Kapitel 27

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Das Feuer bricht in einem riesigen Strahl aus mir heraus. Die Flammen finden ihren Ursprung in meinen Händen, die ich weit von mir gestreckt halte, und scheinen alles in ihrer Umgebung mit einem einzigen Zungenlecken zu verschlingen. Es ist so grausam, dass ich wegsehen muss, doch der Ausdruck auf den Gesichtern der Männer hat sich bereits in mein Gedächtnis gebohrt. Es ist diese haarsträubende Mischung aus Angst und purem Horror, die immer noch vor meinen Augen tanzt, obwohl ich meinen Blick längst abgewendet habe. Genauso wie die gellenden Schreie, die mit dem qualvollen Verbrennen ihres Körpers einhergehen, wird mir auch das, wohl ewig im Gedächtnis bleiben.

Im Raum liegt eindeutig der Geruch nach verbranntem Fleisch und die Luft ist von Rauch geschwängert, dessen giftige Stoffe mir dank meiner Fähigkeiten nichts anhaben können. Nicht mal die kleinsten Anzeichen von Sauerstoffmangel zeigen sich bei mir, obwohl das Feuer bekanntlich den gesamten Sauerstoff für sein Wachstum beansprucht. Doch wenn ich meine eigenen Flammen aufleben lasse, ist es so, als ob das Feuer ein Teil des gesammelten Nährstoffes an mich weitergeben würde. Um mich am Leben zu erhalten und auch die roten Zungen am Leben bleiben.

Langsam fahre ich das Ausmaß meiner Fähigkeit zurück und lasse das Feuer wieder an seinen Platz in meinem Inneren gleiten, bis der Feuersturm in der Küche vollständig versiegt.

Es ist vollbracht, denke ich und selbst in meinen Gedanken hört sich meine Stimme seltsam stumpf an. So als ob alles Leben aus mir gewichen wäre und nur noch eine funktionstüchtige Hülle übriggelassen hat. Eine eigentümliche Taubheit sucht mich heim und sorgt dafür, dass sich mein aufgewühlter Geist entspannt. Dass meine weinende Seele zu einem Hintergrundgeräusch in meinem Inneren wird. Und plötzlich fühlt es sich so an, als wäre nicht ich diejenige, die den Tod über diese sieben Männer gebracht hat, sondern die Protagonistin eines Films, in den ich nur zufällig gestolpert bin. Unsichtbar und unbedeutend in einer Szene, die überhaupt nicht der Realität entspricht.

Teilnahmslos lenke ich meinen Blick wieder nach vorne, wobei mir ein Bild der Zerstörung und des Todes entgegenschlägt. Asche. Überall Asche oder schwarzverkohlte Stellen. Die hölzerne Tür gibt es nicht mehr. Genauso wie die sieben Soldaten, raunt mir eine Stimme zu, die von diesem tauben Nichts, das ich verspüre, anscheinend noch nicht unterdrückt wurde. Es ist die gleiche Stimme, die mir rät, mich von diesem gefühlslosen Ich zu trennen und dem Schmerz gegenüberzutreten. Doch dazu bin ich noch nicht bereit. Nicht so lange, Daimon nicht in Sicherheit ist und ein Stock weiter oben immer noch eine Schlacht wütet.

Ein echter Soldat trauert um die Toten und die Menschen, dessen Leben er genommen hat. Er lässt den Schmerz zu, bevor es ihn auffrisst, doch erst wenn der Kampf vorbei ist und er seine Pflicht erfüllt hat, beginnt seine Trauerphase, höre ich die Stimme meines Kampflehrers Dan, so als würde er jetzt gerade neben mir stehen und diese Worte zum allerersten Mal sagen. Ich schaffe das, wiederhole ich mein neu aufgestelltes Mantra. Ich habe es bis hierher geschafft, also werde ich auch alle zukünftigen Probleme inklusive des Schmerzes meistern, doch jetzt werde ich diesen Mantel der Taubheit erst einmal mit großer Dankbarkeit annehmen. Ansonsten bin ich nicht sicher, ob ich auch nur noch eine weitere Sekunde gerade stehen kann, bevor ich zusammenklappe und als wimmerndes Häufchen Elend zurückbleibe.

Entschieden drehe ich mich zu der unversehrten Tür zum Abstellraum um, die glücklicherweise nichts abbekommen hat. Ich weiß nämlich nicht, ob ich noch so funktionstüchtig wäre, wenn mir Daimon jetzt als gegrilltes Hähnchen entgegenfallen würde. Mein Opfer darf nicht umsonst gewesen sein.

Als ich die Tür mit einem Klicken öffne, ist der Prinz, dem Himmel sei Dank, noch ungebraten, wie ich mit einem Blick feststellen kann. Seine Wangen sind von der Hitze zwar ein weinig gerötet und sein Schlafanzug ist durch etwaige Kämpfe nicht mehr in einem ganz so gutem Zustand, doch ich denke das ist den Umständen entsprechend ,eine recht akzeptable Verfassung. Erleichtert schaut er mir entgegen, anscheinend hat er damit gerechnet einem bulligen Kerl mit einem geschärften Messer gegenüber zu stehen, doch diese Emotion hält nicht lange an, da sie kurz darauf in Wut umschlägt.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt