Kapitel 59

3.9K 201 398
                                    

Okay, Tag drei in der melodramatischen Oberzicken-Drehwurm-Hölle zu Pferd, denke ich, als ich meinen Abgang ins Tal der ewigen Nervenpein mit dem Schließen des Gatters besiegle. Und ja, ich weiß der Titel ist lang, aber unglücklicher Weise bietet die neue Unterrichtsform zu viele negative Aspekte, um sie in einen kurzen, bündigen Namen zu pressen. Denn mal abgesehen davon, dass man bei der Eintönigkeit des im Kreis Reitens – Pardon, ich meine natürlich beim Herumgeführe auf dem Rücken eines Rosses - einschlafen könnte, kann man die anderen Erwählten nicht mal mit viel Fantasie, als reitbegeistert bezeichnen.

Ich dachte, die Show die Trish gestern wegen ihren Schuhen geliefert hat, war das Topping auf dem Dramaqueen-Törtchen, doch das Schlimmste registiert man erst, wenn man neben den anderen auf dem Pferd herumgeführt wird. Wobei das vielleicht die falsche Definition ist, da man diesen Dramaqueenanfall wohl kaum überbieten kann, sagen wir also lieber: Ich hatte keine Ahnung, wie groß das Törtchen ist, bis ich zum ersten Mal auf eines der Pferde gestiegen bin.

Denn von da an, hatte ich das ständige, leise Gemecker der anderen Damen in den Ohren, die sich über Dinge aufgeregt haben, bei denen man nur die Augen verdrehen kann. Ich meine, ich bin von dieser im Kreis Reiterei auch nicht sonderlich begeistert und in meinem Kopf rege ich mich auch über Sachen auf, bei denen andere nur mit den Schultern zucken. Der große Unterschied daran ist bloß, dass ich diese stillen Klagen nicht nach außen dringen lasse und andere damit in den Wahnsinn treibe.

Zum Beispiel die armen Stallmitarbeiter, die den gesamten Morgen ruhig bleiben müssen, während die Erwählten die unmöglichsten Klagen äußern. Von ,,Ahh, wieso stinken Tiere nur so furchtbar? Können sie das nicht parfümieren?" zu ,,Kann ich bitte ein Pferd mit einer anderen Fellfarbe bekommen? Dieses harmoniert so gar nicht mit meinem Hautton" über ,, Ich fordere, dass sofort ein großer Sonnenschirm aufgestellt wird, der den Bereich im Zaun beschattet. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass dieser Reitunterricht meinen perfekten Teint ruiniert" ist alles dabei.

Ich hätte vermutlich schon längst das Handtuch geworfen und mir einen anderen Job gesucht. Oder – was noch wahrscheinlicher ist – meine Hand um den Hals irgendeiner dieser dummen Puten gelegt, um sie endlich zum Verstummen zu bringen. Denn natürlich erwarten diese aufgeplusterten Hühner nach ihrer Beschwerde auch noch, dass sofort etwas gegen diesen Zustand unternommen wird, weshalb sie nicht müde werden, es immer wieder zu sagen und dabei immer gemeiner werden.

Eigentlich sollten wir jetzt mal zu den positiven Aspekten kommen, aber ich muss davor noch Ms. Swans ewige Kommentarflut erwähnen, die die meiste Zeit natürlich mir gilt. Anscheinend sehe ich beim auf dem Pferd Sitzen nicht anmutig genug aus und lächle zu wenig. Letzteres kann ich definitiv nicht bestreiten, da ich zu beschäftigt bin meine Augen wegen den Erwählten zu verdrehen, als das ich noch zu einer anderen Mimikregung fähig wäre. Natürlich findet meine Lehrerin das ebenfalls höchst unangemessen, was bedeutet, dass neben einem Haufen fiesem Gezische auch noch der berühmt berüchtigte ,,Das schickt sich nicht" – Satz ständig meine Ohren füllt.

Aber jetzt kommen wir besser endlich zu dem Gefühl auf dem Pferd zu sitzen, das ich in den letzten Tagen lieben und hassen gelernt habe. Zuerst einmal: Wow! Diese Tiere sind einfach wundervoll. Schön, stark, respekteinflößend – Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie verzaubert ich war, als ich das erste Mal eines aus nächster Nähe gesehen habe. Und erst das Gefühl, wenn ihre Muskeln sich unter dir bewegen und ihre Schritte das rhythmische Hufstampfen aussenden...

Vielleicht liegt es daran, dass ich in meinem ganzen Leben nur einer Handvoll Tiere gegenüberstand, da ich nie die Möglichkeit hatte irgendwo weiter weg aufs Land zu fahren, aber dieses Erlebnis ist etwas ganz Besonderes für mich. Kurz gesagt: Ich liebe es. Doch leider wird das ein wenig von der Tatsache getrübt, dass die Meckerliesen die Stimmung ruinieren und wir immer nur die kleine Runde im Kreis herumreiten, während es um diesen eingezäunten Bereich genügend schöne Landschaften gibt, die man zu Pferd beschreiten könnte.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt