Cappuccino Teil32

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Luke machte unten in der kleinen Küche das Frühstück, während der Tänzer oben im Bad verschwand, um dort zu duschen und unter der Dusche zu singen. Das war neu und der junge Sergeant spitzte die Ohren, während er herausfand, wie die Kaffeemaschine überhaupt funktionierte. Aber weder kannte er den Song, noch konnte er irgendein Wort verstehen und so kam er darauf, dass es Gälisch sein musste. Er lächelte bei dem Gedanken, dass er und was sie letzte Nacht getan hatten wohl der Grund dafür waren, dass Gabriel so ausgelassen war. Er sang noch immer, als er nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kam und erst als er in der grauen Jogginghose vom ersten Tag und einem Queen T-Shirt die Leiter nach unten herunterkam, endete er den Song. „Hör nicht auf", fand Luke, „das ist sehr schön." Der Lockenkopf lächelte etwas verlegen. „Ich kenne nur dieses eine Lied und das ist zu Ende." Das war wirklich schade. „Dann sing es doch nochmal", schlug der Blonde spontan vor, aber der Tänzer schüttelte lachend den Kopf. „Beim nächsten Mal vielleicht", schlug er vor. Luke ließ es gut sein, denn die Aussicht auf ein nächstes Mal und noch viele weitere nächste Male, war ihm für den Augenblick genug.

In der U-Bahn, auf dem Weg zu Blakes Wohnung am Dorset Square machte sich der junge Sergeant Gedanken darüber, wie sein Ex-Freund, der Anwalt es wohl aufnehmen würde, dass er endgültig Schluss mit ihm machte. Es dürfte ihn nach den Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf den Job beim Yard und die Jungs im Club nicht wirklich überraschen. Auch die Tatsache, dass er sich noch immer nicht bei seiner Familie geoutet hatte, sich also nie zu seiner Homosexualität bekannt hatte, stand schon länger wie ein Elefant im Raum und der Punkt war einfach erreicht, wo Luke nicht mehr darüber hinweg sehen wollte oder konnte. Sie hatten eine zuerst stürmische, in jedem Fall intensive Beziehung gehabt, für die es allerdings unter solchen falschen Voraussetzungen keine Zukunft gab. Luke zumindest kamen diese Dinge falsch vor und das war es, was sie auseinandergebracht hatte. Seine Leidenschaft für den rothaarigen Tänzer war eine logische Konsequenz dessen, nicht die Ursache für die Trennung von Blake. Das müsste Blake einleuchten. Irgendwann zumindest, wollte der Blonde glauben, denn erst würde der Anwalt ganz sicher ausflippen, ihm Vorwürfe machen, auf Ginger fluchen und wer weiß was noch veranstalten. Aber es blieb nichts anderes übrig. Sie hatten sich entfremdet, Luke war neu verliebt. Wenn das bedeutete, dass er sich Vorwürfe und Gemeinheiten anhören musste, dann war es so und er wollte es hinter sich bringen.

Vor dem Haus war Blakes Wagen nicht zu sehen. Das hieß, er hatte den Termin mit den Stadtwerken entweder vergessen, er war ihm scheißegal oder er würde später kommen. Luke seufzte, weil ihm das irgendwie typisch schien. Andererseits hatte er so Gelegenheit, ein paar seiner Sachen zu packen, bevor der Anwalt auftauchte, wenn er das denn überhaupt tat. Sonst würde er eben zur Kanzlei fahren. Wenn es Blake egal war, ob seine Sekretärinnen den Sex im Büro mitbekamen, dann wäre auch egal, wenn sie einen Streit mitbekämen. Es war nicht seine Schuld, fand er zumindest. Er rechnete halb damit, dass sein Ex möglicherweise das Schloss ausgewechselt hatte, aber das war nicht so und als er feststellen musste, dass die Wohnung leer war, machte er sich gleich daran, ein paar Sachen zusammenzusuchen, die er in den nächsten Tagen brauchen würde. Frische Klamotten, hauptsächlich, aber auch ein paar andere eigene Dinge wie Cds und Bücher oder wichtige Unterlagen vom Job oder persönlicher Art. Fuck. Dass es so zu Ende gehen würde, hätte er nie gedacht. Aber er schien auch nie gedacht zu haben, dass es für immer war, denn so richtig viele seiner Sachen waren nicht hier. Das meiste war noch bei seinen Eltern. Zwar wohnte er da nicht mehr seit er achtzehn war, aber als er zur Polizeikademie ging, hatte er nur das Notwendigste mitgenommen, was man auf seiner Bude eben brauchte. Ähnlich war es mit seinem Einzug bei Blake. Er nahm sich vor mit Gabriel zu reden, wenn sich die Zeit dafür ergab, nach dem Job, denn er würde eine eigene Wohnung für sich und den Engel haben wollen. Ganz sicher gab es dafür eine Lösung. Im Badezimmer fand er das teure Afershave, das er von Blake zu Weihnachten bekommen hatte. Es roch gut, also packte er es ein, als er hörte, wie jemand im Treppenhaus hoch kam und gleich drauf öffnete sich die Wohnungstür. „Luke, bist du das?", hörte er den Anwalt rufen. Natürlich sah der sofort, dass jemand in der Wohnung war und eine Reisetasche von Luke stand ziemlich offensichtlich im Flur. „Ja, ich bin's", antwortete er und kam aus dem Bad, sodass sie sich jetzt dort begegneten. „Hi Blake." 

Blake wirkte durchaus überrascht, ihn hier zu sehen, lächelte dann aber. „Wie kommt's, dass du hier bist? Bist du fertig mit dem Job?"

„Das hättest du wohl in den Nachrichten erfahren, meinst du nicht?"

„Du weiß doch, dass ich immer viel zu tun habe", versuchte der Anwalt immerhin eine Erklärung.

„Vor allem weiß ich inzwischen, wie wichtig dir mein Job ist. Oder besser: wie wenig dir das bedeutet, was ich mache. Deswegen bin ich hier." Der Blonde warf seinem Ex-Freund einen abschätzenden Blick zu. Das war deutlich genug, sodass Blake verstehen musste, was Luke zu sagen vorhatte. Trotzdem blieb er ruhig.

„Hör mal, Süßer, du stehst voll im Stress. Sollten wir nicht erstmal vernünftig über alles reden, bevor du... alles kaputt machst? Das lief doch alles ganz chic mit uns beiden."

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Wir streiten nur wieder", gab der junge Sergeant zu bedenken.

„Wir könnten auch was ganz anderes tun. Das war's doch auch wert oder etwa nicht?" Sein Vorschlag klang ganz eindeutig zweideutig und Blakes Lächeln ließ keinen Zweifel daran, dass er sich damit sogar Erfolg versprach. Luke rollte leicht genervt mit den Augen. Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein, zu glauben, mit Sex ließe sich das alles wieder gerade biegen.

„Hör mal, das geht so nicht. Du kannst mich nicht einfach so wieder um den Finger wickeln. Wir haben uns entfremdet..."

„Gib mir wenigstens eine Chance und hör dir an, was ich zu sagen habe." Blake schaute Luke eindringlich an und es schien ihm wirklich viel daran zu liegen, dass er sich und seine Äußerungen noch einmal erklären könnte. „Komm schon", setzte er bittend hinzu, „ich mach uns erstmal 'nen Kaffee und du setzt dich, dann reden wir." Der blonde, junge Mann konnte sich zwar nicht vorstellen, was der Anwalt ihm noch zu sagen hätte, um ihn umzustimmen, aber wenigstens rastete Blake nicht aus und wenn sie wirklich vernünftig redeten war ihm das allemal lieber. Sie gingen also in die Küche, wo sich sein Ex an dem Kaffeevollautomaten aufbaute und dann einen Espresso für sich selbst und einen Cappuccino machte, den er vor Luke stellte, der inzwischen am Tresen saß. Er setzte sich ihm gegenüber und sah ihn neugierig an. „Es ist, weil du dich schlecht behandelt fühlst, richtig?", begann er.

Luke rührte etwas lustlos ein wenig Zucker ein. „Das will ich gar nicht behaupten. Ich glaube nicht, dass du das mit Absicht tun würdest. Aber..."

„Aber es ist so. Hab' ich jemals irgendwas getan, was du nicht auch wolltest? Hab ich irgendwas gesagt, was dich herabsetzt?" Er nahm einen Schluck von dem Espresso und schaute sein Gegenüber über den Rand der Tasse an. Der Blonde überlegte, wie er es sagen sollte, während er sich an dem Cappuccino den Mund verbrannte. „Es ist mehr das, was du nicht getan hast oder was du über die toten Jungs und die Babes im Club gesagt hast", begann er dann. „Du hast deiner Familie gegenüber ein Geheimnis daraus gemacht, dass du mit 'nem Mann zusammen bist, aber du hältst dich für was Besseres."

„Da ist doch wohl auch noch ein Unterschied zwischen jemandem wie dir und mir und diesen Typen, die sich so völlig ungeniert in der Öffentlichkeit zeigen."

Luke verschluckte sich halb. „Das meine ich. Es gibt keinen Grund, warum sie es nicht tun sollten, Blake. Sie sind schwul, wie du, wie ich und sie verstecken das nicht."

„Sie müssten es besser wissen", gab der Anwalt in seltsam strengem Ton zurück. „Zumindest ein paar von ihnen müssten es besser wissen."

Es besser wissen? Was redete er da? „Du redest... als ob... wie... was?" Luke versuchte sich zu konzentrieren. Was hatte Blake gesagt? Er fixierte die Tasse in seinen Händen mit dem Blick, aber sie wirkte verschwommen, auch der Mann auf der anderen Seite des Tresens war verschwommen. War das... Blake? „Ich... mir ist... was... mmmmhhhhh..." Ein hoher Pfeifton sirrte in seinen Ohren, sein Blick verschwamm mehr und mehr, sein Körper wurde schwer, ganz schwer... das war das Rohypnol.

Rainbow WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt