Kapitel 81

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Wir sind gerade mal um die erste Ecke gebogen, als Macens brave Beifußphase abrupt endet und einen erneuten Sturm heraufbeschwört. Zum Glück bemerke ich die Veränderung sofort und kann ihn noch rechtzeitig mit festem Griff am Hemd packen, bevor er eine 180-Grad-Wende vollführt und wie ein rotsehender Stier in die andere Richtung stürmt. >>Bleib hier<<, fauche ich ihn an, was mir einen wütenden Blick des sonst so welpenartigen Prinzen einbringt. Verdammt, denke ich. Läuft heute eigentlich irgendetwas glatt?

Denn wenn ich daran denke, wie knapp ich Macen davor bewahrt habe seinem Vater zu begegnen und dass ich bei dieser Last-Minute-Rettungsaktion auf wundersame Weise natürlich auch noch in einer peinlichen Situation mit Telenovela-Potenzial gelandet bin, lässt mich das schon mal zu einem Nein tendieren. Doch wenn ich jetzt auch noch berücksichtige, dass der Prinz seine Gehirnzellen immer noch nicht unter der Wutlawine wiedergefunden hat, sondern einfach nur einen kurzen Anfall von Gedankenverloren-in-der-Gegend-Rumstarren hatte, drückt das dem Ganzen ein endgültiges negatives Fazit auf. Aber, na schön. Es hat ja auch noch nie jemand behauptet durchgedrehte, menschliche Hundewelpen wären einfach zu handhaben...

>>Du verstehst das nicht, Fait! Ich muss das tun! Schließlich habe ich seine schlimmen Machenschaften über ein Jahrzehnt heimlich von der Tribüne aus mitverfolgt ohne es richtig wahrzunehmen oder mal mein Hirn einzuschalten, um dem nachzugehen. Ich hatte all die Zeit die Möglichkeit die Augen zu öffnen und etwas zu unternehmen, aber ich habe es nicht getan. Diese Frau... Sie ist gestorben, weil ich mich Tag für Tag entschieden habe wegzusehen. Zu übersehen, wie oft sich mein Vater beim Abendessen in hasserfüllten, verblendeten Reden über so genannte Gesetzesbrecher verliert. Zu leugnen, dass es in seinen Augen dieses wahnsinnige Funkeln gibt, wann immer er seine Macht missbraucht. Zu ignorieren, wie Daimon ihm immer mehr Hass entgegenbringt ohne das ich den Grund dafür weiß. Ich - <<

>>Macen, das ist nicht der richtige Weg, okay?<<, unterbreche ich ihn flüsternd, aber dennoch fordernd genug, dass er mitten im Satz abbricht. Tief schaue ich ihm in die Augen, immerzu in der Hoffnunge, damit besser zu ihm durchzudringen. Ich weiß, dass ich mir wirklich was Gutes überlegen muss, damit der Prinz endlich von seinem Trip aus Wut, Schuld und Selbsthass herunterkommt und sich wieder am Riemen reißt. Nicht, dass ich seinen vernebelten Zustand nicht nachvollziehen könnte. Denn auch wenn ich zu meinem eigenen Vater nur wenig Kontakt hatte, würde es mich ebenso schockieren, wenn er sich plötzlich als psychopathischer Menschenverbrenner entpuppt.

Aber das einzige Argument, das in seinem derzeitigen Zustand wohl zu ihm durchdringen würde wäre, dass ich einen anderen Plan habe, um seinen Vater außer Gefecht zu setzen. Leider würde diese Information sofort einen Wissensdurst in ihm entfachen und dafür sorgen, dass er eine riesige Flut an Fragen auf mich herabregnen lässt, die ich ihm eigentlich nicht beantworten sollte. Die Organisation hat sich immerhin zusammen mit Daimon dazu entschieden, es keinem der beiden anderen Brüder zu verraten. Doch welche Wahl habe ich schon? Schließlich können ich und Cameron ihn nicht 24 Stunden am Tag im Auge behalten und auch wenn dieser Anfall vorbeigehen sollte... Wer sagt uns, dass kein weiterer folgen wird?

Unruhig kaue ich auf meiner Unterlippe herum, während ich meine Möglichkeiten abwäge, was wiederum ein gefundenes Fressen für Macen ist, der versucht sich mit einer ruckartigen Bewegung von mir loszureißen. Zum Glück hält mein Griff um sein Hemd stand, doch ewig werde ich mit diesem tollwütigen Kläffer wohl nicht im Flur stehen bleiben können. >>Fait, das ist meine Entscheidung. Du kannst mich nicht davon abhalten, okay? Es ist das Richtige und ich will nicht... ich will einfach nicht mit dem Wissen leben, dass ich immer nur ein Zuschauer in diesem grausamen Film war, der zwar die Möglichkeit hatte einzugreifen, aber nie etwas unternommen hat<<

Der Blick, mit dem er mich nun versieht geht mir durch Mark und Bein, und bevor mein Hirn sich weiter Gedanken zu den Risiken machen kann, bin ich schon dazu übergegangen ein All-in-Manöver zu vollführen. >>Hör zu, Macen. Es gibt da etwas, das du vielleicht wissen solltest, bevor du deinen Vater damit konfrontierst. Aber ich werde dir diese Information nicht in irgendeinem Flur überreichen, in der uns jede beliebige Person hören kann, die gerade vorbeisparzierst. Wir machen also Folgendes: Zuerst gehen wir in den nächstgelegenen Raum, dann verrate ich dir das Geheimnis. Und wenn du dann immer noch der Meinung bist, deine hirnrissige Selbstmordmission ausführen zu müssen, verspreche ich dir, dass ich keinen einzigen Finger mehr krümmen werde, um dich aufzuhalten<<

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt