Zusammenbruch

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Die nächsten Tage verliefen für Tom und seine beiden Mädels zuhause endlich wieder ruhiger. Amelie ging regelmäßig zu ihrem Therapeuten und konnte bald auch wieder ruhiger schlafen. Sie besuchten Sam jeden Tag im Krankenhaus und endlich nach einer weiteren Woche durften sie auch die große der beiden Geschwister wieder mit nach Hause bringen.
Tom nahm sich vor endlich zu Frau Doktor Meyer der Polizeipsychologin zu gehen, so wie er es Debbie und auch Charlotte versprochen hatte. Aber irgendwie fand er doch nicht die Zeit dazu, immer war entweder noch ein Termin für Amelie oder die Kinder zu organisieren oder auf der Arbeit war so viel los, das er sich nicht für eine Stunde abmelden konnten.
Nach drei Wochen sah Tom auch langsam gar nicht mehr den Sinn darin, nochmal mit der Therapeutin über das Geschehene zu reden. Schließlich ging es ihm gut, Sam und Amelie brauchten die Unterstützung eines Psychologen um mit dem Geschehenen fertig zu werden, aber ihm war doch überhaupt nichts passiert. Klar er hatte sich unglaubliche Sorgen um die beiden gemacht und wäre beinahe durchgedreht, aber nun war seine Familie wieder beisammen und es ging allen gut. Die körperlichen Wunden waren kaum noch sichtbar, nur die seelischen mussten nun langsam heilen. Tom tat sein Bestes um Amelie und Sam eine Stütze zu sein. Wurde einer von beiden von Albträumen geplagt, legte er sich zu derjenigen ins Bett und hielt sie fest. Diese Sicherheit half sowohl Amelie wie auch Sam ungemein.

Zwei Tage vor Leilas Geburtstag hatte Tom eine Spätschicht mit Paul. Der jüngere Kollege war wie immer bestens gelaunt und unterhielt ihn den halben Tag mit lustigen Geschichten.
Als sie sich gerade einen Kaffee und ein Stück Kuchen bei Toms Lieblingsbäcker gegönnt hatten, nahm Paul ihn den Schlüssel des Streifenwagens ab.

"So jetzt fahr ich mal. Du fährst ja heute wie meine Oma."

Neckte er ihn und lachte. Tom pikste den frechen Kollegen in die Seite der daraufhin leise schrie und zur Seite sprang.
Er hob die Hände und fuchtele wild damit herum.

"Vorsichtig Kollege, ich kann Mikado."

Meinte er und grinste. Tom lachte und stieg auf der Beifahrerseite des Streifenbulli ein.

"Dann zeig mal wie gut du fahren kannst Paulchen. Denk dran ich bin jetzt Vater von zwei Kindern und muss gesund wieder zuhause ankommen."

"Eyey Sir."

Meinte Paul grinsend und startete den Motor.
Tom meldete sie wieder frei, damit die Leitstelle wusste das sie wieder für Einsätze zur Verfügung standen.
Sie fuhren durch die Innenstadt und Tom beobachtete die wenigen Fußgänger auf der Straße. Es war bereits später Nachmittag und den ganzen Tag regnete es schon wie aus Eimern. Bei diesem Wetter gingen nur diejenigen vor die Tür die mussten.

"Deshalb würde ich mir keinen Hund zulegen. Bei diesem Wetter neh Runde mit dem Köter drehen zu müssen, ne danke."

Meinte Paul und deutete auf eine ältere Dame, die mit ihren kleinen Hund versuchte möglichst wenige Pfützen durchqueren zu müssen.

"Aber jeden Tag zwei Mal raus und eine große Runde laufen, würde dir schon sehr gut tun Paulchen."

Neckte Tom seinen etwas fülligeren Kollegen. Entrüstet sah Paul zu ihm herüber und Tom musste lachen. Da konnte auch Paul nicht ernst bleiben und lachte ebenfalls mit.

"24/3 für Arnold bitte melden."

Kam die Stimme von Marc Westerhoven durch das Funkgerät. Tom räusperte sich kurz und ging dann noch immer grinsend an die Funke.

"24/3 hört."

"Fahrt mal in den Kupferstich Hausnummer 18 es wurden Schüsse gemeldet. Sonderrechte frei, achtet auf Eigensicherung!"

Sofort waren Tom und Paul wieder ernst. Tom bestätigte den Einsatz und Paul schaltete die Sirenen und das Blaulicht an. An der nächsten Möglichkeit wendete er und gab Gas. Innerhalb von zwei Minuten waren sie an der angegebenen Adresse. Es handelte sich um einen stillte Seitenstraße die in einer Sackgasse mündete. Hinter den Fenstern der meisten Häuser brannte Licht, nur das Haus Nummer 18 lag im Dunkeln dar. Tom und Paul sprangen aus dem Wagen und liefen zur Haustür des kleinen Flachdachbungalows.
Die Außenbeleuchtung ging an und Tom zog seine Waffe. Paul klingelte doch im Haus rührte sich nichts. Nervös standen die beiden Polizisten vor dem Haus im Regen und lauschten.
Erneut drückte Paul mehrmals auf die Klingel und klopfte dann mit der Faust gegen die Tür. Doch nichts rührte sich im Haus.

"Lass uns einmal ums Haus gehen ob überhaupt jemand da ist."

Schlug Tom vor und Paul nickte.
Kurz meldeten sie über Funk das sie am Einsatzort angetroffen war aber niemand ihnen geöffnet hatten.

"Wir gehen einmal um das Haus rum und schauen ob wir etwas finden."

Erklärte Paul der Leitstelle.
Dann folgte er Tom der bereits durch ein kleines Tor zur Ecke des Hauses gelaufen waren. Im Garten konnten sie eine Schaukel und eine Rutsche erkennen. Fast wäre Tom über ein Bobycar gefallen, dass auf dem gepflasterten Weg stand der zur Terrasse führte.

"Vorsicht."

Warnte er Paul und deutete auf die Stolperfalle.
An der Terrassentür angekommen versuchte Tom in das Haus hineinzusehen, doch im Dunkeln erkannte er nicht wirklich etwas.
Da merkte er das die Tür ein Stück offen stand.

"Die Tür ist auf."

Flüsterte er Paul zu und zog seine Taschenlampe aus der Jackentasche.
Nach einem prüfenden Blick zu Paul der ihm zunickte, zog Tom die Terrassentür weiter auf und schaltete seine Taschenlampe an. Mit vorgehaltener Waffe betrat er das große Wohnzimmer. Alles sah ordentlich aus doch es lag eine unnatürlich Stille über dem Haus.

"Hallo? Hier ist die Polizei."

Rief Tom in die Stille hinein und lauschte. Kein Geräusch war zu hören. Nach einigen Sekunden betrat er den Raum und suchte mit dem Lichtkegel seiner Lampe das Zimmer ab. Dabei durchquerten sie den Raum und gelangen in die Küche. Auch hier sah es einigermaßen ordentlich aus, auch wenn alles zugestellt war wie es in einer großen Familie und wenig Wohnraum normal sein dürfte.
Sie betraten den Flur vor der Küche und verständigten sich kurz, Paul würde nach rechts Richtung Eingangstür gehen und Tom nach links.
Die erste Tür auf der linken Seite war mit bunten Aufklebern geschmückt. Linda und Sonja war dort zu lesen.
Leise öffnete Tom die Tür und leuchtete in das Zimmer hinein. Entsetzt erstarrte er sein Herzschlag beschleunigte sich. Mit seine Taschenlampe tippte er auf den Lichtschalter und das Zimmer wurde von einer großen Deckenleuchte erhellt. Kurz musste er sich erst einmal an das Licht gewöhnen, doch dann erkannte er die grausige Szene die sich ihm bot.
Die beiden Kinder lagen auf ihren Betten. Beide hatten ihre Schlafanzüge an und hielten ein Stofftier im Arm. Das eine Mädchen musste in Leilas Alter sein, das zweite etwas jünger als Sam. Tom starte auf die beiden Kinder. Die Gesichter der Mädchen waren nicht mehr zu erkennen, jemand hatte ihnen mit einer Schusswaffe in den Hinterkopf geschossen und die Kugel war im Gesicht wieder ausgetreten.
Tom spürte Galle die ihm langsam die Speiseröhre hoch kaum. Er schluckte drehte sich rasch um und stürmte den Flur entlang zum letzten Zimmer. Paul rief nach ihm doch Tom verstand seinen Kollegen nicht mehr, zu laut hörte er das Rauschen in seinen Ohren. Er öffnete die letzte Tür, es schien sich um das Elternschlafzimmer zu handeln. Auf den Boden lag eine Frau. Trotz des fielen Blutes war ihr blondes Haar langes Haar zu erkennen. Wie bei Amelie. Zitternd gaben Toms Knie nach und er ging in der Zimmertür zu Boden.
Amelie, Sam und Leila tot. Sie waren alle tot, er hatte sie nicht beschützen können.
Tränen schossen ihn in die Augen und schluchzend ließ er seine Waffe und die Taschenlampe fallen.

"Tom verdammt was ist los."

Fragte Paul hinter ihm und rüttelte an seiner Schulter. Doch Tom reagierte überhaupt nicht mehr, sein Atem wurde immer schneller und panischer. Er konnte nur die Bilder der toten Kinder und der erschossenen Amelie vor sich sehen. Sie waren fort er hatte nicht auf sie aufgepasst, schon wieder hatte er sie im Stich gelassen.

"Ruhig atmen, Tom du musst ruhig atmen!"

Rief Paul wie durch einen Nebelwand. Doch Tom konnte sich nicht beruhigen und immer mehr Tränen liefen über sein Gesicht.

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