Kapitel 71

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>>Ich weiß, dass ihr alle die Gerüchte gehört habt. Das düstere Geflüster über die Sinclairs, die als Königsfamilie am Ende der Nahrungskette stehen. Viele vermuteten es, einige taten es von Anfang an als Quatsch ab und einige wenige sind damit in Berührung gekommen, doch niemand hat je Beweise dafür gefunden. Jedoch wird sich das hier und jetzt ändern... Wir sind eine Gruppe aus Rebellen, die all die Jahre für euch nach der Wahrheit suchten und all die Ungerechtigkeiten hautnah von der Straße auflasen, um die einzelnen Punkte zu dokumentieren. Alles in der Hoffnung, dass wir irgendwann genug wären, um einen Widerstand gegen die Königsfamilie durchzuführen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich aufführen, dass wir keine Truppe voller mordender, blutrünstiger Rächer sind, die Gerechtigkeit durch die falschen Mittel erlangen möchten. Wir wollen einen friedlichen Weg finden und in all den Jahren haben wir diesen durch einen gut überlegten Plan geebnet. Denn wir sind hier nicht die Monster... Falls sich Kinder im Raum befinden, empfehlen wir sie umgehend in ihre Zimmer zu bringen, denn das wird kein schöner Anblick werden. Das ist nicht die Glamourwelt und das falsche Lächeln, das die Sinclairs preisgeben, das hier ist die langverschollene Wahrheit. Tja, dann würde ich mal sagen: Clip ab<<

In meinem Bauch kribbelt es aufgeregt, während gleichzeitig ein riesiger Kloß meine Kehle verstopft und mir das Atmen erschwert. Was wird passieren? Welches Gerücht wird sich erfüllen? Die Gedanken rasen durch meinen Kopf und die verzerrte Stimme des Sprechers hallt seltsam darin wieder. Genauso wie die nichtssagenden weißen Lettern, die über den schwarzen Hintergrund tanzten und die gleichen Worte zeigten, die der Sprecher wiedergab. Gerade bevölkert eine weitere Schwarzblende den Bildschirm und ich muss an ihre Empfehlung für anwesende Kinder denken. Meine Angst vor dem folgenden Clip steigert sich um ein Vielfaches und ich rutsche ein wenig nach vorne, während ich gleichzeitig meine trockenen Lippen befeuchte, bevor das Kamerabild plötzlich ein wenig heller wird.

>>Nein. Tut das nicht. Es tut mir leid! Ich musste das tun. Wir hatten nicht genug Geld und meine Kinder... meine Kinder. Sie... sie haben etwas Besseres verdient, als ein paar Krümelchen Brot und eine wässrige Suppe am Tag. Ihr müsst das verstehen. Ich hatte keine Wahl! Ich hatte keine Wahl!<<, schreit eine Frau, während dicke Tropfen über ihre Wange fließen und sie schwere Schluchzer schütteln. Hinter ihr stehen zwei Soldaten, die nicht die übliche marineblaue Uniform tragen, sondern eine die wohl eher mit dem Farbton bordeauxrot beschrieben werden kann. Einer hält sie grob an den gefesselten Händen und schiebt sie mit starrer, unbewegter Miene vorwärts, während der zweite seine riesigen Pranken auf ihre zerbrechlich aussehenden Schultern gelegt hat und dafür sorgt, dass sie sich ruhig verhält.

Doch die Frau denkt gar nicht daran, sondern wiegt ihren Kopf trotz ihres Heulkrampfes und der ansteigenden Verzweiflung störrisch hin und her, während sie versucht deren Hände abzuschütteln. >>Bitte, tut das nicht. Ich sagte doch, dass es mir leid tut. Ich werde es nie wieder tun. Lasst mich gehen. Verdammt, lasst mich gehen<<, schreit sie und windet sich weiter, doch ihre Stimme erhält langsam schon einen krächzenden Klang und ihr Widerstand wird immer schwächer, während ihr Gesichtsausdruck immer verzweifelter wird.

>>Meine Kinder! Sie können das nicht tun! Wer versorgt sie dann... Mein Ehemann ist tot. Sie brauchen mich. Hören Sie, sie brauchen mich!<< Ohne auf ihren Protest einzugeben schieben die Wachen sie weiter bis sie an einer Tür ankommen, die sie kurz darauf aufdrücken.

Mein Atem stockt und ich weiß nicht was ich tun oder denken soll. Mein Verstand ist wie leer gefegt und das einzige, worauf ich achten kann ist diese grausame Szene vor mir. Das finstere Bild, das kurze Zeit heller und dann wieder dunkler wird, als ob sie an mystischen Fackeln oder an in die Wand eingelassene Lampen vorbeigehen würden. An die Hilflosigkeit der Frau und ihre von Angst geprägten Schreie. Ihr langsam bröckelnder Widerstand, mit dem sie sich eigentlich davor bewahren will auf dieses etwas zu stoßen, das anscheinend hinter dieser Tür lauert.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt