61 / Paris

162 16 0
                                    

Die Tage bis zu meiner Prüfung vergingen wie im Flug. Timothy teilte mir während der Fahrt von London nach Marseille mit, dass ich mich vorbereiten sollte. In Paris würden er und ein älterer Kollege, der über Video dazugeschaltet würde, mich abfragen, was man an Grundlagen braucht und ein paar Besonderheiten. An dem Tag sollte ich dann auch mehrere Bilder zu einem bestimmten Thema abliefern.
Ich wachte bereits früh auf und merkte, dass der Tourbus immer noch fuhr. Vermutlich hatte Tyler an einer Raststätte Timothys Fahrerplatz übernommen.
Ich gähnte und setzte mich auf. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass wir erst sechs Uhr hatten. Laut Tyler gestern Abend, sollten wir erst gegen neun Uhr ankommen.
Ich versuchte mich noch etwas hinzulegen, aber ich konnte nicht mehr einschlafen. Allerdings wollte ich mir nicht so viele Gedanken über die Prüfung machen, weshalb ich nicht üben wollte - ich konnte eigentlich alles.
Ich streckte mich und beschloss aufzustehen.
Ich schob den Vorhang bei Seite und holte ein paar Klamotten aus dem Regal über dem Bett.
Der Bus faszinierte mich jedes Mal. Wir fuhren schon seit fünf Tagen damit durch die Gegend und ich war immer noch begeistert.
Ganz hinten war das "Bettenlager", wie Mayla es getauft hatte. Vier Betten, darunter auch meins, waren nebeneinander. Das coole war, dass man die Trennwände abbauen konnte, sodass man ein riesiges Bett haben konnte.
Ich war auf dem Weg zu einem der beiden "rollenden Badezimmer" um mich umzuziehen.
Auf den Weg dorthin kam ich an den anderen acht Betten vorbei. Sie waren nicht weit vom Bettenlager entfernt. Dort schlief die ganze männliche Fraktion aus unserer Gruppe.
Durch eine Tür kam ich zur Lounge - einem Raum mit zwei großen Sofas, die man zu einer kombinierten konnte, und natürlich einen Fernseher.
Ich ging durch eine weitere Schiebetür und fand rechts einen kleiner Raum mit Toilette und Waschbecken. Links war ein Raum mit einer Dusche.
Ich ging in den Raum mit der Toilette und zog mich um.
Als ich fertig war, hatte ich eine schwarze, enge Jeans und ein langärmeliges, graues Oberteil an.
Und was mache ich jetzt?, fragte ich mich. Schließlich entschloss ich mich dazu, mir mein Buch zu holen und im vorderen Teil des Busses darin zu lesen.

Gerade als das zwanzigste Kapitel begann, machte der Bus halt. Durch die Fenster erkannte ich das "Le Grand Paris" Hotel, in dem wir unterkommen würden.
Aufgeregt klappte ich das Buch zu und stand auf, während der Fahrer den Motor abstellte.
Die Sonne muss hier bereits vor mehreren Stunden aufgegangen sein, den sie warf noch lange Schatten.
Auf meinem Weg zu der vorderen Tür kam mir Timothy aus dem Fahrerabteil entgegen. Offenbar war er gefahren und nicht Daniels Bruder, wie ich angenommen hatte.
Er nickte mir nur kurz müde zu und verschwand dann nach hinten.
Zum Glück hatte Timothy die Tür auf manuell gestellt. Das ermöglichte mir die Tür von innen einfach aufzuschieben und rauszugehen, ohne den Motor anzuschalten.
Mit meinem Handy in der Hand ging ich die paar Stufen runter und sah mich erstmal auf dem Parkplatz um.
Auf dem Parkplatz standen drei weitere Autos, in denen sich die aufgehende Sonne spiegelte. Zwischen Hotel und Parkplatz lag noch eine schmale Straße, aber ich konnte schon von hier sehen, dass die Fenster mit bunten Blumen geschmückt waren und die Fassade in einem cremefarbenen Gelbton gestrichen war.
Ich drehte mich kurz wieder zu unserem schwarzen Bus, um die Tür wieder zu schließen, als Tyler plötzlich rauskam.
„Sabrina! Schon wach? Vorbildlich!", meinte er total erfreut. „Möchtest du schon in das Hotelzimmer? Ich wollte uns gerade anmelden", fügte er hinzu.
„Ich würde eigentlich gerne die Gegend erkunden", gab ich zu.
Er lief weiter zum Hotel, weshalb ich hinterher laufen musste.
„Eigentlich wäre es mir lieber, wenn du hier bleibst. Timo wollte dir doch auch gleich noch was wegen der Prüfung sagen?" Er blieb stehen und wartete, ob ihn ein Auto über die Straße ließ.
„Gerade eben hat er mir nur müde zugenickt."
„Er ist auch um zwei Uhr aufgestanden, um uns zu fahren und muss sich noch ein wenig auf deine Prüfung vorbereiten. Du kannst ja morgen erkunden gehen."
Er lief über die Straße, aber ich blieb stehen. „Ich hoffe es", murmelte ich, da ich wusste, wir würden morgen weiter fahren.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es kurz vor Zehn war. Ich lief zurück zum Bus und sah, dass Mayla, Daniel und Jonah schon wach waren. Die drei saßen in der vorderen Lounge. Jonah las etwas, Daniel musterte mein Buch, welches ich da liegen gelassen hatte, komisch und Mayla guckte sich offenbar eine Serie auf dem Handy an.

Pünktlich auf die Minute, um zehn Uhr, schickte mir Timothy eine Nachricht.

Hallo Sabrina,
Bis 20 Uhr sollst du fünf Bilder von dem Stadtleben in Paris machen. Darauf soll das typische Leben in Paris festgehalten werden.
Du wirst wohl oder übel andere Leute ansprechen müssen...

Ich ärgerte mich ein wenig, als Tyler wieder kam. Ich mochte es nicht, fremde Leute anzusprechen.
„Wie siehts aus, kann ich euch von einem kleinen Spaziergang überzeugen?", meinte er fröhlich.
Jonah sah hoch. „Wir sollen wieder zum Soundcheck laufen, richtig?"
Tyler nickte. „Ich gebe euch noch eine halbe Stunde. Das muss reichen, um die anderen zu wecken und damit sie sich fertig machen."
Jonah und Daniel gingen los um die anderen Jungs zu wecken, während ich mein Buch schnappte und hinterher lief.
Ich legte das Buch auf mein Bett und ging zum Bett daneben, um Lise zu wecken.
Zu meinem Erstaunen war Lise schon wach und an ihrem Handy beschäftigt.
„In 30 Minuten laufen wir los, zur Konzerthalle", sagte ich zu ihr, worauf sie etwas abwesend nickte. Ich schob den Vorhang wieder vor ihr Bett und sah, dass Mayla bereits Bailey geweckt hatte.

40 Minuten später liefen wir neben der Seine auf dem Weg zur Konzerthalle. Ich war sah mir alles genau an, um mögliche Motive zu finden. Wir liefen zwar an mehreren Cafés und Restaurants vorbei, wo draußen einige Leute in der Sonne saßen, aber das gab es weltweit und sprach mich nicht an.
Kurz vor der Konzerthalle hatte ich eine Idee. Ich hatte mal etwas von einem fahrenden Eisstand gehört. Das Eis soll fast magisch sein, sagten die meisten. Es gab nur ein Problem: erst einmal finden. Paris war groß und das war nur ein kleiner Eisstand, der darin rumgurkte. Als müsste ich die Nadel im Heuhaufen finden. Und dann hätte ich erst ein Bild - von fünf.
Ich seufzte.

Photography - Why Don't WeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt