Wespennest

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Bevor die Sonne aufging wurde Sam langsam unruhig.
Sie schien Albträume zu haben und fing an zu zucken und mit den Beinen die Decke weg zu strampeln.
Da Tom nicht wollte, dass sie Leila die in ihrem Arm lag aufweckte, streichelte er behutsam über Sams Arm.
Das half das sie sich wieder etwas beruhigte.
Doch bald wachte sie auf und sah sich panisch um.
Als sie Tom bemerkte wurde ihr Blick wieder klarer und die Panik wich ein wenig aus ihren Gesichtszügen.

„Es ist alles ok Maus. Du bist in Sicherheit und Leila auch."

Beruhigte Tom sie leise.

„Amelie?"

Flüsterte Sam leise und sah ihn traurig an. Tom seufzte und zuckte mit den Schultern.

„Er hat sie mitgenommen?"

Fragte Sam ihn ängstlich.
Tom nickte nur stumm.
Was sollte er ihr schon sagen um sie zu trösten, wo er selber doch gerade derart verzweifelt war?
Sam schluckte schwer, Tränen liefen ihr über das Gesicht.
Tom beugte sich zu ihr und wischte die Tränen vorsichtig mit seinem Daumen weg.

„Wir werden sie finden. Alles wird wieder gut."

Versprach er ihr. Sam schüttelte den Kopf.

„Er wollte nur mich. Amelie hat uns weggeschickt um uns zu beschützen. Und jetzt tut er ihr weh, anstatt mir."

Tom sah sie hilflos an.

„Amelie und ich haben dich und Leila bei uns aufgenommen.
Ihr seid jetzt unsere Mädchen. Und wir würden beide alles tun um euch zu beschützen.
Du kannst überhaupt nichts dafür das dieser Mann Amelie mitgenommen hat.
Dieser Mann ist sehr sehr böse.
Das ist nicht deine Schuld, okay?"

Sam sah ihn eine Zeit lang an und man konnte sehen das sie in Gedanken versunken war.

„Aber er hasst mich. Er war so wütend auf mich.
Dabei habe ich ihm doch gar nichts getan, oder?
Warum hasst dieser Mann mich so sehr?"

Tom stockte, er wollte Sam eigentlich nicht die Wahrheit zu diesem Thema erzählen.
Aber dieses Mädchen war für ihr Alter schon so erwachsen und reif, vielleicht war es falsch sie vor der Wahrheit beschützen zu wollen?
Wenn sie merkte das er ihr etwas verschwieg würde er vermutlich ihr Vertrauen verlieren, etwas das er sich nicht verzeihen würde.

„Erinnerst du dich an die Nacht, als du hinter dem Restaurant in der Gasse nach etwas Essbaren gesucht hast?"

Sam nickte und Tom konnte sehen das ihr ein Schauer über den Rücken lief, als sie sich diese Nacht in Erinnerung rief.

„Der Mann den du damals niedergeschlagen hast, weil er die Frau verletzen wollte, das war sein Bruder. Deshalb hasst er dich.
Dabei hast du dieser jungen Frau das Leben gerettet, es war eindeutig Notwehr.
Kein Richter würde dich dafür verurteilen."

Traurig sah Sam ihn an und eine Zeitlang herrschte Schweigen zwischen ihnen.

„Wenn jemand Leila umbringen würde, wäre ich bestimmt auch so böse wie der Mann."

Flüsterte sie nach einige Zeit leise. Tom schüttelte überzeugt den Kopf.

„Das ist Quatsch. Erstens: Leila würde niemals etwas so Schlimmes tun wie der Bruder dieses Mannes. Zweitens: du wärst niemals fähig jemanden so schlimm wehzutun, wie dieser Mann das bei dir getan hat.
Du bist nämlich nicht böse.
Rede dir nicht ein das es in Ordnung wäre was dieser Mann mit dir getan hat.
Du hast der Frau das Leben gerettet, ohne dich wäre sie jetzt tot. Verstehst du das?"

Sam nickte und schwieg dann wieder.
Sie beobachtete Leila die in ihrem Arm friedlich schlief.
Auch Tom beobachtete die Kleine, sie sah so glücklich und zufrieden aus.
Fast wünschte er sich jetzt auch einfach zufrieden schlafen zu können und die Welt um sie herum zu vergessen.

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