Kapitel 70

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Organisation. Daimon. Rocelyns Worte. Seltsamer Kerl. Kuss. Miri. Kaffeefleck – So könnte man meine Gedanken wohl zusammenfassen, aber ich denke diese wenigen Stichworte verunreinigen ein wenig die geballte Macht an Stuss, die gerade in meinem Kopf kreist. Und zwar immer und immer wieder. Da hilft es auch nichts, dass Ms. Swan heute tatsächlich so etwas wie Vernunft bewiesen hat und gerade in ihrer eigenen langweiligen Form die Geschichte von Heavensent vorträgt. Jap, ihr habt richtig gehört. Nach etlichen Stunden über Benimmregeln, Aussehen und Manieren mit zusätzlichem Reit- und Tanzunterricht sind wir endlich an dem Punkt angekommen, an dem uns etwas beigebracht wird, das tatsächlich für das Regieren eines Reichs benötigt wird. Denn wie pflegt nochmal jeder Geschichtslehrer zu sagen: ,,Die Vergangenheit ist wichtig, um für die Zukunft zu lernen".

Tja, es scheint so als würde ich meine frühere Lehrerin heute einen gedanklichen Mittelfinger von meinem Hirn geschickt bekommen, denn dieser weigert sich prompt aufzupassen. Dass ich zudem auch noch im Stehen einschlafen könnte, trägt nicht unbedingt zu einer höheren Konzentrationsrate bei. Vor allem, weil ich den Luxus genieße auf einem Stuhl zu sitzen und in meinem jetzigen Zustand sogar die harte Tischplatte vor mir als bequem erachte.

Okay, vielleicht sollte ich nicht so verdammt übertreiben. Immerhin konnte ich, nachdem ich Cassie nach einem langen Mädelsgespräch aus dem Zimmer gescheucht habe, trotz meines Gedankenkarussells irgendwann einschlafen, weshalb ich ungefähr sechs Stunden Schlaf auf dem Zähler haben sollte. Doch leider ist diese Zahl ohne einen Schuss Koffein für eine Kaffeeliebhaberin wie mich gar nichts wert, weshalb ich wohl nach dem Unterricht einen kurzen Stopp in der Küche einlegen muss, um wenigstens den Rest des Tages als brauchbar zu gelten.

Aber wir wollen jetzt ja nicht gleich von den Themen abkommen, die meine Sinne gerade als ultimativ wichtig erachten, obwohl ich schon längst für jedes Gebiet eine Lösung gefunden habe. Irgendwie. Am einfachsten war dabei definitiv die mysteriöse Organisation und Smaragdglupscher, der mittlerweile in meinem Hirn auch als der Brabbler bekannt ist. In diesem Bezug werde ich nämlich nichts anderes tun, als auf das Ereignis auf FTP zu warten. Immerhin weiß ich bisher nicht einmal, ob diese Gruppe überhaupt existiert und ob sie wirklich das Ziel verfolgen die Ungerechtigkeiten in unserem Land friedlich zu besiegen, weshalb die Möglichkeit blind bei ihnen einzusteigen schon mal wegfällt.

Gleichzeitig möchte ich mir diese Chance auch nicht kaputt machen, indem ich irgendjemanden davon erzähle. Denn nur weil ich mir nicht sicher bin, was es mit dieser Truppe auf sich hat, bedeutet das nicht, dass ich nicht daran interessiert wäre ein Teil davon zu sein. Und wer kann mir das verübeln? Schließlich laufe ich schon mein Leben lang der Traumvorstellung hinterher, mit einer Ausbildung zur Soldatin irgendetwas in der Welt zu bewegen und Heavensent ein Stück sicherer zu machen.

Dass die wahren Monster auf einem goldenen Thron sitzen und ein löwenartiges, arrogantes Lächeln zur Schau stellen, habe ich dabei durchaus bedacht – immerhin würde ich als Kämpferin nicht nur dem Land, sondern auch ihnen dienen. Doch es hat in meinem Plan noch nie eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Zum einen weil alles im Leben gute und schlechte Seiten hat, die sich selten voneinander trennen lassen. Und zum anderen, weil ich es zum Teil nicht sehen wollte, da mein Traum immer eine große treibende Kraft war – egal ob ich gerade einen Rückschlag im Ring zurücksteckte oder mir in der Isolation meiner Eltern ungeliebt vorkam. Dieser Wunsch stand immer an meiner Seite und ich schätze, ich wollte einfach nicht, dass er von schwarzen Flecken verunreinigt wird.

Doch es gibt noch etwas anderes, das eine große Rolle spielt: Es gibt keine handfesten Beweise, dass die Sinclairs Dreck am Stecken haben, sondern nur Gerüchte, die dafür umso zahlreicher und grausamer sind. Gut, man könnte alleine die Liste an Ungerechtigkeit, die die Unterschicht erfährt als Leiche im Keller bezeichnen, aber auch das spielte für mich bei meiner Berufswahl nicht die ausschlaggebende Rolle, da die Menschen unter der koslowischen Herrschaft noch unter viel schlimmeren Lebensumständen leiden.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt