Kapitel 37

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Wie erstarrt bleibe ich in der Türschwelle stehen, während mein Blick zwischen gleich zwei bösen Überraschungen hin- und her schnellt. Oh Gott, das darf nicht wahr sein, denke ich und versuche meinen aufkommenden Fluchtinstinkt herunter zu kämpfen. Ein Interview mit Daimon und Macen?! Zusammen?! Skeptisch ziehe ich beide Augenbrauen in die Höhe und blinzele mehrmals heftig, in der Hoffnung das Bild vor mir könnte sich dadurch ändern. Doch vergeblich, die zwei, unverwechselbaren Haarschöpfe ragen weiterhin über die hohen Lehnen der smaragdgrünen Sessel hinaus.

Der Ich-dachte-ich-führe-dieses-Interview-alleine-Ausruf liegt mir bereits auf den Lippen, doch ich schlucke ihn tapfer herunter. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist bei einem divenmäßigen Ausbruch gefilmt zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich auch ansonsten in Grund und Boden schämen würde, wenn ich jetzt eine Szene mache. Aber verdammt, warum hat mir die Reporterin denn nicht Bescheid gesagt, dass ich zwei Männer an meiner Seite haben würde? Dann hätte ich mich sicherlich nicht von Miri zu diesem Interview überreden lassen!

Okay, ein- und ausatmen, Fait. Es wird sicherlich nicht so schlimm wie du denkst, rede ich mir gut zu, doch selbst in meinen Gedanken klingt diese Aussage wie eine bodenlose Lüge. Verzweifelt versuche ich mich mit der Einrichtung des Raumes abzulenken.

Das Zimmer ist nicht besonders groß und wird neben den prachtvollen, weißen Wänden, die überall im Schloss zu finden sind, von grünen Details komplettiert. Da wären einmal die Vorhänge in Limette, Gemälde mit wunderschönen Landstrichen, die durch ihre Waldmotive ein ganzes Füllhorn an Grüntönen bieten und natürlich die samtbezogenen Sessel, die ich nur kurz mit meinen Augen streife, um die auf mich zurasende Katastrophe nicht wie ein genaues Bild vor mir zu sehen.

Stattdessen lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die smaragdgrüne Chaiselongue, die gegenüber von der Nicht-ansehen-Zone steht. Darauf thront eine Frau mit einer blonden Lockenmähne, die in einem bodenlangen Tageskleid steckt. Ich habe keine Ahnung wie alt sie ist, da sie ihr Gesicht über einen Blätterhaufen beugt und ihre Haare den Großteil ihrer Frontsicht verdecken. Ob sie heute das Interview führt?, frage ich mich, während mein Blick auch schon weitergleitet.

Als nächstes mustere ich das aufgebaute Filmset, das viel zu modern wirkt, um in diese Umgebung mit dem royalen Jagdhauscharme zu passen. Natürlich sind schon einige Kameras aufgestellt worden und irgendwelche, fremden Menschen drehen an dem schwarzen Equipment herum. Sie alle tragen-

Ach verdammt, wem will ich hier eigentlich etwas vormachen? Ich interessiere mich weder für Einrichtungen, die aussehen als ob man durch eine seltsame Art der Mutation eine Waldhütte mit einem Schloss gekreuzt hätte, noch für irgendwelche herumwuselnden Leute. Ich bin schlichtweg in einer blöden Situation gelandet und will noch kurz ein wenig Luft schnappen, bevor ich bemerkt werde und das unangenehmste Interview aller Zeiten hinter mich bringen muss.

Und ja, vielleicht verhalte ich mich ein wenig melodramatisch. Aber kann mir das jemand verübeln? Immerhin konnte ich mich schon vor dieser überraschenden Wende nur knapp zu diesem Interview durchringen und jetzt erfahre ich plötzlich, dass Mr. Provokant, auf den ich immer noch stinksauer bin und der mich überhaupt erst in diese Situation gebracht hat, ebenfalls mit von der Partie ist. Genauso wie sein Bruder Macen, mit dem ich seit meinem Zusammenbruch nicht mehr richtig reden konnte, weil er so unglaublich viel zu tun hatte.

Wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen den beiden? Ich habe die zwei außer bei den Aufgaben nie zusammen gesehen, weshalb ich nicht einschätzen kann, ob sie sich über meinen Kopf hinweg an die Gurgel gehen oder als Team die Fragen der Moderatorin abwiegeln. Ich hoffe jedenfalls schwer, dass es sich um Letzteres handelt.

In diesem Moment hebt die Reporterin mit der blonden Lockenmähne ihre Augen von ihren Notizen und sieht mich direkt an. Und meine Deckung ist aufgeflogen, denke ich, als Erkennen in ihrem Blick aufflammt und ihre Lippen sich zu einem Lächeln verziehen, das mich irgendwie an Täuschungen im Tierreich erinnert. Ihr wisst schon so in Richtung Tiefsee-Anglerfisch. Nicht dass ich ihre Zähne mit den gruseligen Monster-Spitzen, dieses Ungeheuers vergleichen möchte. Ich meine nur, dass sich ihr Jagdverhalten durchaus ähneln könnten.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt