In der U-Bahn ging Luke die ganze Sache mit Blake nochmal durch den Kopf. Sie hatten ganz offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen von dem, was Luke tat und wieso er es tat. Das war gestern Abend nicht nur eine zufällige, schlechte Wortwahl oder eine dumme Laune gewesen. Er schien wirklich der Meinung zu sein, dass Luke kein solches Risiko eingehen sollte, um einen Täter zu fassen, der ihresgleichen brutalst vergewaltigte und ermordete. Und er sieht sie nicht als unseresgleichen an. Dieser Gedanke war zudem auf seine Art verstörend. Wie kam Blake dazu, sich ein abwertendes Urteil, egal welcher Art, über die Jungs im Club, wie Ginger, Sean oder die Gäste, die der liebevoll als „Babes" bezeichnete zu machen? Niemand hatte verdient so zu sterben. Abgesehen davon, gehörten die „Babes" zu allen möglichen, unterschiedlichen Altersgruppen, sozialen Schichten, Berufsgruppen, ethnischen Gruppen oder Bildungsschichten. Das Einzige, was die meisten, abgesehen von Touristen oder anderem neugierigen Partyvolk gemeinsam hatte, war eben, dass sie auf Männer standen. Oder machte sich sein Freund einfach nur zu große Sorgen, dass ihm etwas zustoßen konnte? Vielleicht hätte er ihm öfters von seinem Job beim Yard erzählen sollen und so machte sich Blake vielleicht nur ein falsches Bild von dem, was Luke tat. Er war richtig gut. Er hatte schon andere gefährliche Einsätze hinter sich, sonst wäre er nicht mit Mitte zwanzig schon Sergeant und überhaupt als verdeckter Ermittler tätig. Er hatte eine hervorragende Ausbildung in Nahkampf, war ein herausragender Schütze, besaß kriminalistisches Gespür und er war alles andere als ängstlich. Er hatte bereits in Sachen Kindesentführung, Drogenhandel, Menschenhandel, Geiselnahme und illegale Hundewettkämpfe ermittelt und zur Aufklärung beigetragen. Der einzige Unterschied dieses Mal, war seine Rolle speziell als Lockvogel und seine gewissermaßen größere, persönliche Anteilnahme, weil der Täter ein homophobes Arschloch war. Wobei Luke nicht behaupten würde, dass irgendein Gewaltverbrechen als schlimmer oder weniger schlimm zu bewerten war. Kinder zu vergiften, Flüchtlinge ersticken zu lassen oder Schwule abzuschlachten, war wohl im jeweiligen Ausmaß an Bestialität nicht zu unterscheiden. Er nahm sich vor, Blake in Zukunft mehr einbeziehen. Seit sie sich vor etwas mehr als anderthalb Jahren bei einer Gerichtsverhandlung- Blake als Anwalt, Luke als Zeuge -kennengelernt hatten, war es beiden stets wichtig gewesen, ihre gemeinsame Zeit zu genießen, schöne Dinge zu tun und Pläne zu machen, anstatt über Gewaltverbrechen, Gerichtsverhandlungen oder Polizeiermittlungen zu reden. Jetzt kam es Luke wie ein Fehler vor, den er berichtigen wollte, wenn das alles erst vorbei war. Wenn Blake erst eine bessere Vorstellung von Lukes Job und dessen Bedeutung für ihn hatte, würde er verstehen. Bis dahin allerdings würden sie jedoch erstmal auf Abstand bleiben, denn ihre Meinungsverschiedenheiten waren alles andere als konstruktiv. Die Gefahr, in die er sich mit blondem Haar begab und die Tatsache, dass er den Täter stellen wollte, bevor der ein weiteres Opfer fand, forderten seine ganze Aufmerksamkeit und Klarheit. Darum ging es jetzt in erster Linie.
Auf dem Weg zum Club machte der junge Sergeant einen Zwischenstopp in der Apotheke, um eine Salbe gegen Schwellungen und Blutergüsse zu besorgen. Die könnte gewiss nicht schaden. Als er dann die Treppe zum Loft hinaufkam, hörte er drinnen die Stimmen von Ginger und Sean oder besser: wirklich hören konnte man nur Sean. Ginger sprach nicht, er wurde besprochen.
„...Was du aber auch gleich für Sachen machst. Wie oft habe ich dir gesagt, dass wir dafür unsere Bouncer haben. Die werden gut dafür bezahlt, dass sie euch beschützen. Und es hilft wirklich niemandem, wenn du erst böse hinschlägst und dir dann auch noch mehr hässliche blaue Flecken holst, Babe. Was sollte das denn? Hast du gedacht, dass das dieses Monster war? Der würde Schlimmeres machen als eine Pfütze auf der Bar."
Luke kam herein, sah die beiden in der Sitzecke und räusperte sich, was nicht sofort den gewünschten Effekt erzielte. Erst als Ginger ihn mit „Hi Luke, schön, dass du kommst" begrüßte, hielt Sean in seinem Redeschwall an und drehte sich zu ihm.
DU LIEST GERADE
Rainbow Warrior
Mystery / ThrillerLuke ist ein junger, schwuler Polizei Sergeant bei Scotland Yard und erhält den Spezialauftrag , sich als verdeckter Ermittler in der Londoner Clubszene einzuschleusen. Dort treibt ein brutaler Serientäter sein Unwesen, der seine Opfer betäubt und m...