Kapitel 39

4.1K 217 606
                                    

Ich lasse endlich los – all das Kribbeln in meinen Adern, die damit verwachsene Unruhe und die allmächtige Hitze, sowie die durchdringende Kälte in mir. Meine beiden Kräfte strömen nur so aus mir heraus, während ich meine Hände fest auf den Boden presse und alles an ihn abgebe. Nun öffne ich meine Augen und sehe, dass sich um mich ein magischer Kreis zieht, der die Flammen mit dem Frost vereint.

Zu meiner Linken mein knisterndes Feuer, dass über den Boden der Lichtung tanzt und rechts von mir eine Fläche aus weißen Kristallen, die langsam zu einer tödlichen Spitzenlandschaft heranwächst. Der Anblick, der sich mir bietet, macht mich auf diese eine verwerfliche Art und Weise glücklich, die ich immer verdrängen will. Das Gefühl endlich ganz zu sein und dem nachzukommen, wozu ich bestimmt wurde. Schnell schicke ich diese Gedanken wieder zurück in das Loch aus dem sie gekommen sind und lasse die gesammelten Energien weiter in die Erde vor mir strömen.

Sofort muss ich an das denken, was die Ärzte damals zu mir gesagt haben, als sie mich untersuchten und feststellten, wie meine Kräfte funktionierten. Natürlich war ich damals zu jung, um mir die Worte einzuprägen oder überhaupt zu verstehen, was mir der Mediziner mitteilen wollte, doch ich habe meine Akte mit den Ergebnissen und Gedanken von dem Hauptarzt Dr. Forster so oft durchgelesen, dass ich sie mittlerweile sogar im Schlaf aufsagen kann.

Sie ist ein echtes Wunder! Die Energien für ihre besonderen Kräfte scheint sie durch negative Gefühle zu erlangen, doch ein Mindestmaß bleibt auch nach größter Verausgabung immer bestehen, so wie ein Brunnen, der den letzten Schluck Wasser von selbst produzieren kann. Doch ihr Speicher an negativen Emotionen kann niemals endlos sein, weshalb sie noch eine Art unsichtbaren Generator in sich tragen muss, der ihre Fähigkeiten antreibt, wenn ihre Energie schon lange verbraucht ist. Ich muss mich wohl damit abfinden es nie ganz erklären zu können, doch eines ist sicher: Das Kind produziert den Treibstoff für ihre Kräfte genauso unbewusst, wie ein jeder Mensch atmet und vielleicht ist gerade das ein Teil ihrer ,,Magie".

Gerade entleert sich mein Speicher an angestauter Energie, der schon seit einigen Tagen in meinen Venen kratzt und um Ausgang bittet. Es ist jedes Mal ein unangenehmes Gefühl, das mich nicht nur unruhig werden lässt, sondern mich zuweilen auch durch Hitze-und Kälteschauer schickt. Schmerzlich erinnere ich mich an die Zeit vor dem Casting, in der ich heimlich meine Fähigkeiten trainieren und diese Explosionsgefahr vermeiden konnte, doch um nichts in der Welt würde ich mich an diesen Ort zurückwünschen, an dem ich all die Jahre nur ein ungebetener Gast war.

Endlich lassen meine Energien nach und ich kann mich wieder entspannen. Die letzten Überreste strömen gerade aus mir heraus, als ich plötzlich ein Knacksen ganz in der Nähe vernehme. Es ist dieser eine klischeehafte Ton, der einem verrät, dass gerade jemand, oder etwas hinter einem, auf einen morschen Zweig getreten ist. Sofort reiße ich meinen Kopf herum, um über meine Schulter hinweg den Störenfried zu identifizieren.

Fast zeitgleich mit dem Entgleisen meiner Gesichtszüge setzt mein Herz für eine Sekunde aus, dann für eine Zweite. Mittlerweile scheint der Moment auf Slow-Motion geschaltet zu haben, denn in meinen Ohren knistert einzig und allein mein Feuer in einem langsamen, verzerrten Beat. Schließlich pumpt mein Organ wieder Blut durch meine Adern und erstmals finden die panischen Gedanken zurück in meinen Kopf.

Es ist wie eine Lawine aus Stimmen, die sich übereinander schieben, so dass ich nur einzelne Wortfetzen wahrnehmen kann, bis mein Gehör meine Gedanken nur noch als nicht identifizierbare Geräuschkulisse wahrnimmt. Warum? Er. Lichtung. Gesehen. Tot. Verraten - das ist alles, was ich aus dem Wirrwarr entnehmen konnte, doch das Bild vor meinen Augen lässt sich auch ohne weitreichende Gedankengänge begreifen: Es ist aus.

>>Fait... Wie?... ich meine...<<, stammelt Macen vor sich hin, während er sich immer panischer durch die Haare fährt, als wäre das eine Art Wundermittel gegen Unverständnis. >>Du machst das, oder?<<, fragt er beinahe schon ängstlich und zeigt auf den Kreis um mich herum, der immer noch in seiner wunderschönen Abartigkeit besteht, >>Das Feuer und der Frost kommen aus deinen Händen. Ich meine, wie ist das nur möglich?!<<

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt