Kapitel 97

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Ich ertrinke in der unendlichen Traurigkeit meines Herzen, die sich immer noch mit dem Schock über ihr plötzliches Ableben mischt. Es könnten also Tage oder auch nur wenige Sekunden vergangen sein, als ich im Augenwinkel wahrnehme, wie sich einige meiner Leute daran machen die gefesselten Zuschauer zu befreien. Doch selbst das bringt mich nicht dazu mich wieder aufzurappeln und den Anwesenden mit meinem Feuer zu helfen. Wer weiß, ob ich überhaupt eine weitere Flamme zu Stande bringe, denn im Moment fühle ich mich derartig leer und erschöpft, dass ich das doch schwer anzweifeln muss.

Also bleibe ich wie ein Häufchen Elend am Boden sitzen, während Daimon kleine Kreise auf meine Handoberfläche malt und mich somit davon abhält zu tief in mein schwarzes Loch zu fallen. Fallen. Das Wort hallt in meinem Inneren nach und sofort blitzt eine Erinnerung an die frühere Fait auf, die felsenfest davon überzeugt war, dass niemand, der ihr Geheimnis kennt, sie auffangen würde. Und doch sitze ich jetzt hier, während mir Daimon die Stütze ist, die ich so dringend brauche. Schließe nicht länger jegliche Personen aus deinem Herzen aus, hallt Rocelyns Stimme wieder durch meinen Kopf und plötzlich weiß ich, was ich tun muss.

>>Daimon, ich -<<, möchte ich beginnen, während ich mich halb zu ihm umdrehe, doch eine andere Stimme kommt mir zuvor. >>Ist das euer Ernst?!<<, kreischt meine Schwester plötzlich in den höchsten Tönen und keine zwei Sekunden später taucht sie in meinem Sichtfeld auf. Ihr Kleid bauscht sich um ihre Knöchel und ich muss daran denken, dass es wirklich eine Meisterleistung von mir ist, dass ich sie während des Angriffes komplett aus den Augen verloren habe. In ihrem goldenen Tüllkleid sieht sie nämlich wie eine Mischung aus einem schmuckvollem Kronleuchter und einem metallischem Riesenbonbon aus und allein der riesige Edelstein um ihren Hals, ist dafür gemacht alle Blicke auf sich zu ziehen. Zudem wirkt ihr Overdressed-Look im Meer aus Nachtgewändern und einfacher Alltagskleidung schon fast wie ein schlechter Scherz.

Alles in einem ist sie also wirklich eine Erscheinung wie sie sich plötzlich vor mir aufbaut und mich mit geröteten Wangen niederstarrt. >>Wollt ihr etwa alle ignorieren, was meine Schwester getan hat?<<, spuckt sie aus, wobei das S-Wort aus ihrem Mund schon beinahe die Gestalt einer obszönen Beleidigung annimmt, >>Sie hat gerade eine halbe Armee in Brand gesteckt und den Anführer mit Eisspitzen durchbohrt! Himmel noch mal! Und nichts davon scheint einen natürlichen Hintergrund zu haben! Sie scheint eine Hexe zu sein! Irgendjemand sollte sie dringend unschädlich machen! Hört ihr!? Wir könnten ihre nächsten Opfer sein! Sie ist schließlich ein waschechtes Monster!<<

Obwohl mir Trishs Meinung genauso viel bedeutet wie eine Handvoll Kies, jagen mir ihre Worte ein Stich durchs Herz, denn automatisch weiß ich, dass es jetzt endgültig vorbei ist. Ich muss fliehen und werde keine Zeit haben Daimon meine Gefühle zu gestehen. Ich muss jegliche Brücken zu meinem Leben einreißen und auch Rocelyns Leiche kann ich unmöglich mit mir nehmen, so dass ich wohl auch ihre Beerdigung verpassen werde. Eisfinger krallen sich in meine Eingeweide und die Panik überrollt mich genauso schnell und kraftvoll wie ein Hurrikan, während sich gleichzeitig eine weitere Fuhre Schmerz in meiner Brust ausbreitet. Mittlerweile erscheint es mir so, als würde ich bald nur noch aus dieser quälenden, teerartigen Schwärze bestehen, denn es brechen immer weitere Mengen über mich hinein.

Mein Hirn versucht in die Gänge zu kommen und mir einen Fluchtplan auszuspucken, aber der Erfolg bleibt aus. Entweder haben mich meine emotionalen Laster und der großflächige Einsatz meiner Kräfte zu sehr gebeutelt oder meine Versuche werden von dem Teil erstickt, der eigentlich gar nicht gehen will. Der einfach nicht gehen kann. Ich habe schließlich gerade schon Rocelyn verloren und mein Herz kann es nicht ertragen, zudem auch noch Daimon und alle meine Freunde mit einem Schlag loslassen zu müssen.

>>Lass es einfach, Trish! Fait ist kein Monster und das weißt du genau! Immerhin hätte sie gar nicht zu diesen Mitteln greifen müssen, wenn du ihr nicht derartig in den Rücken gefallen wärst. Ohne dich hätte die Organisation zusammen mit ihr einen alternativen Plan aushecken können, aber das hast du ja gründlich vermasselt. Und jetzt geh! Siehst du nicht, dass sie trauert?! Oder verstehst du etwa nicht was dieses Wort bedeutet, weil dort wo bei dir das Herz sitzen sollte nur Leere aufzufinden ist?!<<, knurrt der Prinz hinter mir und auch ohne hinzusehen, weiß ich, dass er gerade seinen besten Todesblick an ihr ausprobiert.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt