Vorwürfe

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Leila war auf der Autofahrt ungewöhnlich Still gewesen. Sonst plapperte die Kleine während des Autofahrens immer unentwegt, daher war Tom ihre ungewöhnliche Schweigsamkeit direkt aufgefallen.

„Alles in Ordnung?"

Fragte er sie, nachdem er das Auto im Parkhaus abgestellt hatte. Leila sah Tom kurz mit traurigen Augen an und nickte dann schweigend.

„Heute passiert nichts Schlimmes, deine Mama will dich nur wiedersehen. Ich und die Frau Fischer vom Jugendamt sind dabei und passe auf. Wenn etwas ist dann muss du nur mit uns reden, okay?"

Versuchte Tom ihre Befürchtungen, die dem Mädchen auch ohne Worte anzusehen waren, zu zerstreuen. Leila nickte immer noch schweigend und schnallte sich ab. Tom öffnete die Tür und streckte Leila eine Hand hin, die das Mädchen sofort ergriff. So machten sie sich auf den Weg zum Jugendamt in den dritten Stock des großen Gebäudes.
Am Büro von Frau Fischer klopfte Tom an und sie betraten nach einem freundlichen „Herein" das Büro.

„Guten Morgen. Frau Rudolphs ist noch nicht da aber wir können schonmal in unser Spielzimmer gehen."

Meinte die nette Mitarbeiterin des Jugendamtes und führte die beiden zwei Räume weiter in ein großes Zimmer, das neben einem Kindertisch mit drei Stühlen und eine Couch auch jede Menge Spielzeug enthielt.

„Such dir doch schon mal was Schönes aus, dass du mit deiner Mama spielen könntest."

Schlug Frau Fischer vor und nach einem ängstlichen Blick zu Tom, der ihr lächelnd zunickte, ging Leila in das Zimmer und schaute sich die verschiedenen Spiele an die in Regalen an der Wand lagen.
Auch Tom sah sich im Raum um und wartete angespannt, während Frau Fischer auf ihr Handy sah und etwas zu suchen schien.
Sein Blick fiel auf ein Schild neben der Tür auf den stand das dieser Raum zur Sicherheit der Kinder Video- und Tonüberwacht sei. Etwas verwirrt las Tom das Schild, er fand es doch etwas merkwürdig warum ein Spielzimmer überwacht wurde aber vermutlich wollte man den Eltern so die Möglichkeit geben alleine Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ohne dass man diese aus dem Augen lassen musste.

„Frau Rudolphs wird jetzt hergebracht. Ich hole sie kurz ab und wir kommen dann hier her."

Tom nickte und blieb neben der Tür stehen während Frau Fischer den Raum verließ. Leila sah sich die Kartons der Spiele an, dabei sah sie jedoch immer wieder prüfend zur Tür, fast als wolle sie sicherstellen das Tom noch da war. Der schenkte ihr jedes Mal ein Lächeln woraufhin auch Leilas Gesicht sich kurz aufhellte. Es klopfte an der Tür und Frau Fischer betrat gefolgt von Nadine den Raum.

„Leila, mein Engel!"

Rief Nadine laut und betonte dabei das Wort Engel ungewöhnlich stark, was Tom komisch vorkam. Doch schweigend blieb er stehen und sah zu wie Nadine den Raum betrat und einige Schritte auf Leila zu mache. Dann sah Nadine kurz mit einem hasserfüllten Blick zu Tom herüber bevor sie zu ihrer jüngsten Tochter herüberlief, die eher entsetzt als begeistert zu ihrer Mutter starte.
Nadine drückte Leila an sich woraufhin das Mädchen hilfesuchend über die Schulter ihrer Mutter zu Tom herübersah.
Lächelnd sah Frau Fischer den beiden zu während Tom sich fragte, weshalb Nadine ihm einen so hasserfüllten Blick geschenkt hatte.
Nach einigen Minuten ließ Nadine ihre Tochter los und drehte sich dann zu Frau Fischer und Tom um.

„Was macht ER hier?"

Fragte sie mit vor Wut zitternder Stimme und deutete auf Tom.

„Erst hat er mir meinen Mann weggenommen um mich für sich alleine zu haben und nun will er mir meine Kinder wegnehmen. Das werde ich nicht zulassen."

Schrie Nadine hysterisch und sah zu Tom herüber. Verwirrt blickte Frau Fischer zwischen Tom und Nadine hin und her. Auch Tom sah verwirrt zu Nadine herüber, da er nicht verstand was sie mit dieser Aussage meinte.

„Dieser Mann hat meinen Ehemann den Vater meiner Kinder umgebracht. Er hat ihn bei einem Einsatz aus der Deckung in die Schussbahn eines Verdächtigen geschupst. Damals hat er selber vor mir zugegeben, dass er dies nur getan hatte, weil er sich in mich verliebt hatte und mich ganz für sich alleine haben wollte."

Hysterisch redete Nadine weiter und Tom sah sie sprachlos an. Wie konnte Nadine so etwas behaupten?

„Dann hat dieser Mann mich vergewaltigt als ich mich weigerte nach dem Tod meines Mannes eine Liebesbeziehung mit ihm einzugehen. Nur deshalb bin ich damals mit meinen Kindern nach Köln geflüchtet und habe angefangen zu trinken, um die schrecklichen Erinnerungen an diese Tat zu vergessen."

Nun liefen Tränen über Nadines Gesicht. Tom war bei diesen haltlosen Behauptungen der Atem gestockt, niemals hätte er erwartet das Nadine solche Geschichten erfand um sich selber in ein besseres Licht zu rücken.
Er öffnete den Mund brachte aber keinen Ton heraus, sondern schüttelte nur ungläubig den Kopf.
Frau Fischer räusperte sich und Tom sah hilflos zu ihr herüber.

„Es ist vielleicht besser sie kommen jetzt erst einmal mit mir in mein Büro, Herr Mayer."

Toms Blick glitt zurück zu Nadine die ihn triumphierend ansah während noch immer Tränen über ihr Gesicht liefen.
Leila im Hintergrund sah ängstlich zu ihm herüber und schien es überhaupt nicht in Ordnung zu finden das Tom den Raum verließ.

„Ich komm gleich zurück, Leila."

Meinte Tom mit gezwungen ruhiger Stimme. Er folgte Frau Fischer aus dem Raum, im Flur atmete erst einmal tief durch.
Nachdem Frau Fischer die Tür zum Spielzimmer hinter sich geschlossen hatte sah sie Tom kurz mit zweifelnder Miene an und ging dann voran zu ihrem Büro.

„Ich weiß nicht wie Nadine dazu kommt so etwa zu behaupten. Heinz und ich waren seit der Schulzeit beste Freunde. Er, Nadine und Sam waren jahrelang die einzige Familie die ich hatte. Da meine Mutter früh gestorben ist und mein Vater sich nicht um mich gekümmert hatte, kannte ich sonst keine Familie. Niemals hätte ich etwas getan was diese Freundschaft gefährdet hätte, ich hatte nie Interesse an Nadine. Ganz im Gegenteil oft war es Nadine die sich mir gegenüber sehr aufdringlich verhalten hat, was ich aber immer abgeblockt habe.
Nachdem Sam geboren wurde hatte Nadine sich sehr verändert sie schien unzufrieden schenkte dem neugeborenen Kinder kaum Liebe und Beachtung. Heinz hat sich große Sorgen um sie gemacht und mich um Hilfe gebeten."

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