Kapitel 43

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Sie hat mich gefunden!, ist das erste, was mir durch den Kopf schießt, als ich Julianas Stimme hinter mir vernehme. Meine zweite Reaktion ist selbstverständlich meine Beine in die Hand zu nehmen und mich unter den Büffettisch mit der langen Tischdecke zu verkrümeln. Jedenfalls wäre das der Plan gewesen, wenn Cameron mich nicht immer noch fest im Griff hätte, also begnüge ich mich damit, dem spanischen Prinzen einen panischen Blick zuzuwerfen, den er mit einem breiten Lächeln quittiert.

Und schon dreht er uns beide so, dass wir direkt in Julianas freudig glitzernde Augen sehen können. Er sieht dabei natürlich aus wie ein kleiner Welpe, dem man nachträglich in einer Bearbeitungsapp ein fettes Grinsen aufgemalt hat, während ich wie vom Donner gerührt da stehe, weil ich naiver Weise beim Betreten des Ballsaals nicht mehr daran gedacht habe, dass eine entlaufene Bärenmama nach ihrem neuaufgenommenen Jungen fahnden könnte. Ein großer Fehler wie sich herausstellt, denn obwohl ich Cameron, der locker einen Arm über meine Schulter gelegt hat, mit meinen Soldaten Skills übers Kreuz legen könnte, verzichte ich heute ausnahmsweise auf eine kleine Talenteinlage. Denn eines ist sicher: Juliana lässt sich nicht so leicht abschütteln.

>>Ja, ich habe sie eben gefunden, Mutter. Aber da ich selbst neugierig auf unsere kleine Rebellin war, habe ich sie mir eben für ein paar Minuten ausgeliehen. Ich hoffe das hat deine Pläne nicht allzu durcheinander gewürfelt. Verkupplungen sollen viel Zeit brauchen<< Bei Camerons Worten klappt mir prompt der Mund auf. Verkupplung?! Das kann nur eines bedeuten, Juliana ist tatsächlich verrückt genug mich und Daimon zusammenbringen zu wollen. Keine allzu große Überraschung sollte man meinen, aber es ist nun mal etwas ganz anderes, wenn Personen abstruse Pläne in die Tat umsetzen wollen, als wenn die seltsamen Fantasien einfach nur in ihren Köpfen herumschwirren.

Letzteres wäre mir eindeutig lieber, aber das Leben ist mir wie immer nicht wohl gesonnen genug, um mir diesen Wunsch auch zu erfüllen. >>Schon gut, Cameron. Aber jetzt zu dir, meine Liebe. Wo warst du denn die ganze Zeit? Daimon und ich haben auf dich gewartet! Schließlich dauert der Ball nicht ewig und ich möchte euch beide noch tanzen sehen, bevor ich mit geschlossenen Augen im Sarg liege. Bestmöglich will ich nämlich auch noch ein Gast auf eurer Hochzeit sein, also solltet ihr wirklich aufhören euch so zu zieren und anfangen in die Gänge zu kommen! Ich weiß, so eine Hass-Liebe ist besonders temperamentvoll und schwierig, aber wir wollen das Feuer ja auch nicht ausbrennen lassen, bevor es richtig anfängt. Nicht wahr?<<, quasselt die Königin mal wieder ohne Punkt und Komma auf mich ein. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Gehirn fähig ist, alle Informationen in dieser Schnelligkeit aufzunehmen, aber es ist wohl besser, wenn ich einige Sachen einfach überhöre. So oder so, es ist Zeit die Notbremse zu ziehen.

>>Juliana, ich bitte dich, das mit Daimon und mir wird nichts, okay? Zum einen verstehen wir uns nicht besonders gut und zum anderen sind wir viel zu unterschiedlich, um ein gutes Paar abzugeben. Dieses Feuer, das du da zu sehen scheinst, ist bloß leicht entzündliche Luft, die entsteht, wenn zwei Menschen sich nicht länger als zehn Minuten allein im selben Raum aufhalten können, ohne dem anderen an den Kragen zu gehen. Das nennt man mürrische Spannung und nicht komplizierte Liebe<<, versuche ich ihr das Ganze bestmöglich zu verklickern.

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich durch Julianas Anwesenheit nicht nur neue Faimon Kommentare zu hören bekomme, sondern auch die Möglichkeit verpasst habe, zu erfahren, weswegen Cameron sich mir anvertraut hat. Und diese Frage brennt mir beinahe die Haut unter den Fingernägeln weg. Es kann ja sein, dass es Menschen gibt, die offener mit Fremden umgehen, aber dass mir der Prinz nach meiner direkten Frage gleich sein größtes Geheimnis entgegenschleudert, kommt mir schon sehr seltsam vor.

Leider muss ich dieses Rätsel aber auf einen anderen Zeitpunkt verschieben, da hier gerade ein seifenopernwürdiges Verkupplungsdrama aufzieht und mich ins Zentrum nehmen möchte, wie das Auge eines Tornados. >>Sicher, dass du nicht sexuelle Spannung meintest?<<, fragt Cameron in seinem besten Unschuldston, was das Bedürfnis ,ihm einen hübschen Schlag auf den Oberarm zu verpassen nicht im Geringsten mindert. Eigentlich hatte ich auch vor mein selbstauferlegtes Gewaltverbot zu brechen, aber natürlich muss auch seine Mutter, auf meine Antwort, einen Kommentar abgeben.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt