Kapitel 86

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>>Ich hasse meine besonderen Kräfte, aber auf der anderen Seite tue ich es wiederum doch nicht, obwohl es wahrscheinlich kein ,,andererseits" in diesem Satz geben dürfte<<, berichte ich Daimon, während ich spüre wie mein Herz an Geschwindigkeit aufnimmt. Ich weiß, dass ich mit diesem Satz die Aufgabe bereits erfüllt habe und nichts weiter sagen müsste, doch es gibt einen Teil von mir, der in diesem Moment von innen gegen meine Lippen boxt, damit sie sich zu weiteren Worten öffnen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich diesem Part glauben soll, oder meinen Ängsten, die mich anschreien, nicht zu viel über mich preiszugeben.

Am liebsten hätte ich mir die Haare gerauft oder einmal kräftig mit meiner Stirn gegen die Steinwand geschlagen, damit sich meine Gedanken wieder in Reih und Glied begeben, doch wahrscheinlich ist auch dieser Versuch zum Scheitern verdammt. Deshalb starre ich einfach nur weiter in Daimons Gesicht, das eine Mischung aus Geduld und Zuversicht ausstrahlt, so als wüsste er bereits wofür ich mich entscheiden werde. Was ziemlicher Blödsinn ist, wenn man bedenkt, dass ich mir selbst nicht über meine nächsten Handlungsschritte im Klaren bin und nur wie eine Kuh, die nicht weiß auf welchem Feld sie grasen soll, zwischen meinen Optionen hin-und herschwanke.

Hör auf dein Herz – Das wäre sicherlich Rocelyns Rezept aus diesem Scheideweg-Schlamassel gewesen. Na ja, nicht nur ihre. Denn dieser Ratschlag ist bekanntermaßen ja die Allzwecklösung für alles, die jedes Romance-Buch dir vor die Füße wirft, sobald sich bei der Protagonistin Entscheidungsschwierigkeiten abzeichnen. Doch was sie alle dabei nicht zu bemerken scheinen ist, dass dein Herz nicht einfach so mit der Sprache rausrückt oder deinen richtigen Weg farbig aufleuchten lässt. Nein, es gibt sich inmitten des Urwalds aus Gedankengängen, Gefühlen und Ängsten ja nicht mal zu erkennen, so dass es unmöglich ist genau zu sagen, welche Aussage dir nun das pochende Organ in deiner Brust untergeschoben hat.

Aber ich muss eine Entscheidung fällen, wenn ich hier nicht ewig still vor mich hinträumen möchte, also treffe ich mit mir selbst eine Übereinkunft: Ich werde versuchen ihm meine Geschichte zu erzählen. Wenn die Worte in Strömen von meinen Lippen tropfen – dann sei es so. Aber wenn ich den Mund öffne und die Worte bauen sich irgendwo in meinem Rachen zu einer Art undurchdringlichen Mauer auf, die mir das Atmen erschwert, werde ich meine vorherige Aussage einfach so stehen lassen.

>>Seit ich geboren bin wissen nur eine Handvoll Personen von meinen Fähigkeiten und ich war in deren Augen immer nur ein Freak<<, beginne ich und stelle überrascht fest, wie einfach mir diese Silben über die Lippen kommen, >>Meine Eltern haben mich deswegen verstoßen und wenn ich an die Ärzte zurückdenke, die mich immer wieder untersucht haben, dann ist mir nur das Funkeln in ihren Augen im Gedächtnis geblieben. Die Ehrfurcht. Die Angst. Der Blick, der mich fühlen ließ als wäre ich kein kleines Mädchen, sondern eine abstruse Sensation, die man begaffen kann. Und das alles nur wegen einer Art Gendefekt, der... durch bestimmte Umstände herbeigeführt wurde und der es mir ermöglicht meine eigenen Flammen zu formen und zu nutzen. Diese Kräfte habe ich auch eingesetzt, als ich dich vor den Soldaten in dieser Küche gerettet habe, genauso wie damals als die Koslower ein Feuer im Schloss legten und die Sprinkleranlage auf magische Weise nicht ansprang. Dabei -<<

>>Das war ich <<, unterbricht mich Daimon auf einmal mit gepresster Stimme, >>Es war kein Zufall, dass die Anlage nicht funktionierte. Ich war dafür zuständig, sie abzustellen und ich habe diesen Befehl auch ausgeführt, aber nur, weil mir diese Bastarde versicherten nur ein kleines Feuer zu legen, um Chaos zu stiften und einen größeren Rummel in den Medien zu bekommen. Prinzipiell hätten sie den König schon beim ersten Mal stürzen können, doch ihr Plan war es sich erst einen brutalen Ruf beim Volk zu verschaffen, um etwaige Aufstände gegen die neuen Regierungsvorsitzenden vorzubeugen. Jedenfalls erzählten sie mir damals etwas von einem kontrollierten Feuer, das leicht löschbar wäre, aber dieses Versprechen haben sie mit ihrer Aktion gebrochen. Das Schlimmste ist ja, dass ich es wohl erst bemerkt hätte, als es schon längst zu spät war. Doch dann ist Adrien nicht im Bunker aufgetaucht und ich bekam es mit der Angst zu tun, dass ich jetzt auch noch meinen eigenen Bruder mit meinen Entscheidungen in den Tod getrieben habe.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt