Kapitel 44

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Ich hasse mein Leben!, denke ich, weil ich mich auf einmal, mehr als unwohl in meiner Haut fühle. Alle Augen im Saal scheinen alleinig auf uns gerichtet zu sein und die Stille, die das Ganze mit sich bringt, ist mir beinahe noch unheimlicher, als alles andere. Wie konnte ich nur in so eine Situation geraten?, frage ich mich und versuche den Reflex, die Augen zu schließen und die gesamte Welt einfach auszublenden, verzweifelt zu unterdrücken.

Ich stand in meinem ganzen Leben noch nie so sehr im Mittelpunkt, wie in diesem Moment und ich muss sagen, jetzt da ich diese Erfahrung einmal gemacht habe, kann ich auf weitere Erlebnisse verzichten. Jedenfalls wenn sie dem hier ähneln, denn obwohl mich das Leben im Schloss an Kameras gewöhnt hat, schreibe ich dieser speziellen Situation doch noch einen ganz anderen Stellenwert zu. Tanzen ist einer dieser Tätigkeiten, die noch nie zu meinen Stärken gehört haben und jetzt mit Daimon, im Zentrum der Aufmerksamkeit, ohne jede Absprache etwas aufzuführen, lässt mein Selbstbewusstsein an seine Grenzen schlagen. Schwächen offen darzulegen ist mir schon immer schwergefallen, doch diese Szene ist für mich quasi das Worst-Cast-Szenario, denn hier gibt es keine Worte, die ich mit Sarkasmus und Trockenhumor von mir stoßen kann, hier gibt es nur einzelne Bewegungen, die zu einem Tanz zusammengeführt werden.

>>Weißt du eigentlich, dass es unhöflich ist ein Gespräch zu unterbrechen?<<, frage ich an Daimon gewandt, um mich irgendwie abzulenken. >>Weißt du eigentlich, dass es unhöflich ist eine Bitte zum Tanz auszuschlagen und anschließend wegzulaufen, um sich einem anderen in die Arme zu werfen?<<, kontert Daimon und zieht provokant eine Augenbraue in die Höhe, bevor er genau in dem Moment, in dem der Sänger am Piano seine Stimme zum ersten Ton hebt, mit mir zusammen den ersten Schritt eines einfachen Walzers macht.

Auf einmal überzieht eine Gänsehaut meinen Körper, während die Zeit den Pausenknopf drückt. Gott, jetzt höre ich mich schon an wie in einem 0815 Klischeeroman, denke ich, doch ich kann nicht leugnen, dass dieser Moment etwas Besonderes an sich hat. Eine Tatsache, die natürlich einzig und allein auf der wunderschönen Stimme des Musikers beruht. Denn nein, liebes Faimon-Fangirl, ich spüre keine atemberaubende Anziehungskraft gegenüber Mister Arrogant und ich habe auch ganz sicher nicht das Bedürfnis meine Lippen auf sein amüsiertes Grinsen zu legen. Okay, es wird dringend Zeit etwas zu sagen. Wenn ich noch länger still bleibe, zermatscht mein Hirn wahrscheinlich durch Monologe, mit unsichtbaren Personen und darauf kann ich nun wirklich verzichten.

>>Hi, Fait. Alles gut bei dir? Du siehst aus, als würdest du mir gleich mit deiner letzten Mahlzeit die Schuhe ruinieren. Also komm streite mit mir, Flämmchen. Das lenkt dich davon ab, wie aufgeregt du bist, mit so einem heißen Kerl wie mir, die Tanzfläche zu rocken<< Na toll, scheinbar versagt mein Pokerface auf ganzer Linie, wenn mir sogar Daimon meine Nervosität ansehen kann. Aber was soll ich denn fühlen, wenn ich mit einem Kerl, der sich nie an die Choreografie hält, ungeübt etwas im Zentrum der Aufmerksamkeit aufführen muss?! Schließlich stecken wir nicht in einem Musicalfilm, in denen die Charaktere, von jetzt auf gleich, völlig synchron eine Tanzaufführung in der Innenstadt abhalten und dabei kein einziges Mal aus dem Takt geraten.

>>Nur in deinen Träumen schmelze ich wegen einem kleinen Tänzchen mit dir dahin. Eigentlich bin ich so kalkweiß im Gesicht, weil ich Angst habe ich müsste mir nach einem deiner Extra-Einlagen wieder den Hals schrubben<<, schieße ich zurück, während wir beide über den Marmorboden schreiten. Zumindest hoffe ich, dass ich dieses elegante Verb in Zusammenhang mit uns legal verwenden kann. Daimon beginnt auf meine Retourkutsche jedenfalls sofort an zu grinsen, weil wir beide genau wissen, dass ich auf den kleinen Nackenkuss beim Tanzduell anspiele. >>Pah, wenn hier jemand Angst haben darf, dann bin ich das! Immerhin bist du mir nicht nur mit voller Absicht auf den Fuß getreten, sondern hast mir auch noch deinen spitzen Ellenbogen in den Bauch gerammt<<

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt