𝐞𝐜𝐜𝐞𝐝𝐞𝐧𝐭𝐞𝐬𝐢𝐚𝐬𝐭 | 𝐭𝐚𝐞𝐠𝐠𝐮𝐤

⁕fifty-five⁕

"Wann hast du zuletzt etwas gegessen?"

Meine Mum stellte die Frage eher so nebenbei, während sie sich ihren Kaffee zubereitete.
Gewöhnt darüber zu lügen, antwortete ich natürlich mit "gestern Abend, hab mir Pizza aufgetaut". Ich konnte nicht verhindern, dass meine Worte trüb und ein wenig abwesend klangen.
Meine Mutter, die nun gegenüber am Küchentisch saß, interessierte das wohl recht wenig. Sie nahm einen großen Schluck aus der weißen Tasse mit dem grünen Henkel und begab sich mit einem Nicken zurück in Richtung Schlafzimmer.

Mittlerweile ist es über eineinhalb Wochen her, dass ich mich von Taehyung getrennt habe und Mino, Tayyang und Dihyun mir noch einmal gedroht haben, dass wenn ich nochmal was mit ihm versuchen sollte, sie sofort das Bild verbreiten. Ich hasse sie so sehr... Wieso tun sie mir das an??
Die letzten Tage waren die Hölle für mich... Ich habe nur ein paar Scheiben Gurken und einen Apfel in dieser Zeit gegessen. Am liebsten hätte ich gar nichts gegessen... Ich fühlte mich so schlecht, wie der schlimmste Mensch der Welt.
Selbst wenn ich in der größten Hungersnot wäre, ich würde es mir verbieten auch nur ein Stück von fettiger Pizza abzubeißen. Allgemein von allem, was nicht Gemüse oder obst ist.
Meine Waage zeigt das auch an...
Gestern früh waren es 39,9 Kilogramm. Von Tag zu Tag werde ich weniger... Von Tag zu Tag verschwinde ich mehr und mehr.

Ein trauriges Lächeln bildet sich auf meinen Lippen.
Vielleicht übersehen sie mich dann alle und lassen meinen kleinen Körper in Ruhe vor sich hin vegetieren. Alleine...
Aber es ist okay so. Ich kann dann keinem mehr wehtun und mir hoffentlich genauso.
Ich will nicht mehr.
Ich hab keine Lust mehr.
Was lohnt es sich überhaupt noch?
Ich habe nichts mehr, für das es sich zu Leben lohnt.

Meine rechte Hand strich unter den linken Ärmel meines Pullovers entlang meiner zerissenen vernarbten Haut. Zart strich ich an meinem Handgelenk über die zu meiner Pulsader tiefer werdenden Erhöhungen.
Ja, ich hatte es versucht.
Direkt an dem Tag, als ich mit Tae Schluss gemacht habe. So viel Blut hatte ich noch nie auf unseren Badezimmer Fliesen gesehen. Ich liebte dieses Rot... Es war nicht zu grell und ging ebenfalls nicht zu stark ins Bordeaux.
Der perfekte Rotton.

Allerdings hatte dann meine Mum an die Tür geklopft, da ich abgeschlossen hatte und sie auf Toilette musste.
Ich musste abbrechen und schnell das Blut mit Klopapier aufwischen.
So viel Angst erwischt zu werden, hatte ich selten. Dennoch habe ich es geschafft, was mich jedoch nicht stolz machte. Ich hätte auf meine Mutter scheißen und die Schnitte tiefer machen sollen.
Letzten Endes war die Tür ja doch abgeschlossen... Ich bin so dumm...

Der Montag, nachdem ich Schluss gemacht hatte, verlief äußerst unangenehm.
Taehyung und ich saßen ja trotz allem noch nebeneinander. Klar fielen mir seine Blicke von der Seite auf und wie er verzweifelt versuchte mit mir ein Gespräch anzufangen. Er versuchte herauszufinden, was wirklich hinter der ganzen Sache steckte.
Doch ich antwortete nicht. Ich konnte nicht. Nichteinmal angesehen habe ich ihn an diesem Tag und ich muss ehrlich sein, dass mir selten etwas so schwer gefallen ist.

Ich wollte ihn doch ansehen. Ich wollte mir diese Schönheit den ganzen Tag ansehen und sie bewundern. Seine perfekten Gesichtszüge, die dunklen fast schwarzen Augen, welche mich sofort wieder in ihren Bann ziehen würden... Seinen Körper, welchen er mit einzigartigem style in szene setzte, die Silber-blonden Haare und natürlich sein Lächeln.
Es klingt zwar komisch, aber vermisse es, diese Schönheit in Ruhe betrachten um mit jeder Sekunde ihm mehr zu verfallen.

Ein kleiner Schluchzer huschte über meine Lippen und ich strich die Träne, welche sich einen Weg an meiner Wange hinunter bahnte, mit meiner linken Hand aus dem Gesicht.

Genug über Scheiße nachgedacht. Schule fängt in 15 Minuten an. Ich sollte mich beeilen, damit ich nicht zu spät komme...
Also stand ich so schnell ich konnte auf, holte Handy und Rucksack aus meinem Zimmer und zog mir Schuhe plus Jacke im Flur an.
"Tschüss" nuschelte ich wohl eher in die Wohnung, da meine Mum heute etwas später zur Arbeit musste.