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Mein Blick war zu Boden gerichtet und mein Hals fühlte sich ungewohnt trocken an als ich versuchte etwas zu erwidern, jedoch scheiterte. Mein Herz pulsierte und ich wurde nur so von meinen Gedanken überrumpelt.

Ich hatte es mir nur eingebildet, zumindest schien dies die einzig logische Erklärung, jedoch wusste ich selbst wie naiv es von mir war so etwas zu denken.

Sean hatte mir gerade eben gestanden, dass auch er schon des Öfteren daran gedacht hatte mich zu küssen.

Auch als ich meine Sprache wiedergefunden hatte blieb mir nicht die Chance etwas zu entgegnen, denn die Tür sprang auf und eine verschlafene Gwendolyn stand im Türrahmen und musterte uns skeptisch ehe sie mit den Schultern zuckte und auf das Bett zu ging auf welches sie sich fallen ließ.

Überrumpelt starrte ich meine Freundin an und wusste schon wieder nicht was ich sagen sollte.

„Gwen?", fragte ich besorgt und ging auf sie zu um leicht an ihrer Schulter zu rütteln, vergebens.

Als ich mich wieder umdrehte um Kürbiskopf endlich eine Antwort zu geben, war dieser verschwunden als sei er nie da gewesen.

Niedergeschlagen ließ ich mich auf die Bettkante gleiten wo ich noch vor wenigen Minuten mit ihm gesessen hatte.

Einige Tage waren vergangen, genaugenommen achtundzwanzig.

Chiara ging zwei Tage später wieder zurück in ihre Heimat und Gwendolyn lebte noch immer bei uns, jedoch mit dem Unterschied, dass sie nun bei Damon im Zimmer schlief welcher die Begründung hatte; er hätte ein Sofa.

Beide warfen sie sich verschwörerische Blicke zu, pflegten Körperkontakt in kleinen Gesten und seilten sich viel von der gesamten Gruppe ab um Zeit zu zweit zu verbringen. Da schloss ich nicht aus, dass die beiden auch in einem Bett schliefen.

Aber es war okay, ich freute mich für meinen Bruder immerhin schien er glücklich zu sein und das war alles was zählte. Irgendwann, wenn wirklich etwas Ernstes draus werden sollte, müssten sie es mir eh sagen.

Mit Harry und Kyle war ich am Freitagabend spontan in einen neuen Kinofilm gegangen und hatte per Zufall dort auch Jason angetroffen welcher ein heißes Date hatte, zumindest sagte er dies, gesehen hatte ich seine Verabredung nicht.

Kürbiskopf ging mir aus dem Weg und mehr gab es zu diesem Thema auch nicht zu sagen. Zumindest meinerseits nicht.

Meine Fingerkuppen strichen über den Rand meiner Kaffeetasse und abwesend starrte ich aus dem Küchenfenster.

Es war gerade Mal fünf Uhr morgens weshalb noch niemand im Haus wach war und ich somit Zeit hatte meine Gedanken zu sortieren.

Zu groß ist die Angst, dich irgendwann zu verletzen.

Immer und immer wieder hallte eine Stimme in meinem Kopf und wiederholte den Satz den Kürbiskopf vor einem Monat gesagt hatte. Es war alles so surreal.

Er konnte mich nicht mehr verletzten, weil ich schon bis aufs äußerste zerstört war, nur wusste er dies nicht.

Vor einer Woche bekam ich einen Anruf, es handelte sich um einen Beamten welcher mir mitteilen wollte, dass meine Eltern mir etwas hinterlassen hatten. Es war ein Brief welchen er mir per Post zugestellt hatte, geöffnet hatte ich ihn nicht und geplant war es auch nicht.

Meine Eltern hatten sich nie für mich und mein Wohlergehen gesorgt, wieso sollten sie es jetzt wo sie tot sind tun? Ich war nicht das Kind was sie wollten, ich war ihrer Meinung nach eine Schande für die Familie, und das nur weil ich nicht das perfekte Töchterchen war.

Die Liste mit Dingen die sie an mir hassten fing damit an, dass ich geboren wurde.

Nur die großen Kulleraugen von Damon hielten sie von einer Abtreibung ab, dies hatten sie mir sogar ins Gesicht gesagt. Damals hatte ich mir darüber den Kopf zerbrochen, versuchte ihre Liebe anders zu erlangen, scheiterte jedoch jedes Mal und verlor mich dabei selbst.

Ein tapsen ließ meinen Kopf nach links, in Richtung Tür schnellen, und erleichtert atmete ich auf als ich nur meinen Bruder sah welcher dort stand und mich verschlafen ansah.

Mit jedem Schritt den er auf mich zukam beschleunigte sich mein Herzschlag und ich betete zu Gott, dass er es vergessen hatte. Doch meine bitte wurde nicht erhört als sich der beste Bruder der Welt vor mir hinhockte und hinter seinem Rücken ein kleines Päckchen hervor zog.

„Du solltest mir nichts schenken.", murmelte ich mit kratziger Stimme vom langem nichts sagen und schaute Damon gequält an. Ich mochte es nicht, wenn man mir etwas schenkte.

„Ich weiß, Prinzessin. Trotzdem tu ich es.", entgegnete er frech und grinste mich noch immer etwas müde an.

„Woher wusstest du, dass ich schon wach bin?", wechselte ich unauffällig das Thema und nippte an meinem Kaffee. Das Grinsen in seinem Gesicht wich und wurde durch ein warmes, liebevolles Lächeln ersetzt.

„Du bist meine Schwester. Ich kenne dich, du sitzt jedes Jahr an diesem Tag, um diese Zeit, irgendwo mit einer Tasse Kaffee und starrst aus dem Fenster um dir dein hübsches Köpfchen zu zerbrechen.", mein Blick glitt zu Boden während sich meine Lippen zu einer graden Linie pressten und meine Hände sich um der lauwarmen Tasse verkrampften.

„Du solltest jetzt neben Gwen liegen und nicht hier bei mir sein.", seufzte ich nach einiger Zeit des Schweigens und fuhr mir mit zittriger Hand durchs lange Haar.

„Du hast womöglich Recht, Gwendolyn bedeutet mir viel, mehr als je eine andere Frau. Aber du bist meine Schwester, meine kleine Prinzessin die ich damals unbedingt haben wollte. Du wirst immer Vorrang haben, Amanda, egal ob ich nun mit einer anderen Frau zusammen bin oder nicht.", seine Worte ließen mich in meiner Bewegung inne halten, meine Tasse auf den Tisch stellen und mich zu ihm drehen.

Ohne länger an die Dinge zu denken die mich seit Stunden beschäftigten fiel ich dem Jungen vor mir um den Hals, schlang meine dürren Ärmchen um seinen Hals und presste mich so dicht an ihn, wie es mir nur möglich war.

Sein Kopf vergrub sich in mein braunes, langes Haaren und er zogen deren Duft ein ehe er mit leiser, belegter Stimme flüsterte: „Alles Gute zum Geburtstag, Prinzessin."

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt