Kapitel 85

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>>Ich war blind vor Liebe<<, fährt er fort, während seine Augen es auf magische Weise schaffen durch mich hindurchzusehen, aber gleichzeitig das Gefühl zu hinterlassen, als würde mich sein Blick an der nächstgelegenen Wand festbohren, >>Nicht die Art, an die man bei dieser Redewendung wohl als erstes denken würde, denn es gab niemals eine romantische Anziehungskraft zwischen mir und Elaine. Sie war vielmehr meine kleine Schwester, meine beste Freundin und mein Fels in der Brandung in einem und genau deshalb wollte ich für sie die Sterne vom Himmel holen. Ich wollte ihr Gesicht zum Strahlen bringen und ihr ihren allergrößten Wunsch erfüllen. Und dafür war ich bereit mich gegen den allergrößten Schatz meines Vaters aufzubäumen: sein heißgeliebtes Schichtsystem.

Denn für Elaine war es nun Zeit eine Ausbildung zu beginnen, aber sie wollte nicht ihrer Mutter nacheifern und in einer Küche arbeiten, sondern andere Menschen medizinisch versorgen. Schon am ersten Tag unserer Begegnung schwärmte sie von dem Beruf der Ärztin und als der Schlossarzt schließlich eine Helferin suchte... Da wollte ich alles dafür tun, damit sie diese Chance trotz ihrer Schicht wahrnehmen konnte. Also fälschte ich die nötigen Papiere für sie und natürlich bekam sie den Job, durch ihre immense Begeisterung auch.

Ich erinnere mich noch daran wie sehr ihre Augen an diesem Tag strahlten. Ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen und ich war mir sicher, dass ich die richtige Entscheidung gefällt hatte. Aber dann, ein Jahr später ging alles den Bach runter, als sie sich Hals über Kopf in einen Patienten verliebte, der eines Tages im Krankenzimmer vorbeischneite. Ich konnte es einfach nicht glauben, als ich endlich aus hier herausquetschte, wer denn das Objekt ihres Schwärmens sei. Aus all den Menschen, die tagtäglich durchs Schloss wuselten, verguckte sie sich natürlich ausgerechnet in Géza de Bettencourt – den Kerl, den ich seit meiner ersten Begegnung schon wegen seiner schleimigen, arroganten Art am liebsten die Nase gebrochen hätte. Er ist der Sohn eines hochrangigen Beraters und lässt das auch jeden in einem Umkreis von vier Kilometern spüren, wie du sicher schon festgestellt hast. Er war so etwas wie der Arschkriecher Nummero Uno, der keine Gelegenheit ausließ meinem Vater die Schuhe zu küssen.

Wir beide haben uns gehasst und standen im ständigen Konkurrenzkampf, darum wer dem anderen bessere Sprüche um die Ohren hauen kann, ohne dass unsere Eltern dazwischen fahren. Bei dem Gedanken daran, dass er Elaine zu nahe kommt, schrillten bei mir sämtliche Große-Bruder-Schutzinstinkte, aber ich wiegte mich zunächst in Sicherheit. Immerhin ist Géza das Abziehbild eines Snobs und würde nie etwas mit einem Mädchen aus einer niedrigeren Schicht anfangen – jedenfalls hielt ich an diesem Gedanken fest, bis sich die beiden plötzlich Hals über Kopf in eine geheime Beziehung stürzten.

Ich wusste von Anfang an, dass die Sache für Elaine nicht gut enden würde und versuchte mit aller Kraft ihr die Sache auszureden, doch sie war felsenfest davon überzeugt, dass Géza der Richtige für sie sei. Jetzt wollte ich ihm natürlich noch zehnmal lieber meine Faust ins Gesicht donnern, aber ich wusste, dass ich die Freundschaft mit Elaine danach vergessen kann, also hielt ich die Füße still. Nur ab und zu wagte ich mich so weit vor, ein paar Zweifel zu äußern.

Doch anscheinend war das auch schon zu viel, denn sie warf mir regelmäßig vor, Géza keine Chance zu geben und starsinnige Vorbehalte ihm gegenüber zu haben. Wir trafen uns immer seltener, während dieser kleine Parasit jetzt immer öfters im Schloss auftauchte, um sie zu sehen. Normalerweise wohnte er nur Besprechungen bei, um von seinem Vater zu lernen oder hinterließ seine Schleimspur auf Bällen, aber jetzt schien es fast so, als hätte er sein Lager in diesen Gemäuern aufgeschlagen.

Ich änderte die Taktik und versuchte die gemeinsame Zeit mir ihr einfach nur noch dazu zu nutzen Spaß zu haben und das Géza-Thema zu meiden. Aber es war egal, was ich tat oder sagte, Elaine wandte sich immer weiter von mir ab. Es war fast so, als würde es dieser Bastard extra darauf anlegen, mir die einzige Person auszuspannen, mit der ich ein enges Verhältnis pflegte. Und wie ich später erfuhr lag ich mit dieser Vermutung gar nicht mal so falsch.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt