Familie

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Erst gegen Abend wurden sie endlich erlöst. Oliver Dreier, der als Anästhesist die OP mit geleitet hatte, kam in Leilas Zimmer um sie zu informieren.
Der Arzt sah erschöpft und müde aus, die 8 Stündige Operation hatte auch ihn geschlaucht.

„Hallo ihr Zwei.
Also wir haben deine Schwester fertig operiert. Sie ist jetzt erstmal auf der Intensivstation.
Ich werde deinen Patenonkel mal mit hochnehmen, ich denke, wenn es deiner großen Schwester etwas besser geht, dann darfst du sie besuchen. Okay?"

Im ruhigem und verständnisvollem Ton sprach Oli mit Leila, die ihn mit großen Augen ansah.
Zögernd nickte die Kleine und Tom nahm sie noch einmal in den Arm.

„Mach dir keine Sorgen. Sam wird es bald wieder besser gehen."

Flüsterte er ihr zu, dann folgte er Oliver aus dem Zimmer.
Vor der Tür fasste der erfahrene Arzt ihn am Arm.

„Die OP lief gar nicht mal so gut Tom.
Das war eine ganz schön knappe Kiste, hättet ihr die Kleine ein paar Stunden später gefunden, wäre sie jetzt tot.
Ich musste sie zweimal reanimieren, während der Operation.
Die heutige Nacht und die nächsten Tage werden zeigen ob sie es schafft.
Aktuell sind ihre Chancen recht schlecht, ich wollte das vor er Kleinen lieber nicht sagen."

Tom nickte und versuchte den dicken Kloß der sich in seinem Hals gebildet hatte herunterzuschlucken.
Gemeinsam gingen sie auf die Intensivstation und Oliver reichte ihm einen grünen Schutzkittel, den er anziehen sollte.

„Hier Hände bitte ordentlich desinfizieren."

Deutete er auf den Desinfektionsmittelspender im Flur.
Tom tat wie befohlen und gemeinsam betraten sie eines der Räume.
Durch eine Glasscheibe in der Tür konnte man hineinsehen.
Sam lag in einem großen Bett, überall waren Schläuche und Kabel an ihr befestigt.
Die Geräte gaben zum Teil, laut piepende Geräusche von sich.

Das Mädchen verschwand fast in dem großen Bett und wirkte noch deutlich kleiner als sie eigentlich war.
Oliver zog einen Stuhl neben das Bett und deutete Tom an sich hinzusetzen.

„Wir haben sie in ein künstliches Koma versetzt.
Aber es kann trotzdem sein das sie dich hört, also spreche ruhig ganz normal mit ihr."

Kurz kontrollierte der Arzt einige der Geräte und ließ Tom dann mit Sam alleine. Schweigend saß er eine Zeit neben dem Mädchen.
Tränen liefen ihm bald über das Gesicht.
Samantha so zu sehen, tat ihm in der Seele weh.

Damals hatte er so viel Zeit mit ihr verbracht, sie war immer solch ein glückliches und aufgewecktes Mädchen gewesen.
Niemals hätte er zulassen dürfen das ihr so etwas zustößt.
Sie war doch Teil seiner Familie.
Er nahm ihre linke Hand und streichelte vorsichtig mit dem Daumen über ihren Handrücken.

„Hey Sam.
Ich soll dir von Leila sagen, dass sie dich vermisst.
Du musst schnell wieder gesund werden, hörst du?"

Leise redete er mit ihr und hoffe das sie ihn vielleicht hören konnte.
Wie schlafend lag das Mädchen da.
An ihrem linken Arm war ein großes Metallkonstrukt angebracht, welches vermutlich die gebrochenen Knochen stabilisieren sollte.
Das Beatmungsgerät gab ein gleichmäßiges Zischen von sich und gab den Takt vor in dem sich Sams Brust hob und senkte.
Die Augen des Mädchens waren mit Klebestreifen zugeklebt, um zu verhindern das sie aufgrund der Bewusstlosigkeit offenstanden und austrockneten.

Vorsichtig streichelte er ihr über die Wange.
Früher hatte er ihr oft etwas vorgelesen, kurz bevor sie schlafen ging.
Vielleicht sollte er das wieder tun?

„Weist du was?
Damit dir nicht so langweilig wird hier, werde ich jetzt mal was für uns zum lesen besorgen und dir vorlesen.
So wie früher.
Erinnerst du dich?"

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