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Liebe Amanda,

da uns in den letzten Jahren immer mehr bewusst geworden ist, dass du dein Leben nie selbst auf die Reihe bekommen wirst haben wir beschlossen dir einen Gefallen zu tun.

Ich und dein Vater haben mit unserem Kollegen gesprochen welcher so gütig wäre um dir eine Stelle in seiner Firma zu verschaffen, natürlich müsstest du dafür bessere Noten schreiben immerhin ist er ein sehr bekannter Geschäftsmann!

Da ich keinen weiteren Grund darin sehe dir weiterhin ins Leben zu reden überlassen wir dir die Entscheidung was du machen wirst. Im Endeffekt wirst du eh nie auf uns hören, hat man immerhin all die Jahre gesehen!

Weißt du Amanda, wenn du das hier liest werden wir wahrscheinlich schon tot sein weshalb uns nun auch nichts mehr davon abhält dir die Wahrheit zu sagen:

Deine Geburt war ein einziger großer Fehler, oft hatten wir daran gedacht dich zur Adoption frei zugeben, jedoch hatten wir da nicht mit deinem Bruder gerechnet! Wäre er nicht gewesen, so würdest du gar nicht erst zu dieser Familie gehören.

Schon damals warst du eine Schande für die Ehre unsere Familie und auch das du immer wieder solch einen Mist, Verzeihung für die Ausdrucksweise, abgezogen hast macht dies nicht besser. Wir hatten nie hohe Erwartungen an dich, jedoch hast du es in all den Jahren nicht einmal für nötig gehalten, gute Noten nach Hause zu bringen und höflich zu sein!

Wir hätten uns wirklich gewünscht, dass du wenigstens etwas so wie Damon wirst!

Katja & Carlos Adams

Mit jedem ihrer Worte versetzten sie mir einen weiteren Schlag in die Magengrube und sorgten dafür, dass ich mich mehr als nur Minderwertig fühlte. Nicht einmal selbst geschrieben hatten sie diese Zeilen, stattdessen hatten sie es in eine billige Tastatur eingegeben und ausgedruckt.

Wut kochte in mir auf als ich den Brief in die nächst beste Ecke schmiss und anfing meine Tasche zu packen. Meine Hände zitterten und mein Herz pulsierte schneller als üblich.

Mir war von Anfang an klar gewesen, dass sie mir keinen Brief geschrieben hatten um sich zu entschuldigen. Meine eigenen Erzeuger hatten mich von der ersten Sekunde an gehasst und trotz dessen hatte ich die Hoffnung gehabt, dass sie mich vielleicht etwas liebten.

Ich zog mir einen dicken Pullover von Damon an, schulterte meine Tasche und schlich anschließend leise aus dem Haus. Meine Füße trugen mich zur Busstation von welcher aus ich in die Stadt fuhr.

Bisher hatte ich die Stadt nur bei Tag erlebt weshalb mir auch nie aufgefallen war, wie belebt sie eigentlich war. Bewundernd schritt ich immer weiter in Richtung des Hauptplatzes. Laut Ethan sollte dort jede Woche eine Gruppe sein die einfach zum Spaß tanzte und sich neben bei etwas dazu verdiente.

Mein Plan war es zwar nicht mit zu tanzen, jedoch wollte ich sie sehen und einfach für einen Moment vergessen was ich zuvor noch gelesen hatte.

Eine rhythmische Melodie und ein großer Halbkreis zogen meine Aufmerksamkeit auf sich und bevor ich mich dagegen wehren konnte stand ich schon mitten drin.

Innerhalb von Sekunden stand ich ganz vorne in der ersten Reihe und konnte die fünf jungen Männer dabei beobachten, wie sie sich geschmeidig zu der Musik bewegten.

Allein ihre Ausstrahlung zeigte, wie sehr sie es liebten zu tanzen und auch, dass sie darin keine Pflicht sondern Spaß sahen.

Ihre Augen leuchteten und unbewusst fing ich an mit meinem Kopf mit zugehen ebenso schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen welches mit jeder weiteren Minute wuchs.

Charmant lächelten die jungen Männer ins Publikum ehe sich jeder von ihnen eine Dame schnappte und anfing mit ihr zu tanzen. Neue Musik ertönte und gleichzeitig hörte man die vielen Stimmen und das Lachen der Frauen.

Weiterhin die Fremden beobachtend merkte ich gar nicht wie mich einer von ihnen am Handgelenk packte und an sich zog: „Kannst du tanzen?"

Grinsend nickte ich und so fingen ich und der Mann mir gegenüber an zu tanzen. Anders als die anderen ließ er mich irgendwann los und tanzte synchron zu mir mit während ich manche der Schritte nachmachte, welche er und seine Gruppe zuvor noch gemacht hatten.

Als das Lied endete wank ich dem Jungen noch zu und wollte gehen als seine Stimme die ich zuvor nur verzerrt vernommen hatte erneut ertönte: „Wie heißt du?"

„Amanda.", lächelte ich höflich und drehte mich zu ihm. Uns trennten nur wenige Meter, jedoch fühlte ich mich mit ihm und seiner Gruppe verbunden, wenn auch nur auf die Art und Weise wie sie den Tanz lebten.

„Ben. Du hast dir tatsächlich die Schritte innerhalb von Minuten gemerkt?", harkte er nach und wirkliches Interesse blitzte in seinen grau-blauen Augen auf. Stumm nickte ich, dennoch mit einem Grinsen im Gesicht.

„Ihr wart gut.", lobte ich sie ehrlich. Zu sagen sie wären fantastisch oder atemberaubend wäre übertrieben.

„Sowas hört man gerne! Hör zu, ich muss jetzt los aber vielleicht hast du ja Lust nächstes Mal mit zu tanzen? Wenn ja würde ich dir meine Nummer geben und wir könnten uns in Kontakt setzten.", kopfschüttelnd lachte ich auf.

„Sorry Ben, aber ich verzichte! Möglicherweise sieht man sich mal!", mit diesen Worten drehte ich mich um und tauchte in der Menschenmasse unter.

Ich steckte so leise wie nur möglich den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Haustür. Draußen wurde es schon wieder hell weshalb ich für den Notfall darauf vorbereitet sein musste, dass Gwendolyn schon wach war.

Zu meinem Glück war dies nicht der Fall weshalb ich innerhalb von wenigen Minuten in meinem Zimmer ankam und mich, um einiges glücklicher als vor wenigen Stunden noch, in mein Bett fallen ließ.

Das ich noch immer Straßenkleidung trug war mir egal und so schnell wie noch nie war ich auch schon in meiner eigenen Traumwelt versunken.

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt