse Erwachen in dem verlassenen Haus. Auch schilderte er, wie Gabriel dorthin gelangt war und warum. Was seinen Vorgesetzten am meisten interessierte, war jedoch, wie es den beiden jungen Männern gelingen konnte zu fliehen.

„In Ihrem Arztbericht steht, dass Sie unter Betäubung misshandelt wurden und Ihre ... Verletzungen sind nicht gerade harmlos. Wie haben Sie es da geschafft, Siwells zu überwältigen?", fragte er und schaute neugierig.

Siwells. Der Name ließ Luke schaudern, aber der junge Sergeant hatte sich bereits überlegt, was er nun zu sagen gedachte. Lieber wäre es ihm, er könnte von irgendwelchen Superkräften berichten, irgendeinem brillianten Trick, doch so blieb er bei dem was passiert war oder doch zumindest dicht dran.

„Wir waren da schon eine ganze Weile und Gabriel hatte einen Plan. Er kugelte sich selbst die rechte Schulter aus, denn so konnte er seine gefesselten Arme nach vorn bringen, um Siwells mit dem linken zu würgen, wenn er den Raum betrat." Luke sah, wie Waterford nickte. Auch er kannte die Akte über G. O'Reilly, in der zu lesen war, dass der Barkeeper des Elysium Linkshänder war.

„Als es so weit war", fuhr Luke fort, „hat er ihn von hinten überrascht und zu Boden geworfen. Ich bin dann plötzlich hinzu gekommen und hab Siwells überwältigt, indem ich ihn mehrfach mit dem Kopf gegen den Heizkörper geschlagen habe."

„Sie konnten also aufstehen und zuschlagen?", hakte Waterford nach.

„Ja, Sir. Ich tat nur so, als ob ich das nicht konnte."

„Und Siwells, er war dann bewusstlos?"

„Ja. Ich habe Autoschlüssel und Handy an mich genommen und Gabriel und ich, wir sind mit dem Wagen losgefahren."

„Da haben Sie Glück gehabt, dass die Droge nicht mehr wirkte", bemerkte Waterford etwas betont.

„Das kann man wohl sagen, Sir."

„Nun gut", beschloss der Superintendant nun die Aussage. „Wenn wir noch Fragen haben, dann kommen wir wieder und natürlich halten wir Sie auf dem Laufenden, was die Nachforschungen über die Hintergründe der Taten angeht."

Luke war erleichtert, dass es vorbei war und sah zu, wie Harrington das Diktiergerät ausstellte. Waterford schaute nun und wollte ganz offensichtlich noch etwas sagen. Er wartete kurz und gab seinem Assistenten ein Zeichen, auf das der schon mal das Zimmer verließ.

„Luke, mein Junge", begann der Ältere jetzt, „ich kann mir vorstellen, wie Ihnen gerade zumute ist. Sie waren mit dem Kerl zusammen, der das alles getan hat und der an den von Ihnen zugefügten Verletzungen gestorben ist. Aber halten Sie sich eines vor Augen: Sie und der Tänzer hatten Glück und mehr noch, Sie, Luke, haben diesen Serienmörder gefasst. Sie haben getan, was Sie tun mussten. Sie waren im Dienst. Sie sind ein guter Detective und können mit einer Beförderung rechnen. Hab ich mich klar ausgedrückt?"

Der junge Sergeant glaubte zu wissen, was der Mann sagen wollte. „Ja Sir. Danke Sir."

„Gut. Dann wünsche ich Ihnen gute Besserung und ihm auch." Er deutete mit dem Kopf in Gabriels Richtung. „Grüßen Sie ihren Vater von mir, wenn Sie ihn nachher sehen."

„Mach ich."

„Ach ja!", fiel Waterford noch etwas ein, als er zur Tür ging. „Bestimmt wollen Sie nicht mit der Presse reden. Ich lasse Harrington hier, der kann die abwimmeln, falls es irgendwer von denen bis in diesen Flur schafft."

„Danke Sir."

Dann ging der Mann.

Luke seufzte erleichtert. Wie es aussah, hatte er seine Lüge geschluckt. Wenn er etwas gemerkt hatte, dann würde er es für sich behalten.

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt