P.o.V.: Aleyna
Ich bin noch etwas länger in dem Zimmer geblieben. Alles ist gut gegangen. Es freute mich, dass es geklappt hatte und dass sie jetzt ein ›normales‹ Leben anfangen kann. Mir fiel auf einmal ein, dass ich Ethan einfach stehen gelassen habe und dass Kerem wahrscheinlich gar nicht weiß wo ich bin. Hoppla. Als ich raus lief warteten die beide schon vor der Tür und sahen mich gespannt an. Ich fing direkt an zu grinsen weil ich in diesem Moment so froh war, gute Nachrichten überbringen zu können. „Ihr geht es gut«. »Wirklich?«, fragte Ethan nach. »Ja«, antwortete ich ihm und nahm den Kaffee, den mir Kerem gebracht hatte. »Oh tut mir leid aber ich muss jetzt gehen. Man sieht sich aber, ok?«, verabschiedete sich Ethan. »Ja, kein Problem. Und danke fürs kommen«. »Kein Problem«, sagte er und ging dann auch schon. »Hast du Lust ein Zimmer für Kanurya im Haus einzurichten?", fragte Kerem plötzlich? Sie bekommt ein eigenes Zimmer bei ihm? Stimmt er hatte glaub ich drei leerstehende Zimmer gehabt. Ich wollte ihm gerade antworten bis mir einfiel, dass er mich ignorierte. Ich war nicht wirklich sauer auf ihn aber man kann sich doch wohl einen kleinen Spaß erlauben. Also lief ich einfach an ihm vorbei ohne irgendwas zu sagen, woraufhin er mir hinterher lief. Er sagte auch nichts während wir auf den Aufzug warteten und einstiegen. »Was ist los?«, unterbrach er dann die Stille. Als wir unten ankamen, stieg ich aus und wollte einfach weiter laufen. Er hielt mich an meiner Hand fest und fragte wieder. »Bist du sauer auf mich? Weshalb?« Ich lief wieder an ihm vorbei aber dieses Mal aufs Klo. Hier wird er mir nicht folgen können. Ich wartete hier einfach fünfzehn Minuten lang, weil ich ganz genau weiß, dass er diese fünfzehn Minuten auch auf mich warten wird. Als ich raus lief stand er wie erwartet da. Oh mein Gott ich bin voll auf dem guten Weg. Normalerweise gebe ich bei sowas direkt auf aber jetzt geht es nicht. »Aleyna! Warte!«, rief er und hielt wieder meine Hand fest. Auf einmal holte er aber aus seiner Jackentasche einen Schokoriegel raus. »Ist es weil ich vorhin gegangen bin? Es tut mir leid aber ich dachte, dass es besser wäre wenn du alleine mit ihm redest«. »Oh mein Gott ich liebe Schokolade«, sagte ich nur und ignorierte was er gerade sagte. Ich nahm die Schokolade und seine Hand und lief mit ihm raus. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, weil ich mich so über Schokolade freute aber dieser Riegel hat gerade meine Laune um das Zehnfache verbessert.
Im Auto angekommen, öffnete ich ihn endlich. »Willst du auch?« »Nein, danke«, lehnte er ab. »Aber du bist schon schwach. Als Mann solltest du mehr Stärke haben und standhaft sein. Aber egal besser für mich. Ich habe bei sowas noch nie gewonnen«, erzählte ich stolz und biss endlich rein. »Als Mann? Was meinst du? Ich habe dir, meiner Freundin, Schokolade gekauft damit es dir besser geht und damit du nicht sauer mit deiner Falte auf der Stirn durch die Welt läufst. Für mich macht genau das einen Mann aus, sich auf eine Frau im Leben zu konzentrieren und darauf sie glücklich zu machen«. Das was er sagte war so süß. Und von einem Moment auf den anderen schämte ich mich auf einmal. Ich komme mir so kindisch vor. »Ja. Das stimmt. Tut mir leid. Ich hab es nicht so gemeint«. »Wer hat überhaupt gesagt, dass du gewonnen hast? Vielleicht bist du ja auf meinen Plan reingefallen«, sagte er und sah zuerst mich und dann die Schokolade an. »Willst du doch?«, fragte ich ihn als ich seinen Blick bemerkte. Er nickte und biss dann in den Schokoriegel rein.
Da ich heute sowieso nicht mehr viel vor hatte, konnte ich Kerem überreden heute wieder in der Firma anzufangen. Als wir fertig waren fuhr er mit mir in meine Wohnung zurück um unsere ganzen Sachen zu holen, was gar nicht so viel war. Den meisten Kram den ich nicht brauchte hatte ich aber im Keller also gingen wir in den Keller und sortierten direkt alles aus was ich nicht mehr brauche. »Was ist das?«, fragte er und hielt ein Buch hoch. Ich lief zu ihm und blätterte direkt darin herum. Direkt erinnerte ich mich an alles. Ich liebe es beim Aufräumen Sachen zu finden die man schon komplett vergessen hat. »Dieses Buch hatte ich früher bekommen. Da sind voll viele ›Rezepte‹ drinnen für die man dann Kräuter einsammeln muss, so als eine Art von Medizin. Ich hatte damals sogar schon mehrere Sachen angemischt die gar nicht funktionierten. Irgendwann habe ich es dann aufgegeben. Aus meiner Apotheker oder Kräuterhexe Karriere ist dann leider doch nichts geworden«, erzählte ich ihm und fing dann an zu lachen. Aber anstatt mitzulachen sah er mich ernst und nachdenklich an. Bis er mich dann mit ganz großen Augen ansah. »Bist du die von damals? Die bekloppte die sich mit einem Stein auf den Arm schlug!« »Als ob!« Ich konnte es in dem Moment nicht glauben. »Und was heißt hier überhaupt bekloppt? Du wolltest mir doch nicht glauben«, sagte ich etwas angefressen. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass der Junge Kerem hieß. »Also bist das wirklich du gewesen? Bist du dir sicher? Ich glaube sie hieß nicht Aleyna, sondern-« »Mileena«, beendete ich seinen Satz. »Ja stimmt!« Er fing auf einmal an zu lachen. »Warum Mileena?« »Ich war vielleicht acht oder so aber nicht dumm. Ich sag doch fremden Leuten nicht einfach meinen Namen. Warum bist du eigentlich auf einmal nie wieder gekommen?« »Wieso, warst du verletzt?«, versuchte er mich aufzuziehen. »Ja! Du warst nur ein Grund mehr für mich damals Menschen nicht zu trauen und einen Bogen um sie zu machen«, erzählte ich ihm ehrlich. Damals stand ich richtig auf ihn. »Was? Warum?« »Weil ich damals voll auf dich stand. Und auf einmal von einen Tag auf den nächsten warst du für immer weg. Ich dachte, dass ich nichts verdient hätte und dass halt nichts für mich im Leben bestimmt war. Als würde etwas fehlen...«, in diesem Moment bemerkte ich, dass ich etwas zu tiefgründig war. »Es tut mit leid«, entschuldigte er sich. „Du musst dich doch nicht entschuldigen. Wir waren da Kinder«. »Ich verspreche dir, dass ich dich lasse dich niemals alleine lasse. Ich bleibe bei dir. Vielleicht sind wir nicht immer zusammen aber ich finde einen Weg dich immer wieder zu finden um wieder bei dir zu sein«. In diesem Moment merkte ich wie mir langsam die Tränen kamen. Das war genau das was mir all die Jahre gefehlt hat. Eine Person die überzeugt davon ist an meiner Seite zu bleiben. »Ach so und ich wollte mich noch für das leckere Frühstück bedanken. Es war wirklich lecker aber morgen werde ich uns Frühstück machen«. »Nein!« »Doch! Ich will dir auch was machen«. »Und ich sag dir: nein, ich mache es«. »Warum nicht? Willst du nichts von mir essen was ich selber gemacht hab?«, sagte er gespielt verletzt. »Nein daran liegt es nicht. Ich denke nur, dass ich für dich nie etwas mache, deshalb lass mich doch wenigstens Frühstück machen«. „Aber ich will dir morgen eine schöne Überraschung machen. Also darfst du dich auch mal zurück lehnen und genießen, anstatt dir die ganze Zeit Sorgen zu machen«. »Hat dir mein Essen doch nicht geschmeckt? Willst du deshalb Frühstück machen?«, versuchte ich das ganze umzudrehen. »Was? Nein daran liegt es nicht«, versuchte er mir verzweifelt zu erklären.
Als wir beide uns abgeregt hatten fand er schon die nächste Sache wodurch er mich wieder unterbrach. »Was ist das? Lydia?« Ich drehte mich um und sah wie er meinen gefälschten Ausweis hoch hielt. »Oh man«, sagte ich nur weil ich nicht wusste was ich darauf antworten sollte. Ich nahm den Ausweis von seiner Hand und sah ihn mir nochmal an. »Den hatte ich damals gekriegt als ich sechzehn war. Ethan hatte uns beiden welche besorgt damit wir in Bars konnten. Er war damals erst siebzehn und wollte mich unbedingt mitnehmen auch wenn ich selber nie etwas getrunken habe und eher immer nur auf ihn aufgepasst habe«, erzählte ich ihm. »Willst du mir wirklich erzählen, dass du nicht mal als Jugendlicher daran gedacht hast einen kleinen Schluck zu trinken?«, fragte er in einem sarkastischen Ton, woraufhin ich ihm nur ernst mit einem ›Ja‹ antwortete. »Korrekt!«, antwortete er darauf weil er wohl nicht wusste was er sagen sollte und hielt dabei sein Daumen nach oben. »Aber warum Lydia?« »Keine Ahnung. Ethan hatte irgendeinen Typen gefunden der es halt für etwas billiger gemacht hat. Wir mussten nur ein Bild geben und alles andere hat er sich dann selber ausgedacht. Er dachte wohl ich sehe aus wie eine Lydia. Und die Leute in der Bar auch. Oder die hatte es einfach nicht gejuckt«. »Diese Seite kenne ich gar nicht von dir. Respekt«. »Danke. Es haben viele Respekt vor mir«, antwortete ich gespielt arrogant. Den restlichen Abend verbrachten wir dann weiter mit dem Einpacken und Aussortieren bis wir dann endlich fertig wurden. Ich kann es nicht glauben, dass Kerem meine erste Kinderliebe war oder allgemein meine erste Liebe.
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𝚗𝚘𝚝𝚑𝚒𝚗𝚐
RomanceNach Jahren in denen sie im Kinderheim lebte, zog Aleyna mit ihrer kleinen Schwester aus. Sie lebte das erste Jahr ein bescheidenes und dennoch akzeptables Leben bis sich der gesundheitliche Zustand ihrer Schwester extrem verschlechtert und sie alle...