Blaue Augen

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Christian beugte sich über das Mädchen und kontrollierte ihren Puls.

„Hier, ich habe sie! Sie hat noch Puls, wir brauchen einen Notarzt."

Rief er und begann die Fesseln von Sams Händen zu lösen.
Tom betrat den Raum und kniete sich neben Christian auf den Boden.
Während Christian weiter mit den Handfesseln kämpfte, nahm Tom sein Taschenmesser aus der Jacke und zerschnitt die beiden Kabelbinder, die die Knöchel des Mädchens zusammenhielten.
Gerade als Christian endlich den Knoten des Seils gelöst hatte, welches Sams Handgelenke umschlang, wachte das Mädchen auf.

Panisch sah sie Christian mit großen Augen an und ein halb gurgelndes Geräusch entwich ihrem Mund.
Sofort versuchte Sam sich aufzurappeln und von dem Polizisten wegzurutschen.
Sie bemerkte das ihre Arme und Beine nicht mehr gefesselt waren. Das konnte nur bedeuten, dass er wieder da war und er wie angedroht seine Freunde mitgebracht hatte, um ihr noch mehr Schmerzen zuzufügen.
Ängstlich zitternd rutschte Sam von dem Mann weg, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß.

Ihr linker Arm hing nutzlos herab, sie konnte weder Arm noch Hand bewegen.
Starke Wellen aus Schmerzen zuckten ausgehend von Schulter, Arm und Brustkorb über sie hinweg.
Jedes Mal durchlief sie ein Zittern und nur stockend konnte sie nach Luft ringen.
Schwarze und rote Punkte tanzten in ihrem Blickfeld, doch panisch versuchte sie den Mann nicht aus dem Blickfeld zu verlieren.

Sie musste sich wehren, sie konnte nicht einfach kampflos aufgeben.
Leila brauchte sie doch schließlich.
Wie sollte ihre kleine Schwester zurechtkommen, wenn Sam sich nicht um sie kümmerte?

Mit Entsetzen sah der ältere Mann sie an und rührte sich keinen Millimeter.
Neben ihm hockte ein weiterer Mann, den Sam aufgrund der vielen tanzenden Flecken in ihrem Sichtfeld kaum wahrnehmen konnte.
Immer schwerer fiel es ihr nach Luft zu ringen, es fühlte sich an als würde jemand ihren Brustkorb zusammendrücken und auch die Schmerzen wurden immer schlimmer.
Die großen Schnittwunden an ihren nackten Beinen hatten wieder angefangen zu bluten und auch von dort registrierte Sam qualvolle Schmerzen.

In diesem Moment kam wieder Bewegung in die beiden Männer.
Der Ältere wollte sich Sam vorsichtig nähern, woraufhin ihr Herz noch schneller zu schlagen begann und die Panik immer schlimmer wurde.
Der andere Mann hielt ihn jedoch zurück und sprach kurz leise mit ihm.
Daraufhin zog dieser sich zurück und nur noch der große breitschultrige Mann blieb wenige Meter entfernt von Sam hocken.

„Hallo Sam. Ich bin Tom. Erinnerst du dich an mich?
Wir haben uns vor wenigen Tagen auf der Polizeiwache gesehen?"

Meinte der Mann mit ruhiger, warmer Stimme und rückte vorsichtig ein wenig näher.
Sam drückte sich an die Wand und sah ihn mit panisch, weiten Augen an.

„Ich habe dich damals leider nicht erkannt.
Aber wir kennen uns schon ziemlich lange Sam.
Ich war der beste Freund von deinem Papa.
Erinnerst du dich vielleicht an mich?"

Wieder rückte der Mann näher und war nun nur noch einen Meter von Sam entfernt.
Sam registrierte dies mit einem panischen Keuchen und versuchte wieder von dem Mann wegzurutschen, doch sie erreichte nur eine Zimmerecke, in die sie sich panisch hineindrückte.

„Du warst damals natürlich noch etwas jünger.
Weißt du noch wie wir jedes Jahr Weihnachten zusammen gefeiert haben?
Du hast immer den Weihnachtsbaum mit mir zusammen geschmückt, ich habe dich auf die Schultern genommen und du hast die Weihnachtsbaumspitze aufgesetzt.
Abends ist dann der Weihnachtsmann gekommen und hat dir deine Geschenkte gebracht.
Ich glaube du hast nie gemerkt, dass ich das war oder?"

Die Erzählung des Mannes brachten Bilder der Erinnerung in Sam hervor.
Ihr Papa der sie auf dem Schoss hielt, während der Weihnachtsmann mit dem großen Sack voller Geschenke vor ihnen kniete und Sam fragte ob sie denn in diesem Jahr ein braves Mädchen gewesen war.
Die blauen Augen des Weihnachtsmannes,
Sam konnte sie genau vor sich sehen.

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