Kapitel 51

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Kämpf mit mir Flämmchen. Die Worte hallen in meinem Inneren nach. Wandern einmal von meinen Zehenspitzen wieder zurück in mein Gehirn, wo sich dann langsam ein Gefühl der Verwunderung ausbreitet. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das nicht erwartet hätte. Es scheint gleichzeitig zu dem Prinzen zu passen, den ich kennengelernt habe und dann auch wieder nicht. Eigentlich hatte ich vermutet irgendeine Mutprobe durchstehen zu müssen, bei der mein größter Feind mein Kopf gewesen wäre, der mir ständig eintrichtern möchte, was für eine Schnapsidee das Ganze ist. Selbst ein Kuss hätte ich in seinem angetrunkenen Zustand als Aufgabe in Erwägung gezogen, doch das ist nicht nur auf eine Art überraschend.

>>Na gut. Lass das Jackett aber besser an. Wir wollen ja keine Grasflecken in das weiße Hemd machen<<, meine ich, bevor ich ihm ein letztes herausforderndes Lächeln schenke und ihn dann mit den anderen Erwählten am Tisch alleine lasse. Mein Ziel ist natürlich das Stück Wiese, das sich neben den Kieselwegen erstreckt und das bis auf die wenigen Sofas leer steht.

Ich habe mit Dean noch ein paar Mal unter freiem Himmel trainiert und ich muss sagen, dass ich den Rasen dem Trainingsraum immer noch vorziehe. Denn obwohl das Zimmer im Schloss ein umfassendes Arsenal an Übungsmitteln beherbergt, ist das Outdoortraining meiner Meinung nach realitätsgetreuer. Die Wiese ist nicht immer vollständig trocken und es können Steine, Stöcke oder andere störende Gegenstände im Weg liegen. Eine Tatsache, die unter den perfekten Voraussetzungen im Trainingsraum natürlich nicht der Fall sind.

Hinzu kommt die Dunkelheit, die in der Natur zur richtigen Uhrzeit selbstverständlich ist, während sie drinnen erst durch das Ausschallten des Lichts herbeigeführt werden muss. Da es mittlerweile schon nach 20 Uhr ist und der Tag-Nacht-Zyklus trotz der fehlenden Jahreszeiten immer noch intakt ist, wird auch dieser Kampf unter schlechten Lichtverhältnissen stattfinden. Sofort muss ich lächeln. Nicht nur, dass ich gegen einen Gegner kämpfe, den ich noch nicht so wohlstudiert habe wie Dean, jetzt kann ich auch meine Lektion im Dunkelkämpfen wieder auffrischen. Es klingt so, als würde dieses Gruppendate doch noch eine nette Wende nehmen, denke ich, während ich mit meinen Schuhen teste, wie rutschig das Gras ist.

Erst gestern gab es einen längeren Regenguss, doch mittlerweile ist der Boden schon fast wieder getrocknet, weshalb ich mir keine allzu großen Sorgen darum mache, ausversehen auszurutschen. Ungeduldig drehe ich mich zurück zum Pavillon, der im Gegensatz zu dem Wiesenstück hellerleuchtet ist, so dass ich ganz genau erkennen kann, dass sich Daimon noch keinen Millimeter vom Fleck bewegt hat. >>Was ist jetzt? Kommst du? Oder hast du etwa Angst? Du musst das nicht durchziehen wenn dein Herz schon zu schnell in deiner Brust auf- und abschlägt. Wir können mich auch einfach sofort zur Siegerin erklären<<, meine ich, >>Und du darfst dann natürlich den Titel des feigen Huhns tragen<<

Beim letzten Satz wird mein Lächeln noch breiter und ich hoffe, dass genug Licht aus dem Pavillon auf mich fällt, dass er es sehen kann. Verdammt, fühlt sich so eine Retourkutsche gut an, stelle ich fest, während ich meine Lederimitatjacke aus Stoff ein wenig an den Ärmeln hochkremple. Ich weiß gar nicht, was ich lieber hätte, dass er jetzt aufgibt und ich ihn sein Leben lang damit aufziehen kann oder einen netten Kampf im Dunklen auszufechten.

>>Keine Sorge, Flämmchen. Du bekommst dein kleines Duell noch früh genug. Ich wollte mir nur noch einen kurzen Drink genehmigen<<, antwortet er und ich muss ärgerlicher Weise feststellen, dass meine Worte sein arrogantes Lächeln nicht geschmälert haben. Im Gegenteil, er scheint es jetzt als seine neue Mission zu sehen, mich mit dieser totbringenden Warterei in den Wahnsinn zu treiben, denn er flirtet noch eine lange Zeit ausgiebig mit den anderen Damen, während er nach und nach seinen frisch eingegossenen Drink leert.

Dieser Mistkerl, denke ich heute bestimmt nicht zum ersten Mal und beginne mich an das zu erinnern, was meinem damaligen Ich, bei unserem letzten Kampf aufgefallen ist. Zum einen bevorzugt er unbewusst eine Rechts-links-Kombination, was es einfach macht seinen ersten Zug vorauszuahnen. Des Weiteren sind ihm die Bewegungen noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, was entweder bedeutet, dass er unkontrolliert drauflosschlägt oder zu lange braucht, um seinen nächsten Treffer zu koordinieren. Auch seine Abwehr hat letztes Mal ein wenig zu wünschen übrig gelassen, so dass ich mir sicher bin, dass ich den Kampf mit einer guten Deckung und durchdachten Schlägen für mich entscheiden kann.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt