Kapitel 89

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Das plötzliche Gewicht auf meiner unteren Bauchregion ist wie ein plötzlicher Schock, der durch meinen Körper rast, so dass ich mir ein überraschtes Ächzen nicht verkneifen kann. Gleichzeitig öffnen sich meine Augen mit einem ungewollten Ruck und erlösen mich von der selbstauferlegten Blindheit. Doch bevor ich Zeit habe mich an die Dunkelheit zu gewöhnen und meinen Angreifer zu erkennen, legt sich plötzlich ein feuchtes Tuch auf meinen Mund. Ein stechender Geruch steigt mir in die Nase und ich will unwillkürlich den Kopf in eine andere Richtung drehen, aber der Unbekannte hält mich mit einem unbarmherzigen Griff an meiner Wange davon ab.

Es braucht nur eine weitere Sekunde bis ich begreife, dass mich die Flüssigkeit auf dem Stofffetzen zum Wegnicken bringen soll und ich bald keine Kraft mehr für einen Gegenangriff haben werde. Panik flutet meine Sinne, denn schon jetzt spüre ich wie sich eine dezente Schwere über meine Muskeln legt. Mittlerweile kann ich in dem sanften Mondlicht zumindest die Konturen der Gestalt wahrnehmen und so reiße ich die Hand mit dem Dolch unter meinem Kissen hervor, während der Schwung gleichzeitig dafür sorgt, dass mein Oberkörper ein paar Zentimeter von meiner Matratze gehoben wird.

Das spitze Ende des Eises schnellt auf das zu, was ich in der Dunkelheit als den Hals der Person ausmachen kann und keine Sekunde später spüre ich wie sich meine Klinge durch Sehnen und Fleisch gräbt. Unwillkürlich gibt der Angreifer einen Schmerzenslaut von sich, während der Druck auf meinem Mund nachlässt bis er schließlich gänzlich verschwindet. Das hat zur Folge, dass das Tuch durch meine schiefe Lage automatisch bis zu meinen Brüsten rutscht und sich damit nicht mehr genau vor meinen Atemwegen befindet. Doch das alles nehme ich nur am Rande wahr, weil ich in diesem Moment den Dolch mit meinen letzten Kraftreserven wieder herausreiße und mit meinem Arm dann zu einem Schlag gegen die Wunde aushole.

Mein Handgelenk prallt auf die Seite des Halses und sofort spüre ich die dickflüssige Substanz, die sich darauf ausbreitet: Blut. Obwohl mein Schlag nicht allzu viel Wucht hatte, klappt die Person aufgrund ihrer schwindenden Kräfte trotzdem zur Seite weg und der Druck auf meinem Bauch lässt zu großen Teilen nach. Währenddessen lasse ich mich wieder zurück in meine Kissen sinken, weil meine Bauchmuskeln die Anstrengung dieser halbaufrechten Pose nicht länger mitmachen wollen. Ein weiteres Ächzen zwängt sich durch meine Lippen und mischt sich mit den unregelmäßigen Atemzügen meines Angreifers. Mein Herz pumpt immer noch wie wild in meiner Brust und es fühlt sich an als hätte ich einen viel schwerwiegenderen Akt vollbracht als dieses einfache Manöver. Verdammter Bastard, denke ich, als mir das Tuch wieder einfällt, das wohl der Ursprung für meine Erschöpfung sein muss.

Durch meinen schnellen Gegenangriff sollte ich das Mittel für höchstens zehn Sekunden eingeatmet haben, doch das hat wohl gereicht, um meine Muskeln zu verlangsamen und meinem Hirn ein sanftes Wölkchengefühl zu entlocken. Am liebsten würde ich mich kurz ausruhen, doch das ist wohl aus vielerlei Gründen keine gute Idee. Zum einen liefe ich nämlich Gefahr wieder einzuschlafen und zum anderen weilt der Mann, der sich mitten in der Nacht in mein Zimmer geschlichen hat, immer noch unter den Lebenden. Und ich darf einfach nicht riskieren, dass er es während seines Verblutungsprozesses irgendwie schafft nach Verstärkung zu rufen.

Also zerre ich grob sein Bein von meinem Bauch, das glücklicherweise keinerlei Widerstand leistet und richte mich auf. Ein leichtes Schwindelgefühl erfasst mich, während ich das feuchte Tuch endlich von meiner Brust entferne und es neben mir aufs Bett sinken lasse. Die andere Hand umklammert immer noch den blutigen Dolch und so muss ich mich mit der anderen abstützen, um mich in eine Position zu bringen, in dem ich den Täter im Blick habe, ohne mich verdrehen zu müssen.

Ein paar Sekunden starre ich den Mann, der eine Hand auf seine Halswunde gepresst hält und sichtlich Mühe hat die Augen offen zu halten, einfach nur berechnend an. Kurz überlege ich, ob ich ihn fragen soll, wer sein Auftraggeber ist und welche Anweisungen er genau erhalten hat, doch ich verwerfe die Idee sofort wieder. Schließlich fällt mir kein anderer außer dem König ein, der mich zum zweiten Mal in einer Woche betäuben möchte und seine genauen Pläne werden mir auch nicht dabei helfen, Daimon und mich in Sicherheit zu bringen.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt