Kapitel 92

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Fassungslosigkeit windet sich seine Wege in mein Innerstes und für einen Augenblick scheint es das Einzige zu sein, das in diesen vier Wänden existiert. Mein Mund steht mittlerweile natürlich so weit offen, als würde ich gleich ein ganzes Ei mit einem großen Happs verschlingen wollen, aber ich bin zu geflasht, um auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Obwohl sich mein Kopf gerade anfühlt wie ein leerer, ungefüllter Hohlraum, wird mein System nämlich dennoch von der Tatsache dominiert, dass ich nie im Leben erwartet hätte, dass Daimon so weit gehen würde.

Mir war zwar bewusst, dass unser kleiner Meinungskampf nicht einfach wird, doch ich hatte mich eigentlich schon als Siegerin eingeplant. Immerhin halte ich hier die Karten in der Hand und sollte deshalb auch die Macht haben, Daimon vor dieser Dummheit zu bewahren. Ohne meine besonderen Fähigkeiten würde dieser Plan schließlich überhaupt nicht funktionieren und deshalb hatte ich felsenfest vor, das zu meinem Vorteil zu nutzen und standhaft zu bleiben.

Doch mit dieser Wunschsache ändert sich plötzlich alles und ich hasse mein Herz dafür, dass es mich dazu verleitet nachzugeben. Na schön, vielleicht ist es ein wenig unfair allein dem pochenden Ding in meiner Brust die Schuld an dem bevorstehenden Chaos zu geben. Immerhin spielen mein Ehrgefühl und die Tatsache, dass ich mir doch noch einen letzten Rest Hoffnung bewahrt habe auch noch eine große Rolle. Denn egal wie notwendig es ist mein Feuer für die Massentötung der Koslower einzusetzen, allein beim Gedanken daran sträubt sich trotzdem alles in mir und ich kann nur hoffen, dass ich diese Mission erfüllen könnte, wenn ich erst einmal Auge um Auge mit ihr im Ring stehe.

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nicht mal eine anständige Überlegung dazu angestellt habe, Daimons Wunsch doch noch abzulehnen. Und obwohl das teilweise aus selbstsüchtigen Gründen geschah, ist mein Widerwille gegen einen derartigen Vertrauensbruch doch die stärkere Partei. Meiner Meinung nach habe ich nämlich, als ich den Spielregeln in dieser Bar zustimmte, auch das Versprechen gegeben, ihm seinen Gewinn am Ende auch zuzugestehen.

Ich kann also nicht einfach ,,Nein" sagen, ohne mir dabei vorzukommen als würde ich unser gemeinsames Band in Stücke sägen. Denn das was ich trotz all meiner Vorbehalte und Ängste am meisten an unserer Beziehung schätze ist die Tatsache, dass ich mich bei ihm fallen lassen kann, obwohl mir meine zynischen Stimmen davon abraten. Ich vertraue ihm auf einem Level, das nur wenige Menschen zuvor bei mir erreicht haben und ich weiß, dass es ihm ebenso geht. Denn er hat nicht nur sein Leben mehrmals in meine Hände gelegt, sondern mir auch sein allergrößtes Geheimnis zusammen mit seiner schlimmsten Schmerzensquelle wie ein Geschenk überreicht. Und ich habe es ihm gleich getan.

Jetzt also ein unterschwelliges Versprechen zu brechen, kommt mir vor als würde ich das Fundament unserer Verbindung zertrümmern und dabei zusehen wie es in sich zusammenfällt. Also muss ich mich wohl einmal in meinem Leben damit abgeben nicht der Logik zu folgen, sondern tatsächlich auf den bescheuerten ,,Hör auf dein Herz"-Allzweckratschlag zu hören. Ich kann nur hoffen, dass das kein Schuss ins Bein wird, denn um ehrlich zu sein habe ich jetzt schon eine Höllenangst davor Daimon in irgendeiner Art zu verwunden. Noch bin ich nicht sicher für welche Methode ich mich entscheiden soll, aber vielleicht wäre es sowieso besser, wenn ich erstmal die angespannte Statue vor mir von ihrem Leid erlöse.

>>Nur damit du es weißt, tief im Inneren nehme ich dir diesen gemeinen Trick krumm<<, erwidere ich mit knirschenden Zähnen, obwohl er es eigentlich nicht verdient hat, noch länger auf die Folter gespannt zu werden. Immerhin hat er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen als für seine Meinung einzustehen und dabei ganz legal seinen Gewinn einzusetzen. Aber da er mir trotzdem in meine Pläne funkt und mich damit mehr als überrascht hat, kann ich mir diese kleine Gemeinheit einfach nicht verkneifen. Er kann wirklich von Glück reden, dass der Plan nicht ganz hoffnungslos ist und was die Erfolgschancen angeht gerade mal einen Minisprung hinter dem anderen liegt. Ansonsten wäre ich vielleicht dazu gezwungen, ihn mit irgendwelchen tückischen Mitteln zu einer Annullierung des Wunsches zu verführen. Und auch wenn diese Methode jetzt ebenfalls nicht ganz flach fällt, werde ich mit einem kurzen Appell an seine Vernunft vorliebnehmen.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt