Kapitel 73

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Mit rasselndem Atem renne ich durch die Geheimgänge, die ich eben durch den Schrank in meinem Zimmer betreten habe. Ich muss hier raus, ist der einzige Gedanke, den ich in all diesem Chaos zulasse, obwohl tausend andere hinter einer von mir gezogenen Mauer darauf warten über mir hereinzubrechen. Zum Glück hat mein rationaler Soldatenteil übernommen, der sich einfach nur dafür interessiert, dass meine Beine mich schnell genug Richtung Ausgang tragen. In diesem Moment bin ich überglücklich, dass wir bei unserem Date durch die Geheimgänge verschwunden sind und ich somit Zeit hatte mir den Weg zu merken.

Gerade nehme ich eine weitere Treppe – die letzte für heute – bevor meine schwerer werdenden Glieder und meine überforderte Lunge von mir verlangen ein wenig langsamer zu machen. So richtig hören, kann ich aber nicht auf sie, da ich im Schlossgebäude zu viel Zeit damit verloren habe den Wachen einen langsamen Gang und eine ruhige Art vorzutäuschen. Ich muss einfach weiter, rede ich mir ein und hoffe, dass meine Füße diesem Befehl auch standhalten. Es ist nämlich so als würde ich jeden Moment mit einer Meute mit Mistgabeln und Fackeln rechnen, die irgendwo hinter mir auftaucht und sich eine unerbittliche Jagd mit mir leisten. Wahrscheinlich habe ich einfach zu viele alte Filme gesehen, doch meine Paranoia lässt sich trotz aller Logik nicht abschütteln, so dass ich immer mal wieder einen Blick über meine Schulter riskiere.

Dort empfängt mich jedes Mal natürlich das absolute Nichts, das von ein paar Lämpchen in sanftes Licht getaucht wird, doch mein Magen weigert sich trotzdem sich zu entknoten oder etwas anderes zu tun als Panik auszusenden. Wie konnte es nur dazu kommen? Warum habe ich nicht besser auf meine Fähigkeiten geachtet? Weshalb habe ich mich überhaupt dazu herabgelassen mich mit Daimon zu treffen? Fehler, Fehler, Fehler!, rast es durch mein Hirn und ich weiß, dass meine Mauer langsam zu bröckeln beginnt und das nur der Tropfen auf dem heißen Stein ist.

Also verlagere ich meine Konzentration voll und ganz auf die Tür vor mir, die Daimon und mir das letzte Mal den Weg in die Freiheit gewiesen hat und überlege, was ich als nächstes tun soll. Denn, Überraschung, von Panik und Angst getrieben hatte ich noch nicht die Ruhe mir einen ausgeklügelten Plan zu überlegen, sondern habe immer nur bis zu dieser Station gedacht. Meine Hände erreichen endlich die Klinke der Tür und ich kann mir ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen, als sie sich ohne Probleme öffnen lässt. Ich hätte nämlich nicht gewusst wie ich mit meinem gehetzten Blick irgendeinen Wachmann dazu bewegen sollte mir so spät am Abend eine Limousine zu besorgen.

Doch das wäre nicht das einzige Problem gewesen, da mein Ziel bereits feststeht: Ich muss diese Organisation finden! Immerhin stand das eh auf meiner To-do-List und warum sollte ich aus dem Debakel nicht wenigstens ein kleines Häkchen herauskitzeln? Das trockene Lachen, das bei diesem Gedanken in mir aufsteigen will, schlucke ich genauso runter wie alles andere, was mich bei meiner Flucht behindern könnte. Was bedeutet, dass sich irgendwo in meiner Luftröhre wohl all meine Gefühle, Sorgen, Ängste und die Erinnerungen, an das eben Geschehene sammeln müssen. Tja, das erklärt wohl, warum mir das Schlucken nicht nur so schwerfällt, weil meine trockene Kehle mir meinen kleinen Sprint ohne Pause ziemlich übel nimmt.

Flammen. Erschrockener Gesichtsausdruck. Daimon. Maulwurf. Geheimnis. Weitere Gefühlsregungen brechen durch meinen Wall. Dieses Mal in Form von Erinnerungen. Wage es ja nicht jetzt durchzudrehen, Fait und konzentrier dich endlich!, faucht mir eine vernünftige Stimme in meinem Kopf zu und ich stopfe weitere Lecks in meiner Mauer. Endlich lasse ich die Tür, die ich bis eben noch in den Händen gehalten habe, hinter mir zu schnellen und wäge meine Möglichkeiten ab, von hier zu verschwinden. Immerhin hat meine Logik mich gleich hier hin befördert und nicht erst den verzweifelten und vor allem dummen Versuch unternommen durchs Haupttor hinaus zu schreiten. Zum einen bezweifle ich, dass irgendjemand eine der Erwählten einfach so vom Schlossgelände spazieren lässt und zum anderen ist es wahrscheinlich besser, wenn erstmal niemand weiß, dass ich weg bin oder ahnt wohin ich gegangen sein könnte. Immerhin besteht immer noch die Möglichkeit, dass bald eine Hetzjagd auf mich gestartet wird. Dazu müsste Daimon einzig und allein jemandem mein Geheimnis verraten und seine Aussage mit dem Brandfleck im Gras zusätzlich verstärken.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt