Kapitel 75

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Erwartungsvoll sehe ich auf ihn herab, während ich ihn am liebsten schütteln würde, damit er eine andere Reaktion zeigt, als das nichtssagende Stück Perplexität, das ich aus seiner Miene herauslesen kann. >>Doch! Es spielt eine Rolle, was mit uns passiert! Ist es wirklich das, was du willst? Einfach das Thema wechseln und all das, was in den vergangenen Stunden passiert ist einfach ignorieren? Kannst du das? Denn ich kann es eindeutig nicht!<< Warum beißt sich dieser Idiot nur so sehr an diesem Thema fest, wenn es viel Wichtigeres zu klären gibt?, frage ich mich, während ich am liebsten laut aufgestöhnt hätte, doch Daimons bohrender Blick hält mich davon ab. Am liebsten hätte ich einfach meine Augen von ihm abgewandt, um das Beben, das meine inneren Mauern gerade erfahren, aufzuhalten, doch dumm wie ich bin, höre ich mal wieder auf meinen Sturkopf anstatt auf meine Logik. Und nun kann ich die Suppe wieder auslöffeln, denn mein Hirn wird prompt von Erinnerungen geflutet, die da absolut nicht hingehören.

Ich will nicht immer wieder erleben, wie wir vor ein paar Stunden noch sorglos auf dieser Picknickdecke lagen und ich mich in seinem inneren Sturm verloren habe. Nicht, wenn das bedeutet, dass es unangenehm in meinem Herzen ziept, obwohl ich ihm das eigentlich verboten habe. Daimon ist nur irgendein Kerl, den du für eine gute Sache gewinnen willst, rede ich mir weiter ein, doch selbst in meinem Kopf hören sich die Worte hohl und absolut nicht überzeugend an. Genauso gut könnte ich versuchen meinen Körper dazu zu zwingen eine Regenbogen-Glitzer-Mischung auszukotzen, damit ich einem Einhornclub in Koslow beitreten kann.

Das einzig Gute, was die Situation gerade bringt ist, dass ich durch meinen versuchten Themenwechsel und den vorausgegangenen Streit genug emotionale Distanz von den Geschehnissen genommen habe, um meinen Sarkasmus in voller Stärke zurückzugewinnen. Oder vielleicht liegt es eher an der Tatsache, dass ich Daimons unvorhergesehene Anwesenheit nach etlichen Minuten endlich verdaut habe? Na ja, so oder so sollte es ohne die emotionale Fait, die ständig all ihre Ängste in ihrem Verstand offen legt, viel einfacher sein Daimon auf Abstand zu halten. Zum einen bin ich in einen Mantel aus Sarkasmus gehüllt viel besser geschützt, als wenn ich mich verhalte wie ein gefühlsloser Eisklotz und zum anderen hat meine Art den Prinzen schon häufiger in Wortduellen besiegt.

Ich habe also nichts zu befürchten. Mein Herz ist ein Hochsicherheitstrakt. Ich werde es schaffen ihm jedes Mal über den Mund zu fahren, wenn er mit verbotenen Themen beginnen will und die emotionale Ich-dreh-vor-Panik-durch,-ergreife-die-Flucht-und-lasse-mich-von-langentwickelten-Komplexen-begraben-Fait kann von mir aus Urlaub in Timbuktu machen. Ich muss einfach nur die Fassung bewahren, denn solange Daimon niemandem etwas erzählt hat, kann ich die Situation durchaus noch irgendwie retten.

>>Wenn du es so genau wissen willst: Ja, genauso hätte ich es gerne! Denn ob du es glaubst oder nicht, ich habe kein allzu großes Bedürfnis danach ,alles was ich über diese verfluchten Fähigkeiten weiß mit jemandem zu teilen, der es ein paar Stunden später vielleicht dem Feind verrät!<< Die Worte kommen bissiger aus meinem Mund, als ich eigentlich geplant hatte, aber meine ständige Angespanntheit gepaart mit meiner haushohen Müdigkeit geben wohl einen guten Nährboden für die Frustration ab, die sich langsam in mir aufbaut. So viel zu meinem Plan ab jetzt die Fassung zu bewahren!

Aber es ist nun Mal nicht einfach sich entspannt zurückzulehnen, wenn noch immer Zweifel und Ängste in einem rumwirbeln, während man versucht sich emotional abzuschotten und gleichzeitig sein panisches Ich auf eine kleine Insel verbannen will! Okay, ruhig bleiben, Fait! Nicht durchdrehen! Schon vergessen? Du wolltest zu deiner normalen Form zurückkehren und alle Sorgen mit einem einzigen humorvollen Kommentar beiseite wischen!

Der Blick, den ich mir daraufhin von Daimon einfange, macht das alles auch nicht besser, da man ihn wohl am besten als eine Mischung aus tödlicher Klinge, Tornado und getretenen Hundewelpe beschreiben kann. >>Ich habe niemandem davon erzählt, Flämmchen. Und eigentlich solltest du das auch wissen<< Sein raues Flüstern jagt mir einen Schauer über den Rücken und das schlechte Gewissen, das sich in mir ausbreitet, ist für einen kurzen Augenblick fast greifbar. Dann schlucke ich es wie alles andere herunter – mal abgesehen von der Erleichterung, die mich durchströmt, wie ein erlösendes Entspannungsserum.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt