Kapitel 80

2.5K 158 561
                                    

In meinem Kopf beginnt es zu rasen und sofort entscheidet sich auch mein Herz einen Zahn zuzulegen. >>Was ist mit ihm, Cameron?<<, frage ich mit Nachdruck und versuche dabei so ruhig wie möglich zu klingen. Der Spanier sieht nämlich aus, als würde er jeden Moment krepieren, was wohl nicht nur daran liegt, dass seine Lunge die Anstrengung nicht gewöhnt ist, sondern auch an der Panik, die von seinen Gesichtszügen trieft. Abwartend sehe ich ihn an, doch er hängt weiter nur mit gebeugtem Oberkörper da und gibt mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er bald soweit ist zu sprechen.

Tja, und hier kommt wieder mein fehlendes Repertoire an Geduldsfäden zur Sprache, denn anstatt einfach die paar Sekunden untätig rumzustehen, überbrücke ich die wenigen Meter zwischen uns und zerre ihn kurz darauf an seinem Jackett zu der Sesselgruppe in meinem Zimmer. Dankbar lässt er sich darauf fallen und keucht mir dabei noch drei- viermal gen Boden, bevor selbst meine Höflichkeit, meine fehlende Geduld nicht mehr wettmachen kann.

>>Was ist nun mit ihm, Cam? Sprich verdammt nochmal!<<, fahre ich ihn an und gebe ihm dabei anscheinend den nötigen Schubs, den er braucht, denn zumindest beginnt sein Mund endlich damit, erneut Wörter zu formen. >>Er... Er...<< Ja, weiter?, denke ich und kann mich gerade noch davon abhalten mit meinen Armen eine rollierende Bewegung durchzuführen, um ihn zum Weitersprechen anzuregen. Mittlerweile hat sich mein Magen dermaßen verknotet, dass die Verdauung dort wohl, wegen plötzlichem Betriebsausfall, zwangsevakuiert werden muss. Aber, verdammt. Bei den vielen Horrorszenarien, die mir gerade durch den Kopf rennen und dabei glatt einen Oskar für die neuerfundene Kategorie Grausamkeit erlangen könnte, ist das auch kein Wunder.

Panisch fährt sich Cameron durchs Haar und schiebt sich die widerspenstigen Strähnen dabei endlich aus den Augen, während er ein letztes Mal tief Luft holt. >>Er ist auf dem Weg zu seinem Vater, Fait. Er will ihn konfrontieren und nach diesem Video... Ich habe einfach Angst, dass er ihm etwas antut. Verdammt, ich habe wirklich versucht für ihn da zu sein. Ihn abzulenken. Doch er hat nun mal gesehen wie sein Dad die Frau in Schutt und Asche setzt und er glaubt nach diesen schwerwiegenden Beweisen auch nicht daran, dass das eine Lüge ist. Er ist schon seit diesem Abend völlig fertig und zieht sich immer mehr zurück, dennoch dachte ich, dass ich das unter Kontrolle hätte. Aber heute ist ihm wohl wegen irgendetwas endgültig die Sicherung durchgebrannt, er begann damit in seinem Zimmer auf und ab- zu laufen, er hat sich immer wieder die Haare gerauft und vor sich hingemurmelt und ich habe mein Möglichstes getan, um ihn zu beruhigen, aber seine Unruhe hat sich immer weiter gesteigert, bis sie irgendwann zu Wut wurde. Dann ist er plötzlich rausgestürmt und hat gesagt, dass er ihn suchen und mit seinen Schandtaten konfrontieren würde. Ich habe versucht ihn zu packen, aber er hat sich einfach losgerissen. Fait, er hört nicht auf mich und er ist in diesem Moment auf dem Weg zu ihm. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Bitte, hilf ihm<<

Verzweiflung steht in seinen Augen und auch in mir macht sich Panik breit, während sich wieder einmal die schrecklichen Bilder der Hinrichtung in meinen Kopf schieben. Er würde ihm doch nichts tun, oder?, frage ich mich, um kurz darauf festzustellen, dass ich es dem König durchaus zutrauen würde sich an seinen eigenen Kindern zu vergreifen. Schließlich muss es auch einen Grund dafür geben, warum Daimon seinen Vater so dermaßen hasst, ansonsten wäre er wohl kaum das Risiko eingegangen sich ausgerechnet mit den Koslowern zu verbünden.

>>Wo könnte der König sich aufhalten und noch wichtiger in welche Richtung ist Macen gelaufen? Denkst du er hat ihn schon erreicht?<<, blubbert es aus mir hervor, bevor ich überhaupt die Chance habe das alles richtig zu verdauen. Selbst wenn ich es schaffe ihn vorher abzufangen, wie beruhigt man einen Welpen im Durchdreh-Stadium? Schnell vertreibe ich den Gedanken wieder. Darüber kann ich mir schließlich immer noch den Kopf zerbrechen und ob ich die Richtige für diesen Job bin spielt gerade genauso wenig eine Rolle. Cameron scheint nicht zu ihm durchzudringen, also muss ich wohl als Plan B herhalten. Jedenfalls hoffe ich, dass ich noch zum Zug komme und Macen nicht längst damit begonnen hat verbal auf seinen Vater loszugehen.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt