Kapitel 3

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Mein Herz setzt einen Schlag aus. Dann noch einen. Ich glaube, ich stehe kurz voreinem Herzstillstand. Nein, warte es schlägt wieder. Kein Grund zur Sorge. Was mir aber Sorgen bereitet, ist der Mann, der immer noch ganz nah hinter mir steht. Kurzerhand drehe ich mich so rum, dass die Säule links von mir steht und schlage meine Kapuze von meinem Gesicht, damit ich meinen Entdecker besser erkennen kann. Er ist groß, mit einem sportlichen Körper, der in einem teuren dunkelblauen Anzug steckt. Sein schmales Gesicht wird von sandbraunen Strähnen umrahmt. Außerdem funkeln mir zwei blau-grüne Augen entgegen. Alles in einem also ein recht attraktiver Kerl.


>>Kann ich dir irgendwie behilflich sein?<<, frage ich, nicht gerade erfreut über sein auftauchen. >>Na ja, du könntest mir sagen, was so ein schönes Mädchen hier alleine ganz abgeschieden macht<<, meint er und lächelt mich an. Oh Gott, was für ein Charmeur. Ich sollte das Gespräch schnell zu Ende bringen, damit ich weiter nach dem General Ausschau halten kann. >>Ich verstecke mich und Gesellschaft ist dabei kein sehr nützliches Unterfangen. Also...<<, antworte ich ehrlich und mache eine Handbewegung, die ihm eigentlich klar machen sollte, dass er die Fliege machen soll.

Aber anstatt meiner Forderung Folge zu leisten, fängt er aus heiterem Himmel an zu lachen. Zu lachen! Völlig aus dem Konzept gebracht, starre ich ihn einige Minuten einfach nur an. >>Ich habe noch nie so ein Mädchen wie dich getroffen<<, bringt er schließlich nach dem Abflauen seines Lachanfalls hervor. >>Warum? Weil eine meiner Haarsträhnen weiß ist oder weil ich schwarz trage?<<, frage ich genervt. Der Typ hat sie nicht mehr alle, unterhält sich eine Minute mit mir und denkt schon er könnte sich ein Urteil über mich erlauben.

>>Deshalb auch. Aber vor allem, weil du mir auf nicht sehr sanfte Weise klarmachen wolltest, dass ich verschwinden soll<<

>>Na und, bei der Schleimspur die du legst, ist das ja auch kein Wunder<<, meine ich empört. Der denkt wohl, er ist die angenehmste Gesellschafft des Jahrhunderts, aber auch sonst wirkt er als wäre er mit mehr als genug Selbstvertrauen auf die Welt gekommen. >>Wenn ich gewusst hätte, dass du arrogante Stinkstiefel lieber hast, hätte ich meinen Bruder holen können<<

>>Es gibt noch mehr von deiner Sorte? Das ist aber wirklich beunruhigend<<, kontere ich. >>Als ob du das nicht wissen würdest. Ich bin schließlich...<<, will er sagen, doch ich unterbreche ihn abrupt als ich aus dem Augenwinkel den General sehe. >>Ich habe wirklich keine Zeit länger mit dir zu plaudern. Also auf Wiedersehen<<, unterbreche ich ihn und bringe einen halbherzigen Abschied über die Lippen. Meine ganzen Sinne sind nämlich auf den General ausgerichtet der sich mit schnellen Schritten durch die Menge bewegt. Sofort hebe ich mein Ballkleid an, um ihm zu folgen, werde aber von einer Hand an meinem Arm aufgehalten. >>Ich muss erst wissen wie du heißt<<, meint er theatralisch und wirft mir ein verschmitztes Lächeln zu. >>Fait Montgomery<<, antworte ich augenverdrehend, bevor ich mich losreiße und ihm den Rücken zu drehe.

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Ich passiere gerade die dritte abseits gelegene Säule (immerhin soll mich meine Familie auch während meiner Verfolgung nicht sehen) und bin meinem Ziel schon ganz nahe, da der General anscheinend auch die Abgeschiedenheit sucht, denn er bewegt sich immer weiter auf mich zu. Doch dann knalle ich volle Kanne gegen eine Wand. Schnell trete ich ein paar Schritte von der potenziellen Wand zurück, um kurz darauf in haselnussbraune Augen zu schauen. Auch der Rest, von den dunkelbraunen, verwegenen Haaren bis zu der geraden Nase und dem markanten Kinn sagen mir, dass vor mir ein Traum von Mann steht, würde er nicht den Mund aufmachen.

>>Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?<<, pflaumt er mich mit seiner tiefen Männerstimme an. >>Kann ich schon. Die Frage ist nur ob du mit deinem mangelnden Maß an Kleinhirn ausweichen kannst<<, schlage ich zurück. >>Du kleines Biest. Du weißt wohl nicht wer vor dir steht. So etwas Respektloses musste ich mir mein ganzes Leben noch nicht anhören<<, fährt er mich offen verärgert an. Der muss aber ganz schön von sich eingenommen sein, wenn er die Du-weißt-wohl-nicht-wer-ich-bin-Karte zieht. >>Dann war wohl niemand in deinem ganzen Leben je ehrlich zu dir<< >>Und du hast in deinem ganzen Leben wohl noch nie was von Manieren gehört<<, fährt er unseren Schlagabtausch wütend fort. >>Mag sein, dann haben wir ja etwas gemeinsam du bist anscheinend nämlich ein richtiger Arsch<<,schreie ich, was zum Glück durch den lauten Lärmpegel nicht auffällt.

Erst da fällt es mir auf, durch die Unterhaltung mit Mister Großkotz hatte ich doch tatsächlich den General aus den Augen verloren. Am liebsten würde ich meinen Kopf gegen die Wand schlagen. Wie konnte ich ihn nur verlieren. Mit neu angefachter Wut sehe ich dem Fremden wieder in die Augen, hätte es ihn nicht gegeben würde der General jetzt meine Bewerbung in den Händen halten. So ein Mist.

Plötzlich spüre ich die altbekannte Wärme durch meine Adern schießen. Oh nein, das ist das sicheres Zeichen dafür, dass ich gleich was in Brand stecken würde. Aber ich habe nicht umsonst so lange meine Fähigkeiten trainiert. Ich muss die Wut einfach nur raus lassen und dafür eignet sich Mister Kotzbrocken bestimmt ganz gut. Also Feuer frei!

>>Deinetwegen habe ich eine sehr wichtige Chance verpasst<<, rufe ich aus und stiere den Kerl weiterhin an. >>Welche denn, einen der Prinzen schöne Augen zu machen<<, spottet er. >>Lass mich raten, du bist sicher bis über beide Ohren in Prinz Macen verknallt<< >>Vielleicht solltest du ein bisschen an deiner Menschenkenntnis arbeiten. Denn ich bin Erstens in keinen verliebt, zweitens sind mir die Prinzen so was von egal und drittens werde ich mich jetzt wieder um meine Zukunft kümmern. Also auf nimmer Wiedersehen<<, blaffe ich ihn an.

Ich wende mich zum Gehen, als plötzlich alles im Raum verstummt, das Orchester, das Gerede, das Einzige was zu hören ist, ist ein lautes Räuspern. Verwirrt drehe ich mich zu dem kleinen Podium um, das ich vorher flüchtig bemerkt habe. Darauf steht ein Mann, der den Eindruck macht als würde er gleich etwas Lebenswichtiges verkünden wollen. Und ich behalte recht für ihn sind die Erwählten der Prinzen tatsächlich eine wichtige Sache. Uninteressiert laufe ich einfach weiter in der Hoffnung den General irgendwo zu erkennen. Ich lausche den ersten Namen nur mit halbem Ohr, zu beschäftigt bin ich damit mir zu überlegen wie ich jetzt weitermachen soll. Doch als plötzlich der Name Fait Montgomery durch den Raum hallt, hat der Redner meine ganze Aufmerksamkeit.

Geschockt schaue ich auf die Bühne, auf der die Namen der Erwählten nacheinander aufgehängt werden. Und tatsächlich auch ein Schild mit meinem Namen findet unter den anderen Platz. Gleichzeitig schießen mir mehrere Gedanken in den Kopf, allen voran die Frage wie häufig der Name Fait Montgomery in diesem Umkreis wohl vorkommen mag. Doch egal, ob wirklich ich diese Erwählte bin, meine Eltern durchkämmen sicher schon den Raum nach mir. Immerhin müssen sie ja sicherstellen, dass sich ihre Tochter nicht ihrer Autorität wiedersetzt hat und sich auf den Ball geschlichen hat.

Und so ist die Suche nach dem General von einen auf den anderen Moment der Mission gewichen hier rauszukommen ohne von meinen Eltern entdeckt zu werden. Also setzte ich meine Kapuze wieder auf und mache das was ich schon mein ganzes Leben gemacht habe: Ich versuche nicht aufzufallen.

Nach wenigen Minuten, die sich wie Stunden anfühlen, habe ich es geschafft aus dem Gebäude zu fliehen. Und zwar ohne besondere Zwischenfälle. Keine neuen Begegnungen mit Männern oder gar mit meiner Familie. Ich nehme eines der in der Auffahrt parkenden Taxis und weise den Fahrer müde an mich nach Hause zu bringen. Während der Fahrt erwische ich mich wie ich mich frage, ob ich nun erwählt wurde oder nicht. Doch ich schiebe den Gedanken so weit weg wie möglich. Auch die Enttäuschung darüber, dass die Bewerbung immer noch in der Tasche meines Umhangs ruht, ignoriere ich gekonnt. Darüber kann ich mir schließlich noch morgen den Kopf zerbrechen.

Bei meiner Ankunft vor unserem Haus entscheide ich mich dazu sofort schlafen zu gehen. So leise wie möglich schleiche ich durch den Dienstboteneingang, um keinen der in den Türen rechts und links Schlafenden zu wecken. Froh darüber, Rocelyn nicht in meinem Zimmer wartend anzutreffen, mache ich mich bettfertig. Eine Konfrontation mit ihr hätte ich jetzt nicht ertragen. Ohne einen Gedanken zuzulassen lege ich mich ins Bett, um mich kurz darauf im Traumland wiederzufinden.




The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt